"Dafür werde ich nicht bezahlt" - das ist der Satz, den George Gorsline nicht mehr hören kann. Gorsline, der heute als Berater arbeitet, war unter anderem IT-Chef beim Kreditkartendienstleister Interac Association und im Toronto East General Hospital. Seine Forderung an CIOs: Raus aus der Opferrolle, dann steigt auch die Akzeptanz im Vorstand. Gorsline führt diese These auf dem Online-Auftritt unseres Schwestermagazins IT World Canada unter dem Titel "The worst CIO excuse: ,above my pay grade’" aus.
Gorsline bezieht sich auf eine Situation, die er immer wieder erlebt: Sobald es um die Forderung geht, der CIO solle sich am Gestalten übergeordneter Business-Strategien beteiligen, fällt der Satz mit dem Hinweis auf das angeblich zu geringe Salär. Ob es nun wirklich um’s Geld geht oder der jeweilige CIO nur seine Tekkie-Ecke nicht verlassen will, sei dahingestellt. Gorsline lässt die Aussage jedenfalls nicht gelten.
Sein Credo: Wer in solchen Kategorien denkt, macht sich selbst kleiner, als er ist. Wer dagegen über seine Funktions- und Gehaltsgrenze hinaus denkt, verschafft sich wachsenden Respekt und Einfluss. Gorsline stützt das vor allem auf seine eigenen Erfahrungen.
Der eigene Erfolg hat in erster Linie mit dem Selbstverständnis als Führungskraft zu tun, so der Berater. CIOs müssten - wie alle anderen Chefs übrigens auch - zunächst einmal lernen, den eigenen Leuten zu vertrauen und Aufgaben zu delegieren.
Glaubt man Gorsline, hat er in seinen Jahren als Berufsanfänger selbst einen solchen Chef gehabt. Seine Kollegen und er hätten sich durch das Vertrauen ihres Vorgesetzten motiviert und angespornt gefühlt, berichtet er.
Mitarbeitern vertrauen und Fehler zulassen
Das Zweite ist eine Führungskultur, die Fehler zulässt. Wenn etwas schief läuft, kann es nicht darum gehen, einen "Schuldigen" zu suchen. Die Frage muss lauten, was aus dem Fehler zu lernen ist.
Gorsline jedenfalls rechnet seinem früheren Chef dessen Führungsqualitäten hoch an. Als er selbst Chef wurde, hat er diesen Stil weitergeführt. Als sein Team ein Projekt verbockt hatte, entschied sich Gorsline zu einem unkonventionellen Lösungsweg. Entwickelt hatte er den übrigens nicht selbst, sondern eine seiner Mitarbeiterinnen.
Die Frau sei am Montagmorgen völlig übermüdet ins Büro gekommen, so Gorsline. Sie habe ihm erzählt, dass sie am Wochenende fast nicht schlafen konnte wegen der Schwierigkeiten mit dem Projekt. Gleichzeitig habe sie einen Lösungsversuch erarbeitet. Gorsline schickte die Frau nach Hause, sie solle sich erst einmal ausschlafen - und am Dienstag ihren Lösungsvorschlag umsetzen.
Laut Gorsline konnte das Projekt - wenn auch mit deutlichen Zusatzkosten - doch noch gerettet werden. Sein Fazit: Die Mitarbeiterin hat eben nicht das Motto vertreten: "Dafür werde ich nicht bezahlt." Das habe sie selbst beflügelt und ihm als ihrem Chef den Rücken für Höheres freigehalten.
Leider führt Gorsline nicht aus, wie es weitergegangen wäre, wenn das Projekt - zumal mit den zusätzlichen Kosten - in die Hose gegangen wäre. Autoritätsprobleme scheint er jedenfalls nicht zu haben, denn nach seinen Worten empfindet er es als "Segen", wenn seine Mitarbeiter auf bestimmten Gebieten mehr Wissen haben als er. Nicht als Problem.
Delegieren schafft eigenen Freiraum
Skeptiker mögen Gorsline naiven Optimismus unterstellen. Zumindest in einem Punkt gibt ihm jedoch eine Studie des Beraters Coretelligence aus Bad Oeynhausen recht: Rund sechs von zehn Fachbereichsleitern klagen, zu wenig Zeit für das Entwickeln neuer, innovativer Ideen zu haben. Überlastung durch das Tagesgeschäft lasse ihnen keinen Raum.
Wer seinen Mitarbeitern so vertraut, wie Gorsline es tut, und entsprechend delegiert, schafft sich Freiraum für Aufgaben, die über den eigenen Tellerrand hinausgehen. Das kann die eigene Position im Unternehmen verbessern.