Im Spiegel-Hochhaus an der Brandstwiete 19 in Hamburg muss es einen verdunkelten Raum geben, in denen verhinderte und echte Dichter Schlagzeilen komponieren, die an poetischer Kraft im deutschsprachigen Internet ihresgleichen suchen: "Jobs macht die Wunderflunder flott" alliteriert da einer und ein anderer reimt "Zauberbrett mit Schmutzschutz". Die Artikel selbst sind weit weniger poetisch, doch merkt man den Kollegen in Hamburg an, bei aller gebotenenen Sachlichkeit vom iPad begeistert zu sein.
Der Apple-Experte Matthias Kremp hebt hervor, was auch Apple-CEO Steve Jobs während seiner Rede nicht nur am Rande erwähnte: Im Post-PC-Zeitalter sollte Hardware und Software der Geräte perfekt aufeinander abgestimmt sein. So lobt Kremp auch mehr die Software-Neuerungen als die erwartbaren neuen Hardware-Features wie Dual-Core-Prozessor oder die beiden Kameras: "Werben lässt sich derzeit vor allem mit der neuen Software, die Apple mit dem iPad2 herausbringt. Da ist zum einen die neue Version 4.3 von iOS. Apple-Software-Chef Scott Forstall erklärt, was das Update an neuen Funktionen mitbringt". Ein Retina-Display würde erst zu einem späteren Zeitpunkt auch für das iPad Sinn machen, etwa dann, wenn Mac-OS X 10.7 Lion derart hohe Bildschirmauflösungen auch für iMac und Macbook unterstützt. Insgesamt bringe Apple zwar keine "Sensationen" das iPad 2 "bewahrt mit seinem neuen Design und dem flotten Prozessor aber seinen hohen 'Must-Have-Faktor'."
Wirklich begeistert und von der Qual der Wahl beinahe überfordert zeigt sich Kremp aber über die Smart Cover: "Viel substantieller wäre aber die Frage, welches Smartcover ich haben möchte. So heißen die neuen Schonüberzüge, mit denn man das iPad2 gegen Beschädigungen schützen kann. Und die sind ein gewaltiger Fortschritt im Vergleich zur bisherigen stabilen und zweckmäßigen, aber nicht sonderlich eleganten iPad-Hülle. Der für Apple wohl größte Vorteil: Sie sind kleiner, leichter und gleichzeitig teurer geworden." Der "Schutzschutz" überzeugt aber nicht wirklich: "Die Innenseiten der Schutzhüllen sind mit Microfaser bespannt, die den Bildschirm von Fingerschmutz reinigen soll. Eine hübsche Idee, beim ersten Test überzeugte das Ergebnis aber nicht." Die Zutaten für einen Topseller hätte das iPad 2 aber jedenfalls.
Presse begeistert, Leser entsetzt
Weniger begeistert zeigten sich Leser der Website in derem Forum: "Ich kann diesen ganzen iSchrott-Wahnsinn nicht mehr lesen! Gibt es keine wichtigeren Nachrichten? Etwa über eine neue Erdbeerjoghurtsorte bei Aldi, oder über Innovationen im Stützmiedersektor? Wie viel Geld zahlt Euch Apple für diese Form der Hofberichterstattung eigentlich?" beschwert sich der User "hypermental" und als "lustvoll angewidert" bezeichnet sich "fintelwudelwix" nach der Berichterstattung über das ipad 2: "Liebes Spon-Team. Ich weiss garnicht was ich sagen soll. Wenn es einen "Aust" oder einen "Steingart" wieder mal bei Euch geben sollte kaufe ich den Spiegel wieder. Ansonsten Käsegeschütz des Merchandising, gehabt euch wohl."
Man kann sich nun vorstellen, dass die beiden Leser erstens noch nie ein iPad in der Hand hielten, geschweige denn das iPad 2, und sich auch Zeile für Zeile durch die Berichte der Boulevardpresse über den Wiener Hofball ackern, um anschließend in bester Werner-Lorant-Manier deren Verfasser mit einem kräftigen "Interessiert mich nicht!" anzuschnauzen.
Das Online-Portal der Süddeutschen Zeitung fällt ein klar positives Urteil über den "zweiten Wurf" und blickt auf das iPad 2 vor allem in Bezug auf das Konkurrenzumfeld: "So erstaunlich es war, dass Apple es geschafft hatte, mit dem doch relativ lange erwarteten iPad die Konkurrenz regelrecht zu düpieren, umso erstaunlicher ist, dass die zweite Version der Konkurrenz schon wieder weit voraus ist, wie Steve Jobs mehrmals und nicht ohne Sarkasmus anmerkte. [...] "Der Vorsprung bezieht sich aber nicht nur auf die Technik. So durchgestylt wie Apple ist keine andere Elektronik-Firma, das geht von den Läden, die sich stets in bester Lage finden, bis hin zur Verpackung der Geräte." Apple sei es gelungen, eine "Geräte-Kategorie zu etablieren, an der sich bereits andere abgemüht haben, vor allem Microsoft. Von dem Software-Konzern kommt bis heute kein überzeugendes Konzept für ein Tablet-PC-Betriebssystem."
Das iPad 2 von der anderen Seite betrachtet
Zum gleichen Fazit kommen auch unsere IDG-Kollegen: "Unterm Strich kann das iPad 2 gelassen der Konkurrenz entgegenblicken. Viele neue Android-Modelle mit Android 3.0 holen endlich auf und werden ihre stolzen Käufer finden. Platzhirsch wird aber das iPad bleiben," schreibt Hans-Christian Dirscherl für die PC-WELT und benennt klar die Zielgruppe: "Wer bereits ein iPad 1 besitzt, der wird kaum einen wichtigen Grund finden, sein Gerät nun gegen ein iPad 2 umzutauschen. Apple-Fans werden dagegen sofort zugreifen, weil Apple mal wieder ein hochmodernes, hervorragend verarbeitetes und gut durchdachtes Gerät ausliefert. Oder man schenkt sein iPad 1 an einen Verwandten und gönnt sich das Nachfolgemodell selbst."
Haare in der Suppe sieht jedoch die Fangemeinde der PC-WELT bei Facebook: "iTunes, die wahrscheinlich wieder mal sehr eingeschränkte Codec-Unterstützung, das Bedienkonzept und die Abgeschlossenheit von iOS, der fehlende SD-Slot, kein USB, HDMI nur per Adapter, das veraltete 4:3-Format, kein GPS in der WLAN-Version usw," antwortet Daniel Gstöhl mit technischen Details aus der Zeit vor der "Post-PC-Ära" auf die Frage, was denn gegen das iPad spräche.
Bild.de schickte seinen Reporter Michael Gronau nach London, der auch das iPad 2 wie alle Kollegen vor Ort anfassen durfte: "Ich hatte das weiße Gerät in der Hand. Es ist wirklich ein ganz neues Gerät. Ein völlig anderes iPad-Gefühl." Richtig viel Fantasie haben die Synonym-Erfinder bei Deutschlands größtem Boulevardblatt aber nicht gehabt: "Zweipad" heißt das neue Modell da kalauernd im Aufmacherbild. Aber immerhin haben die Kollegen wieder etwas, dass sie gutt finden können, die Woche war für Bild.de bisher schwer genug. 1.356 Bild-Leser haben übrigens den Facebook-Knopf "Gefällt mir!" betätigt, der unter dem Artikel angebracht ist. Kommentare sind hier nicht möglich, uns hätte aber wirklich interessiert, was diese Ecke der Gesellschaft über das iPad denkt.
"Auf ewig Doktor der Herzen" titelt Focus Online über das meistdiskutierte politische Thema der vergangenen Wochen. Das wollen wir nicht weiter kommentieren, erwarten aber unter der Überschrift "Der absurd dünne Tablet-Computer" mehr Substanz. Und werden ein wenig enttäuscht, Focus Online hat wenig eigene Meinung und zitiert dafür IT-Größen wie Engadget oder unsere US-Schwester Macworld: "Das Original-iPad sei durch seine Form und sein Gewicht "ein bisschen schwer zu halten gewesen". Das habe sich beim Nachfolger völlig geändert." Spannend dürfte aber sein, wie Focus-Leser mit der Zeit das iPad 2 hinsichtlich Eigenschaften wie Akku-Laufzeit, Bildschirm, Ausstattung oder Verarbeitung bewerten, besonders, solange noch niemand das iPad 2 in den Händen halten konnte.
Das neue iPad 2 in die Hand nehmen
A propos Macworld: Wie auch unsere Kollegen Christian Möller und Panagiotis Kolokythas in London konnte auch Jason Snell, Chefredakteur der Macworld, das iPad 2 in die Hände nehmen - in San Francisco. Neben dem fühlbar geringeren Gewicht zeigte sich Snell auch vom Formfaktor des Gehäuses überrascht: "Wir können nicht sagen, dass das iPad 2 die gleichen Knöpfe wie sein Vorgänger an der Seite hat. Es gibt keinen Rand, sondern nur Vorder- und Rückseite." Die Kameras des iPad 2 können laut des ersten Hands-On unseres Kollegen nicht mit jenen des iPhone 4 konkurrieren, eher seien sie in der Qualität denen des iPodTouch ähnlich. Ein endgültiges Testurteil will die Macworld - ebenso wie wir - aber erst abgeben, wenn das Gerät für längere Zeit als nur ein paar Minuten in einem überfüllten Presse-Briefing-Raum zur Verfügung steht.
Quelle: Macwelt