CIOs stoßen an Grenzen, da sie die Anforderungen der Fachbereiche erfüllen müssen. Sie sollten daher bei der Reduktion der IT-Komplexität neben der IT-Architektur und IT-Organisation die Geschäftsprozesse im Auge behalten und die verschiedenen Geschäftsbereiche frühzeitig in ihre Arbeit einbinden. Ein striktes Anforderungs-Management trägt zudem dazu bei, einmal reduzierte IT-Komplexität dauerhaft gering zu halten.
IT-Komplexität - eine große Herausforderung für CIOs
Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen und hohe Gesetzesauflagen (z.B. SOX) verlangen immer flexiblere IT-Systeme. Um Geschäftsprozesse optimal zu unterstützen, nimmt der Integrationsgrad der IT-Systeme ständig zu. Zudem entstehen durch Akquisitionen weiterer Firmen und Umstrukturierungen IT-Strukturen, die für CIOs kaum noch zu steuern sind (z.B. multiple Stammdatenhaltung oder redundante Anwendungen mit vielen Schnittstellen zur Konsistenzsicherung). Die Folgen:
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Anstieg der gesamten IT-Kosten, vor allem der IT-Betriebskosten;
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Abnehmende IT-Flexibilität; kurzfristige neue IT-Anforderungen der Geschäftsbereiche können nur sehr aufwändig umgesetzt werden;
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Abnehmende IT-Effektivität; die IT unterstützt Geschäftsprozesse nur noch unvollkommen;
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Unzureichende Prozessautomatisierung verursacht letztendlich meist hohe Kosten und Qualitätsprobleme in Geschäftsprozessen.
Diese Schwierigkeiten haben inzwischen viele CIOs erkannt. So zählen laut einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Experton die IT-Entscheider Konsolidierung, Integration, Harmonisierung und Komplexität zu den größten Herauforderungen im Software-Umfeld. Unternehmen reagieren auch bereits mit verschiedenen Maßnahmen. Zum Beispiel soll bei den Asklepios-Kliniken eine SAP-Standardisierung die Komplexität reduzieren helfen. Die Deutsche Post setzt wiederum auf SOA (Service-orientierte Architektur), um ihre IT-Komplexität zu reduzieren.
Lösungsansätze sind häufig technisch motiviert und greifen zu kurz
Häufig erzielen Programme, mit denen die IT-Komplexität reduziert wird, jedoch nicht den geplanten Effekt. Laut dem Unternehmen Standish Group wurden nur 35 Prozent der im Jahr 2006 gestarteten Software-Entwicklungsprojekte erfolgreich abgeschlossen. Erfahrungen von Roland Berger Strategy Consultants zeigen, dass dies besonders für Projekte gilt, die zur Reduktion der IT-Komplexität beitragen sollen. Hierzu Beispiele:
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"Neue IT-Welten" entstehen oft parallel neben bereits bestehenden IT-Systemen, denn Unternehmen schalten ihre bisherigen Systeme nicht ab, da wichtige Funktionen aus dem alten noch nicht ins neue System übernommen werden konnten.
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Investitionen in die Vereinfachung der IT-Strukturen werden hinten angestellt. Stattdessen investieren Firmen in den IT-Ausbau, um neuen Anforderungen der Geschäftsbereiche gerecht zu werden.
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Geplante IT-Neuerungen stoßen häufig auch auf Widerstand der Fachbereiche. Standardisierungen scheitern hier, da verschiedene Nutzer erwarten, dass IT-Systeme ihre Spezialbedürfnisse erfüllen.
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IT-Kosten sinken zwar kurzfristig durch technische Programme zur IT-Komplexitätsreduktion (beispielsweise durch Programme, die die vielfältige Hardware reduzieren), steigen mittelfristig aber wieder deutlich an.
Der Grund: Allein auf Technik reduzierte Projekte können die Komplexität nicht mindern. Auch die verschiedenen Geschäftsbereiche müssen sich an der Umgestaltung und Standardisierung der IT beteiligen und dort unterstützen. Erfolgt dies nur unzureichend durch die Geschäftsbereiche, stoßen CIOs an ihre Grenzen. Damit die Komplexitätsreduktion gelingt, sollten Unternehmen daher gleichermaßen bei IT-Architektur und -Organisation sowie Geschäftsprozessen, ansetzen.
Um eine umfassende IT-Komplexitätsreduktion zu erreichen, sind daher weit mehr als nur technische Fragen zu lösen. Fachbereiche sowie die gesamte IT müssen früh mit einbezogen werden. Erst einheitliche Geschäftsprozesse schaffen die Voraussetzung für eine einheitliche, einfachere IT. Nur mit weniger IT-Systemen ist eine schlankere IT-Organisation zu erreichen, was sich dann auch in niedrigeren Kosten bemerkbar macht.
Basierend auf diesen Ausgangsüberlegungen hat sich bei Projekten daher folgendes dreistufiges Vorgehen bewährt:
Phase 1 - Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse: Im Mittelpunkt der IT-Komplexitätsreduktion sollten die Geschäftsprozesse stehen. Je einheitlicher die Betriebsabläufe, desto ähnlichere IT-Systeme können genutzt werden. Zum Beispiel ermöglicht erst eine Bündelung von Warengruppen durch die Fachbereiche Einkauf und Produktion die Vereinheitlichung mehrerer IT-Warensysteme. Die besten technischen Systeme können Unternehmen dadurch ermitteln, indem sie vergleichbare Prozesse in verschiedenen Geschäftsbereichen analysieren oder sie mit Hilfe externer Benchmarks definieren. IT-Standards werden dann für jeden Geschäftsprozess festgelegt und Geschäftsbereichs-übergreifend eingesetzt.
Phase 2 - Vereinheitlichung und Konsolidierung der IT-Architektur: Auf Basis klarer Geschäftsprozesse wird die IT-Architektur als Domänenmodell oder IT-Bebauungsplan entwickelt, und die Anwendungen (Applikationen) werden vereinheitlicht. Danach wird die Infrastruktur unterhalb der Applikationen standardisiert. Darüber hinaus sollten redundante Daten mehrerer Applikationen konsolidiert werden. Letzteres wird oft ausgelassen oder viel zu spät angegangen.
Phase 3 - Konsolidierung der IT-Organisation und Einrichtung notwendiger IT-Prozesse: Um Kosten zu sparen ist es notwendig, die IT-Struktur im Unternehmen zu überarbeiten. Dazu sollten Ressourcen gebündelt und gemeinsam genutzt werden.
Beispielsweise können landesspezifische SAP-Systeme - soweit regulatorische Randbedingungen dies zulassen - standardisiert werden. Ein vereinheitlichtes SAP wird dann mit jeweils eigenem Mandanten und geringem Customizing von mehreren Geschäftseinheiten länderübergreifend genutzt. Sind Geschäftsprozesse und Anwendungen vereinheitlicht, können Firmen dann Know-how zentralisieren und den SAP-Service beziehungsweise die Entwicklung in einer eigenen SAP-Betriebseinheit (SAP Factory) zusammenfassen und straffen.
Darüber hinaus ist ein striktes Anforderungs-Management als Teil der IT-Support-Organisation grundlegend, um die IT-Komplexität deutlich zu reduzieren. Alle Anforderungen der Fachbereiche an die IT-Entwicklung werden dann über ein einheitliches Eingangstor eingebracht und hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die IT-Komplexität schon in frühen Phasen bewertet. Nur durch eine zentrale Steuerung kann künftig IT-Komplexität kontrolliert und beherrscht werden. Nur so können Firmen auch dauerhaft durch IT-Komplexitätsreduktion Einsparungen erzielen.
Kurz: Die Reduktion von IT-Komplexität ist kein einmaliges Projekt. Nur als andauernder Prozess kann künftiger Komplexität vorgebeugt werden und lassen sich IT-Ausgaben niedrig halten. Dies ist die Aufgabe moderner CIOs in Zusammenarbeit mit der Fachseite.
Daniel Milleg ist Senior Projektmanager und Jochen Gary Consultant im Kompetenzzentrum InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.