Die hartnäckig hohe Inflation scheint die Reiselaune der Menschen in Deutschland derzeit nicht zu trüben - im Gegenteil. Die Nachfrage zieht deutlich an vor der Internationalen Tourismus-Börse ITB (7. bis 9. März). "Reisebüros und Reiseveranstalter sind mit Volldampf in dieses Jahr gestartet", sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig. Das Niveau der Zeit vor der Corona-Krise ist nach seiner Einschätzung in Sichtweite. Auch bei Hoteliers, Gastronomen und Co. in Deutschland wächst die Hoffnung.
Im Januar buchten die Menschen in Deutschland nach Daten des Analysehauses TDA Veranstalterreisen für mehr als drei Milliarden Euro in Reisebüros oder online auf den klassischen Reiseportalen. Der Buchungsumsatz übertraf das Vorkrisenniveau von Januar 2019 um zwölf Prozent. Der Trend habe auch in den ersten beiden Februarwochen angehalten, berichtet TDA. Alle Buchungsmonate des laufenden Tourismusjahres zusammengerechnet lag die Sommersaison Ende Januar 16 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Zum selben Zeitpunkt des Vorjahres wurde noch ein Rückstand von 48 Prozent verzeichnet. Die aktuelle Wintersaison hat das Vorkrisenniveau bereits zu 91 Prozent erreicht.
Veranstalter und Reisebüros optimistisch
"Wir sehen das große Bedürfnis nach Urlaub insbesondere für den Sommer - die Frühbucher sind zurück", sagt Fiebig. Das stimme Veranstalter und Reisebüros optimistisch. "Unser Ziel: Mindestens auf dem Niveau von 2019 - also Vor-Corona - abschließen. Das haben wir in der vergangenen Sommersaison schon fast geschafft."
Trotz wirtschaftlicher Sorgen sind die Menschen in Deutschland nach Daten der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) in Reiselaune. Zwar hat sich die Beurteilung der persönlichen wirtschaftlichen Lage im Vergleich zum Vorjahr eingetrübt - 29 Prozent der Befragten befürchten eine Verschlechterung. Im Januar 2022 waren es nur 18 Prozent. Dennoch planten im Januar des laufenden Jahres 69 Prozent (Vorjahr: 61 Prozent) der mehr als 7000 Befragten in diesem Jahr sicher zu verreisen.
Nachholeffekte aus den Corona-Jahren
"Die tatsächlichen Urlaubspläne sind sehr gut angesichts der eingetrübten ökonomischen Einschätzungen", sagte Projektleiter Ulf Sonntag. "Es ist angesichts der Daten durchaus möglich, dass das Niveau vor der Corona-Krise bei der Zahl der Urlaubsreisen überschritten werden könnte. Dabei dürften auch Nachholeffekte aus den Corona-Jahren eine Rolle spielen."
Statt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ganz auf einen Urlaub zu verzichten, setzen Sonnenhungrige nach einer Umfrage der BAT Stiftung für Zukunftsfragen eher auf abgespeckte Ferien. Sie wollen sich zum Beispiel beim Shopping einschränken, manche planen Reisen in der Neben- statt in der Hauptsaison oder wählen ein möglichst preiswertes Ziel.
Davon könnte nach Einschätzung des Deutschen Tourismusverbandes auch das Reiseland Deutschland profitieren. "Manche Bundesbürger verzichten möglicherweise auch wegen der hohen Inflation oder aus Klimaschutzgründen auf Fernreisen und machen stattdessen Urlaub in Deutschland", sagt der Präsident des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), Reinhard Meyer. Zudem ziehe die Nachfrage von Gästen aus dem Ausland wieder an, davon profitiere insbesondere der Städtetourismus.
"Es ist durchaus möglich, dass wir die Übernachtungszahlen von 2019 erreichen", zeigt sich Meyer zuversichtlich. Eine genaue Prognose sei wegen des kurzfristigen Buchungsverhaltens der Menschen aber schwierig.
Fachkräftemangel schlägt zu
Sorgen bereitet der Branche der Fachkräftemangel. "Ohne Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland wird das Angebotsniveau im Tourismus nicht aufrecht zu erhalten sein", mahnt Meyer.
Den Personalmangel im Luftverkehr bekamen Urlauber bereits im vergangenen Jahr teilweise mit Verspätungen, Flugausfällen sowie langen Wartezeiten deutlich zu spüren. Eine durchgreifende Entspannung scheint nicht in Sicht. Die Lufthansa jedenfalls hat ihren Sommerflugplan schon gestutzt. "Aktuell sind in der Branche die Personalengpässe europaweit noch nicht vollständig überwunden", erläuterte ein Sprecher der Konzern-Kernmarke unlängst. Man habe daher lieber jetzt Flüge aus dem Programm genommen, als diese wie im vergangenen Jahr kurzfristig absagen zu müssen. Die Fluggäste könnten so besser planen.
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie trifft sich die Tourismusbranche in diesem Jahr auf der ITB wieder vor Ort in Berlin. Im Gegensatz zu den Vor-Corona-Jahren steht die Messe nun nur noch Fachbesuchern offen. (dpa/rs)