Zu den Hypes des Jahres 2004 zählt zweifellos das Thema Desktop-Suche. Aufgescheucht von einer Ankündigung des Suchmaschinen-Marktführers Google beeilten sich namhafte Firmen wie Microsoft und Yahoo, ebenfalls Tools für die Recherche am eigenen Arbeitsplatz in Aussicht zu stellen. Dabei ist das Problem nicht neu: Je mehr Daten in digitaler Form erfasst und am PC oder im Netz gespeichert werden, desto schwieriger ist es, diese später wieder zu finden. Doch es mangelte bisher an überzeugenden Lösungen, wie auch Charlene Li , Analystin bei Forrester, unterstreicht: "Eine Ironie, dass Suchen im Web einfacher ist, als Dateien auf dem Desktop zu finden."
Das Thema wurde in den vergangenen Jahren wohl nicht zuletzt deshalb unterbewertet, weil zentralistische, serverbasierende Konzepte wie Content-Management-Systeme und Business Intelligence die IT-Agenden beherrschten.
Windows keine Hilfe
An der Realität auf den Desktops änderten diese Systeme allerdings kaum was. Hier kommen unterschiedliche lokale Anwendungen zum Einsatz, die sich nicht oder nur mit großem Aufwand in eine zentrale Datenbankarchitektur integrieren lassen. Als Konsequenz daraus lagern heute wichtige E-Mails inklusive angehängter Dateien im Posteingang von Outlook. Andere massenhaft verwendete Datenformen wie PDF-Dokumente oder Office-Dateien aus Word, Excel oder Powerpoint werden oft unsystematisch in Ordern abgelegt. Für die spätere Suche nach Stichwörtern oder Textpassagen bietet Windows nur unzulängliche Hilfsmittel.
Doch nicht nur die Dokumentensuche war bisher mühsam: Das nachträgliche Durchforsten und Archivieren von besuchten Internetseiten ist ohne spezielle Software nur schwer zu bewältigen.
Das seit Oktober als kostenlose Betatest-Version angebotene Google Desktop füllt diese Lücken. Es ermöglicht die Recherche sowohl in Office-Dateien und Outlook-Mails als auch im Browser-Cache des Internet Explorer, nur PDF-Unterstützung fehlt. Die Strategie des Herstellers ist, über kurz oder lang die Grenze zwischen der lokalen und der Websuche zu verwischen. Dahinter vermutet Meta-Group-Analyst Timothy Hickernell ein neues Geschäftsmodell: "Die Aktivitäten der letzten Monate deuten darauf hin, dass lokale PCAnwendungen Internet-Traffic beim Anbieter erzeugen sollen. Die Google-Suche dürfte deshalb nur der Auftakt für einen künftigen Desktop-Client mit Google-Branding sein - inklusive Browser, E-Mail, PIM (Personal Information Management) und Suche.
Google Desktop ist - im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern - sehr minimalistisch ausgestattet. Der Fokus auf das Wesentliche erübrigt zudem umfangreiches Einarbeiten und Lernen. Neben der schnellen und zuverlässigen Dokumentensuche überzeugt auch die Archivierung besuchter Websites - alles, was einmal im Browser angezeigt wurde, kann hinterher über die Suche wieder gefunden werden. Das altbekannte Problem, dass man interessante Webseiten vom Vortag nicht mehr wiederfindet, ist damit passé. Weil Google Desktop einen Zwischenspeicher für indexierte Daten anlegt, lassen sich sogar Inhalte aufspüren, die eigentlich im Original bereits gelöscht wurden - beispielsweise getilgte Outlook-Mails. Aus Sicht des Datenschutzes werfen solche Funktionen allerdings einige kritische Fragen auf (siehe Kasten).
Konkurrenten ziehen nach
Dass Microsoft die jüngsten Schachzüge des Suchmaschinen-Marktführers kontern wird, steht bereits fest. Analog zur gerade im Aufbau befindlichen Websuchmaschine MSN Search wird das Konkurrenzprodukt "MSN Desktop Search" heißen. Der Erscheinungstermin ist noch unklar - das auf Ende 2004 gesetzte Datum verschob Microsoft ohne Terminangabe.
Das Know-how dafür hatten sich die Redmonder im Sommer 2004 mit der Übernahme des Unternehmens Lookoutsoft gekauft. Bekannt geworden war diese Firma durch ihr hervorragendes, kostenloses Such-Tool "Lookout" für Outlook. Diese Erweiterung integriert sich als dezente Suchleiste in den Mail- und PIM-Client und kann darüber hinaus für umfassende Desktop-Suchfunktionen eingesetzt werden. Dabei durchforstet das Werkzeug neben allen Elementen der Outlook-Datenbank auch PDF-Dateien. Es ist ähnlich dezent und schnell wie Google Desktop und bietet eine bessere Bedienoberfläche, hält jedoch bei der Web-Cache-Recherche nicht mit.
Alternative Suchwerkzeuge wie Copernic, Blinkx oder X1 legen den Fokus klar auf die umfassende Dateisuche. Letzteres ist nur in Englisch erhältlich und kostet immerhin 75 Dollar. Allerdings fällt es durch eine sehr umfangreiche Darstellung der Suchergebnisse inklusive Dateivorschau in Echtzeit auf. Das kostenlose Copernic besticht durch dezente Eingliederung in die gewohnte Windows-Explorer-Umgebung und dürfte damit vor allem Einsteigern die Arbeit erleichtern.
Komplette Websites archivieren
Wer bei der Arbeit oder beim Surfen lieber gezielt sammelt und Textpassagen, Dateien und ganze Websites archivieren möchte, sollte sich Onfolio ansehen. Diese Software erweitert den Internet Explorer um zwei Schaltknöpfe: Einer dient dazu, die gerade geöffnete Webseite oder markierte Abschnitte in die Ablage zu legen, der andere blendet die Onfolio-Leiste mit Funktions- und Archivübersicht am Rand des Browsers ein. Onfolio bietet noch weitere praktische Funktionen, hat aber den Nachteil, dass ein Webnutzer ständig aktiv die ihm wichtig erscheinenden Informationen einsammeln muss. Google ist im Vergleich dazu zwar spartanisch ausgestattet, dafür kann der Anwender sich darauf verlassen, dass alles, was angesurft wird, auch im Suchindex landet.
Wer ausschließlich am Archivieren und Durchforsten besuchter Webseiten interessiert ist, für den bieten nun auch myYahoo und Amazons neue Suchmaschine A9 entsprechende Funktionen an. Vor allem A9 unterstützt mit einer im Internet Explorer integrierten Toolbar etliche interessante Funktionen rund um Websuche und History, erfordert dazu aber ein Benutzerkonto bei Amazon.com. Beide Dienste hinterlegen jedoch im Gegensatz zu Google Desktop alle Informationen im Web, was aus Datenschutzgründen problematisch sein kann.
Tools spähen Anwender aus
Firmen sollten solche Werkzeuge allein aus Sicherheitsgründen im Auge behalten, empfiehlt Metagroup-Mann Hickernell: "Bis 2006 werden Internetanbieter verstärkt Tools anbieten, die zum Teil auch das Benutzerverhalten ausspähen. Zwar sind Endverbraucher die eigentliche Zielgruppe, aber wegen des potenziellen Sicherheitsrisikos sollten IT-Organisationen Richtlinien für die Benutzer erarbeiten.
In Bezug auf die Funktionalität stellen die Werkzeuge noch keine Alternative zu strategischen Lösungen wie Content Management oder Business Intelligence dar, sagt Forrester-Analystin Li. Allerdings geht sie davon aus, dass Google künftig einige Such- und Analysenanbieter aus dem Markt verdrängt. "Wenn sich Anwender erst mal an Google Desktop gewöhnen, dürfte bei IT-Managern der Drang zur Einführung firmenweiter Suchlösungen schwinden. Das öffnet preisgünstigen Alternativen wie der Google Search Appliance die Tür. Anbietern wie Autonomy und Verity bliebe dann nur mehr das Segment der sicheren Unternehmensnetze."