Wo liegen die Vorteile eines subkutanen RFID-Chips? Hier wäre zunächst der medizinische Bereich zu nennen. Besonders in der Altenpflege bei dementen Personen wäre ein entsprechendes Implantat nützlich - denn die Patienten könnten ihre "Kennung" im Gegensatz zu Ausweisen oder Chipkarten nicht mehr verlieren. Ein weiteres Argument für einen einpflanzbaren RFID-Chip ist die Steigerung des Komforts bei Zahlungen oder Identitätskontrollen. So benötigt der Träger keine Geldbörse mit Ausweispapieren wie einem Personalausweis mehr - der Chip könnte als Legitimation herangezogen werden. Diese Idee hat auch eine Zeit lang eine Diskothek in Barcelona umgesetzt: Stammkunden konnten sich eine elektronische VIP-Karte von medizinisch geschultem Personal einsetzen lassen.
Ein Mikrochip, den man immer parat hat, hat einen wesentlichen Vorteil: Es ist relativ schwierig, ihn zu stehlen. Besonders in Ländern mit hoher Kriminalitätsrate ist das ein gewichtiges Argument. Kreditkarten, Geld und Papiere können bei einem Straßenüberfall oder Wohnungs- oder Hauseinbruch leicht entwendet werden. Setzt man bei Bezahlvorgängen oder Zutrittskontrollen auf Biometrie, lassen sich einige Systeme durch von benutzten Trinkgläsern abgenommene Fingerabdrücke überlisten. Hartgesottene Kriminelle haben in einigen Fällen schon komplette Finger abgetrennt, um an Geld oder durch verschlossene Türen zu kommen. Einen Mikrochip aus dem Körper zu schneiden ist schon komplexer. Durch seine geringen Ausmaße - er ist in etwa so groß wie ein Reiskorn - müsste man ihn erst einmal finden. Daher könnte ein Implantat zunächst in Städten mit hoher Kriminalitätsrate reüssieren.
Anwendungen weisen den Weg
Um die Prognose, dass 20 Prozent der Menschen in Europa einen subkutanen RFID-Chip tragen werden, richtig zu beurteilen, muss man einen Blick auf die typischen Anwendungsgebiete werfen. Im übertragenen Sinne könnte diese Prognose schneller Wirklichkeit werden, als es anfangs den Anschein hat. Einen mobilen "Identitäts-Chip" führen faktisch viele mit sich - in Form eines Smartphones. Die Komponenten für die Nutzung der Near Field Communication (NFC) sind bereits in den führenden Smartphone-Modellen integriert.
Letztendlich erfüllen sie einen ähnlichen Zweck wie ein Implantat. Wie weit NFC bereits in den Angebotspaletten der Telekommunikationsanbieter vorhanden ist, zeigt ein Blick auf die Website von T-Mobile. Von insgesamt 114 bestellbaren Smartphones verfügten im Mai 2014 bereits 45 über die drahtlose Übermittlungstechnik.
Auch belegen Zahlen des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK diese Entwicklung. Waren im Zeitraum Januar bis März 2012 nur 4,4 Prozent der verkauften Smartphones mit NFC ausgestattet, steigerte sich dieser Anteil für denselben Zeitraum des darauffolgenden Jahres auf 44,5 Prozent. Im ersten Quartal 2014 verfügte knapp die Hälfte (49,1 Prozent) über die RFID-Funktechnologie.
NFC als Vorreiter
Hauptzweck von NFC soll die bequemere Abwicklung von finanziellen Transaktionen im Handel sein. Speziell ausgerüstete Registrierkassensysteme tauschen beim Bezahlvorgang Daten über NFC mit dem Smartphone des Käufers aus. Da Smartphones von den meisten ohnehin ständig mitgeführt werden, kann man im übertragenen Sinne von einem "Implantat" sprechen. Denn die Funktion ähnelt in diesem Fall einer angestrebten Eigenschaft des subkutanen RFID-Chips.
Nimmt man allein die Bezahlfunktion, würde eine entsprechend ausgerüstete EC-Karte ebenso gute Dienste leisten. NFCs in Smartphones bieten den Vorteil, dass diverse Funktionen bündelbar sind. So hat der Hannoveraner Automobilzulieferer Continental zusammen mit dem niederländischen Chip-Hersteller NXP auf dem Mobile World Congress 2011 in Barcelona eine Lösung zur Entsperrung von Kraftfahrzeugen vorgestellt - auch dies ein Einsatzgebiet für einen subkutanen Chip.
Der Telekommunikationsanbieter Vodafone bietet mit seinem Wallet eine Bezahlfunktion bereits an. Hier kann man in ausgesuchten Geschäften Kleinbeträge mit seinem Smartphone an einem Terminal bezahlen. Bei Beträgen über 25 Euro ist aus Sicherheitsgründen die Eingabe einer Geheimnummer notwendig.
RFID im Reisepass
Eine fast vollständige Abdeckung hat RFID beim Identitätsnachweis. Die neueren maschinenlesbaren Reisepässe sind mit RFID-Chips ausgestattet. Hier verlangen einige Grenzbehörden, wie die der Vereinigten Staaten, zwingend einen solchen Reisepass - andernfalls wird der Grenzübertritt wesentlich erschwert beziehungsweise unmöglich.
Wie Dagmar Wörner in ihrer Wette geschrieben hat, könnten sich Implantate zunächst in der Medizin durchsetzen. Hier beschrieb sie eine Anwendung im Gesundheitssektor am Beispiel des Feldversuchs mit VeriChip, den die in Florida ansässige Alzheimer Community Care finanziert hat. Tatsächlich wird die Anwendung implantierter RFID-Chips auch in Europa diskutiert.
RFID in Brust-Implantaten
Anlass dazu war der Skandal um mangelhafte Brustimplantate. Damals bescheinigte der TÜV Rheinland in einem Zertifizierungsverfahren die Unbedenklichkeit der Implantate des Herstellers PIP. Der Hersteller hat allerdings für seine Produkte nicht das dafür notwendige Spezialsilikon, sondern das billigere Industriesilikon verwendet. Die Silikonkissen reißen schneller und können innere Entzündungen hervorrufen. Hiervon waren allein in Deutschland über 5000 Frauen betroffen. Hunderttausende dieser fehlerhaften Prothesen hat PIP in Umlauf gebracht. Manchmal lässt sich leider nur durch einen chirurgischen Eingriff feststellen, ob eine Patientin davon betroffen ist.
Presseberichten zufolge überlegt die EU-Kommission eine Einführung der Kennzeichnung von Implantaten mittels eines Chips. Diese hätte den Vorteil, dass über ein datenbankgestütztes Registriernummernsystem Informationen über im Körper befindliche Fremdstoffe ohne Weiteres mit einem Lesegerät feststellbar sind - selbst dann, wenn, wie im Falle einer Unfallbehandlung, die Patientendaten nicht zur Verfügung stehen. Hier ist die ebenfalls in Florida ansässige Firma VeriTeQ involviert, die die entsprechende Technologie anbietet.
Passive Chips bei Haustieren
Mittlerweile gehört das Implantieren von subkutanen Chips bei Haustieren zum Alltag. Die reiskorngroßen Chips sind gut verträglich und wandern in aller Regel nicht durch den Körper, sodass hier auch keine Gefahr für die Gesundheit des Vierbeiners besteht. Die Prozessoren werden bereits seit einigen Jahren in Tiere eingepflanzt und dienen hauptsächlich der Identifikation des Trägers. Hier arbeitet man mit gewebeverträglichen Glas- oder Plastikhüllen, die einen passiven RFID-Chip und eine Antennenspule enthalten. Diese geben ihre Informationen im Induktionsfeld eines Lesegerätes preis.
Es gibt je nach Tierart unterschiedliche Größen. Von den gängigen Abmessungen beispielsweise für Hunde und Katzen mit einer Länge von 11,1 bis 13,9 Millimetern bei einem Durchmesser von 2,05 bis 2,2 Millimetern gibt es für kleinere Tiere wie die teuren Kois auch kleinere Chips mit einer Abmessung von 8,5 mal 1,35 Millimetern. Sie enthalten typischerweise eine fest eingespeicherte Kennnummer. Diese 15-stellige Nummer ist einmalig und ermöglicht eine weltweit einzigartige Identifikation des ihn tragendes Tieres.
Für die leichtere Identifizierung entlaufener Tiere bietet Tasso eine Haustierdatenbank an. Der eingetragene Verein kann anhand einer Seriennummer die vermissten Tiere schnell ihren Besitzern zurückgeben. Ist der Vierbeiner einmal entlaufen, kann sein implantierter Chip mittels eines kontaktlosen Lesegerätes ausgewertet werden. Die Seriennummer wird an einen Dienst wie Tasso übermittelt. Wenn der Halter sein Tier dort angemeldet hat, bekommt der Finder Adresse und Namen des Besitzers. Für den Datenschutz ist also gesorgt, denn der subkutane Chip selbst enthält keine weiteren Daten außer der 15-stelligen Nummer nach ISO-Standard.
Tasso bietet seinen Dienst bereits seit 32 Jahren an und hat derzeit 7,1 Millionen Haustiere in seinem Register. Anfangs wurden die Nummern noch tätowiert - die Chips sind aber immer mehr im Kommen. Ein Argument für die technische Plattform ist, dass das fachkundige Injizieren des Transponders beim Tierarzt mit einer Impfung vergleichbar ist, so dem Tier keine unnötigen Schmerzen zufügt und damit schnell durchführbar ist.
Neben der Identifikation können subkutane Chips bei Tieren auch zur Zutrittskontrolle genutzt werden. So sind Katzenklappen, kleine "Türen" für den Stubentiger, mit einem integrierten RFID-Lesegerät im Zoohandel verfügbar. Diese lassen nur die eigene Katze ins Haus und verhindern unliebsamen Besuch fremder Kleintiere. Bei mehreren Katzen im Haushalt kann die Klappe den Zugang nur für die dafür autorisierte Katze freigeben - damit bleiben die reinen Hauskatzen im Haus. Beispiele für Katzen- oder auch Hundeklappen sind die Erzeugnisse der Hersteller SureFlap, Petsafe oder PetPorte.
Krebsgefahr, Datenverlust und Identitätsdiebstahl
Trotz der Datenschutzdiskussion der vergangenen Jahre geht gerade die jüngere Generation recht freigiebig mit ihren personenbezogenen Informationen um. Nach einer von der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen beauftragten Studie geben Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von zwölf bis 24 Jahren in weit über der Hälfte der Fälle ungefragt Informationen über Geburtsdatum, Hobbys oder Wohnort preis.
Insgesamt betrachtet sind sowohl subkutane Chips (bei Haustieren) als auch ihre Funktion mittels NFC oder verwandter Technologien auf dem Vormarsch. Inwieweit sich beide Bereiche auch beim Menschen vereinen lassen, wird man bereits in den nächsten Jahren sehen können - zumal auch einige Argumente dagegen sprechen. So ist immer noch nicht abschließend geklärt, ob die reiskorngroßen Transponder gesundheitliche Risiken beim Menschen bergen. Außerdem hat der Hersteller des VeriChip seine Entwicklung eingestellt. Der Chip war leicht zu klonen und barg das Risiko des Identitätsdiebstahls. Es bleibt abzuwarten, ob es hier eine Nachfolgetechnologie gibt, auf die sich sowohl die Kreditwirtschaft (Bezahlfunktion) als auch die staatlichen Behörden (Identitätsnachweis) einigen können.
Zu guter Letzt müssen auch datenschutzrechtliche und Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. Beispielsweise wären Staatsangehörige bestimmter Staaten wie der USA oder Israel im Getümmel eines Marktes in einer arabischen Stadt mit einem Lesegerät leicht auszumachen - so wüssten Angreifer immer genau, wen sie in ihren Fokus nehmen müssten.
CIO-Jahrbuch 2014 - Alle Zukunftswetten in einem Buch
Alle Absolventen des CIO Leadership Excellence Program haben im CIO-Jahrbuch einen Ausblick gewagt, wie die Welt im Jahr 2024 aussieht. Das ist Teil ihres Ausbildungspakets, siehe www.leadership-excellence-program.de. Dagmar Wörner (Foto oben) von Integrated Business Solutions bei Henkel hat dabei eine Prognose geliefert, die symptomatisch für das gesamte Jahrbuch ist: Die Autoren sind
mutiger geworden, und sie reduzieren sich immer weniger auf Aussagen, die nur ihre IT-Abteilungen betreffen. Quantifizierungen wie "20 Prozent der Europäer tragen 2014 einen implantierten Chip" zeigen, welche großen gesellschaftlichen Veränderungen noch auf uns zukommen können. |