Die Wirtschaftsingenieure aus Dortmund stellen der RFID-Technologie für die kommenden Jahre ein starkes Wachstum in Aussicht. An immer mehr Produkten würden die Chips angebracht - und letztlich auch mit ihnen entsorgt. Ein Grund für diesen Boom liegt im stetig sinkenden Preis für das einzelne Einweg-Tag. Sollten in Deutschland einmal alle Verkaufsverpackungen, die über das Duale System entsorgt werden, mit RFID-Chips bestückt sein, würden auf diesem Wege Jahr für Jahr 200 Milliarden Tags in Umlauf kommen. Als Zugpferde für den verstärkten RFID-Einsatz sehen die Wissenschaftler neben dem Handel die Automobil-Branche und das Ticketing.
Für alle drei Branchen wurden für die Studie jeweils ein konservatives und ein Hightech-Szenario erstellt, das die Situation im Jahr 2011 abbilden soll. Für das Hightech-Szenario im Handel erwarten die Autoren, dass bis 2011 jede zehnte Verpackung mit einem RFID-Tag versehen ist. Insgesamt sei mit 15 Milliarden Transpondern unterschiedlicher Bauweise zu rechnen. 1.900 Tonnen Kupfer, 570 Tonnen Aluminium und 2.200 Tonnen Silberleitpaste gelangten mit den Verpackungen in den Müll. Sollte das konservative Szenario eintreten, würden sich diese Zahlen auf ein Drittel verringern.
Für die Automobil-Branche ist im Falle des Hightech-Szenarios mit bis zu 500 RFID-Chips pro Fahrzeug zu rechnen. RFID-Chips werden hier vermehrt zum Einsatz kommen, um zum Beispiel Originalteile von Fälschungen zu unterscheiden. Fälschungen zu vermeiden ist auch ein Motiv für die Verwendung von RFID-Tags in Eintritts- oder Fahrkarten. Im Hightech-Szenario der Studie wird mit 16 Milliarden Transpondern für das Jahr 2011 gerechnet. Die in den Chips verwendete Silbermenge beträgt 28 Tonnen. Sammel- und Aufbereitungsprozesse sind hier nach Ansicht der Autoren unabdingbar. Denn bei einem Wegwerfsystem würde der Silberbedarf derart ansteigen, dass die Rohstoffpreise in Höhen kletterten, die den Einsatz der Chips auf lange Sicht unwirtschaftlich machen.
Für ihre Studie haben die Autoren auch die Müllentsorgung untersucht. Es zeigte sich eindeutig, dass die Entwicklung beim Einsatz von RFID-Tags die Entsorgung und Wiederverwertung von Abfällen stark beeinträchtigen wird, sollten nicht Vorkehrungen getroffen werden. In Gesprächen mit Branchen-Vertretern habe sich indes gezeigt, dass diese Problematik den meisten noch gar nicht bewusst sei, betonen die Wissenschaftler. Heute gibt es allerdings noch kaum schwerwiegende Auswirkungen auf die Müllentsorgung, weil bisher vor allem Mehrweg-Transponder eingesetzt werden.
Würden künftig vermehrt RFID-Tags im Ticketing eingesetzt, so besteht vor allem die Gefahr, dass Kunststoff- und Papierabfälle verunreinigt werden. Über den Handel können die Chips in alle Entsorgungskanäle gelangen. Vor allem beim Recycling von Glas und Aluminium könnte die Verunreinigung durch die Transponder so groß werden, dass die Endprodukte überhaupt nicht mehr verwendbar sind. Gelangen Transponder in die Restmüllverwertung, könnten die Grenzwerte für Kupfer, Silber und Chloride überschritten werden.
Antennen aus Aluminium statt aus Kupfer
Um die Umwelt zu schützen, sollten die winzigen Antennen in den RFID-Chips künftig aus Aluminium statt aus Kupfer hergestellt werden. Kupferbeimengungen verminderten die Qualität von Wertstoffen, außerdem seien hier strengere Grenzwerte zu beachten. Die Studienautoren schlagen zudem vor, zu erwägen, ob die Transponder getrennt gesammelt werden können - ähnlich wie es an den Kassen heute schon mit den Chips in der Textilbranche geschieht. Die Tags von Konzert-Tickets oder Busfahrkarten könnten bei der Entwertung gesammelt werden. Im öffentlichen Nahverkehr könne dies etwa an den Entwertungsautomaten geschehen.
Für die Automobilbranche wird die Erfassung der Transponder im Materialdatensystem gefordert, so dass die Chips bei der Verwertung eines Fahrzeugs wieder aussortiert werden können. Für die Verpackungen des Handels müssen demnach neue Recycling-Anlangen entwickelt werden, die die Chips von den anderen Stoffen abtrennen können.
RFID-Tags sollen mehrfach verwendet werden
Grundsätzlich plädieren die Autoren dafür, dass RFID-Tags möglichst mehrfach eingesetzt werden. Dies sei auf lange Sicht ökologisch und auch wirtschaftlich sinnvoll. RFID-Chips bestehen aus wertvollen Rohstoffen, die zudem bei der Entsorgung die Wiederverwendung anderer Rohstoffe beeinträchtigen können. Die getrennte Entsorgung der Chips muss nach Ansicht der Wissenschaftler dringend weiter erforscht werden.
Durchgeführt hat die Studie "Auswirkung eines RFID-Masseneinsatzes auf Entsorgungs- und Recyclingsysteme" das Fachgebiet Logistik an der Universität Dortmund. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Untersuchung innerhalb des Rahmenprogramms Mikrosysteme "2004 - 2009" gefördert. In die Analyse sind die Ergebnisse mehrerer Studien eingeflossen, außerdem Gespräche mit Branchen-Experten. Anhand dieser Daten wurden beispielhaft Fallstudien für die Automobil-Branche, den Handel und den Ticket-Verkauf erstellt.