Der Lebensmittel-Konzern Kraft klebt RFID-Chips auf die Verpackung seines Streichkäses der Marke Philadelphia. In Kleidungsstücken des Mode-Labels Gerry Weber finden sich ebenso Transponder wie in den Verpackungen von Gillette-Rasierern. Wenn die Fußball-WM im Jahre 2006 in Deutschland angepfiffen wird, übermitteln die Eintrittskarten zu den Stadien ihre Seriennummern über die reiskorngroßen Funk-Chips. Nicht zu vergessen die (funktionierende) LKW-Maut in Österreich: Hier melden RFID-Chips in fünf Euro teuren Kästen ihre Kennung, sobald der Lastwagen unter einer Mautbrücke durchfährt. Schließlich noch Spanien: Hier haben Clubs in Barcelona begonnen, ihrer Clientel RFID-Chips der Firma Verichip unter die Haut zu spritzen, die dann die Getränkeabrechnung übernehmen.
Als CIO im Oktober 2001 das erste Mal über die Transponder-Technik berichtete, wurden auf diese Weise nur norwegische Lachse markiert oder Hunde gekennzeichnet, die auf die Britischen Inseln einreisen sollten. Mittlerweile verbreitet sich RFID so rasant, dass Datenschützern schwindlig wird. Als Anfang vergangenen Monats eine Fachtagung des Handelsblatts zum Thema stattfand, riefen der Chaos Computer Club (CCC) und die Bürgerrechtler des Vereins FoeBuD zu einer Kundgebung gegen den unkontrollierten RFID-Einsatz auf. Zeitgleich zur Demo wollten die Teilnehmer der Tagung zum "Future Store" der Warenhauskette Metro in Rheinberg aufbrechen. Dort wird die RFID-Technik seit etwa einem Jahr getestet. Der CCC fordert, die Tests vorerst einzustellen.
Neben der Metro hat auf der Tagung auch Volkswagen Erfahrungen zum Thema Transponder beigetragen. Allein für den Golf A5 sind 10000 Mehrwegbehälter im Einsatz, die zwischen drei verschiedenen Werken und den Zulieferern zirkulieren und mittels RFID-Technik gesteuert werden. Auf den Gabelstaplern installierte Lesegeräte melden fortlaufend, welcher Behälter in die Produktion oder auf den Leergutsammelplatz gefahren wird. Neben den passiven Transpondern an den Paletten sind bei VW über 14000 aktive Transponder im Einsatz, die in die fertigen Fahrzeuge gehängt werden. Kommt ein Wagen zur Auslieferung, so erhält ein Suchtaxi die Chip-Seriennummer und fährt durch die Stellplatzreihen, bis der Wagen gefunden ist.
Bücher entleihen in Sekundenschnelle
Effektives Stellplatzmanagement steht auch bei der Hauptbücherei Wien im Vordergrund, wo sämtliche Entleihmedien (Bücher, Videos, DVDs) mit Transpondern ausgestattet wurden. Neben der schnellen Verbuchung beim Entleihen und bei der Rückgabe (48 Sekunden gegenüber 1 Minute 58 Sekunden) erfolgt die Vorsortierung nach der Rückgabe automatisch, können vom Besucher im Freihandbestand falsch zurückgestellte Bücher schnell geortet werden. Was in diesem Szenario fehlt, ist eine Kopplung der Besucherausweise mit ihren Transpondern an Lesegeräte, die die Besucherströme verfolgen und melden, wer Bücher wo falsch zurückstellt.
Genau diese Komponente ist es, die bei den Testläufen des Metro-Konzerns für Proteste gesorgt hat. Neben der Auszeichnung einzelner Waren mit den teuren Chips enthält auch die Kundenkarte des Future-Stores eine RFID-Kennung, die an der Kasse ausgelesen wird. Auf diese Weise, so die offizielle Begründung in der ersten Testphase, solle sichergestellt werden, dass die Altersbeschränkungen beim Kauf von DVDs und CDs Beachtung finden. Auch das intelligente Regal, das eigentlich nur dann automatisch einen Bestellvorgang im Verteilerlager auslösen soll, wenn ein Produkt zur Neige geht, geriet in diesem Zusammenhang in die Kritik: Die englische Ladenkette Tesco experimentierte mit einem Kamerasystem, das Bilder schoss, wenn ein Kunde teure, mit RFID versehene Gillette-Rasierklingen in den Einkaufswagen legte. Diese Bilder wurden zur Ladenkasse geschickt, um den etwaigen Diebstahl der Klingen aufzudecken.
Neben den überzogenen Experimenten, die dem Hype von den Überwachungschips neue Nahrung geben, ist es die RFID-Technik selbst, die kritisiert wird. So lassen sich die im Einzelhandel verwendeten Chips nicht wirklich abschalten, wenn ein Käufer den Laden verlässt. Im Future-Store gibt es zwar ein Gerät, das die Seriennummer einer Ware deaktivieren kann, doch kann diese auf dem gleichen Wege wieder aktiviert werden. Überdies kann die nach den EPC-Richtlinien (siehe Kasten) vergebene Herstellerkennung in solchen Chips überhaupt nicht gelöscht werden. An dieser Stelle kommt die eigentliche Bestimmung der RFID-Chips wieder hervor: Logistikabläufe vereinfachen.
Störsender antworten mit "Ja, ja, ja"
Damit fremde Firmen nicht die Betriebsabläufe eines Unternehmens anhand der von RFID-Chips ausgestrahlten Nummern nachvollziehen können, hat die Firma RSA Security so genannte Blocker entwickelt. Das sind RFID-Chips, die auf die Anfrage eines Lesegrätes immer nur mit "Ja" antworten, aber keine Daten übermitteln. Damit werden die Lesegeräte verwirrt, die nach einem "Ja" die ID-Nummer des Chips auslesen wollen. Obendrein sind diese Blocker so aufgebaut, das sie ständig wechselnde Pseudo-Nummern senden können. Von Datenschützern wird diese Technik begrüßt, weil sie mit eingenähten Blockerchips in Einkaufstaschen die Überwachungstechnik stören. Ladenbetreiber interpretieren dafür die Blocker als Umgehung des Diebstahlschutzes, den RFID-Chips an der Ware als Zusatznutzen mit sich bringen, basiert doch die seit langem praktizierte Diebstahlssicherung von Bekleidung auf RFID-Chips.
Die von RSA Security entwickelten Blocker entstanden im Kampf gegen die Industriespionage und werden als Geräte gepriesen, die etwa in der Container-Logistik zum Schutz vor Terroristen eingesetzt werden können. Bei teureren Chips, die mit wiederbeschreibbaren Speichern ausgestattet sind, verkauft RSA Security die Technik auch als Virenschutz. Damit schließt sich der Kreis: Die ersten Transponder wurden von der amerikanischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg entwickelt; sie waren automatische Sender, die eine Kennung schickten, sobald sie angefunkt wurden. Das System wurde unter dem Namen IFF bekannt: Identification, Friend or Foe (Freund oder Feind).
Mit der Industriespionage, die den Weg von RFID-Chips verfolgt, ist man wieder beim Freund-Feind-System angelangt. So haben alle Bierfässer RFID-Chips im Boden, mit deren Hilfe die Brauereien ihren Leergutbestand kontrollieren können. Genutzt werden die Daten jedoch anders: um Großhändler zu finden, die sich nicht an Gebietsabsprachen halten und Gaststätten mit günstigeren Angeboten nebenher beliefern. Manchmal sind Informationen auch mit der viel versprechenden Technik einfach am falschen Ort.