Flexibel und günstig

RFID mobil dirigieren

12.05.2005
Funketiketten gehören längst zum Unternehmensalltag. Einen leichten Gebrauch ermöglicht die Kombination aus RFID-Technologie und mobilen Lesengeräten.

Bei der Homag Holzbearbeitungssysteme AG in Schopfloch bewähren sich mobile RFID-Leser im Kundendienst. Seit anderthalb Jahren setzt die Homag Funketiketten ein, die von den beweglichen Lesegeräten erfasst werden, wenn eine Maschine zur Reparatur angeliefert wird. „Wir haben früher alle teuren und reparaturanfälligen Teile mit Barcodes versehen, damit wir nachverfolgen können, wie oft ein Teil zur Reparatur kommt, wo es eingebaut wurde und wie die Garantieregelung aussieht“, sagt Nicole Letzgus, Leiterin der Organisation DV bei Homag. Doch die Strichcodes auf Papier erwiesen sich als ungeeignet, um etwa Verleimbehälter zu kennzeichnen. Sie sind im Betrieb starker Hitze ausgesetzt, und überschwappender Kleber verschmutzte immer wieder die Etiketten.

4000 RFID-Tags wurden bislang in Homag-Produkte und -Maschinenteile verbaut. Ausgelesen werden sie mit Handheld-Computern. Die Daten, die so generiert werden, landen über die Dockingstation im ERP-System. Die Technologie ermöglicht eine schnelle Zuordnung der Geräte am Wareneingang und die Zuweisung des Reparaturlevels.

Mit den Funketiketten wird erfasst, welche Komponenten besonders anfällig sind. Weil sich die RFID-Tags auch mit Daten beschreiben lassen, kann Letzgus aber rund um die Eingangskontrollinfrastruktur noch weitere Anwendungen aufsetzen, etwa im Kundendienst. Jede Sägemaschine wird beispielsweise mit Dienstleistungen wie einer bestimmten Anzahl von Kettenreinigungen verkauft. „Jetzt sehen wir direkt beim Eingang, wie viele Reinigungen wir schon bei einer Maschine geleistet haben“, sagt Letzgus.

In der Wartung und Logistik ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis RFID-Lösungen alte Erfassungssysteme ablösen. Dank der Funkchips ist es möglich, auch Güter zu markieren, die dies bislang nicht zuließen, etwa weil ein Bauteil die direkte Sichtlinie zwischen Lesegeräte und Barcode versperrte, oder weil Papieretiketten zu schnell zerstört wurden.

Für die mobilen Geräte spricht einiges: Sie müssen nicht besonders stark sein und sind daher kostengünstig. In der Regel werden einfach handelsübliche Handhelds um ein kleines Lesemodul erweitert. Die Anwender können weiter mit ihrer gewohnten Standardsoftware auf dem Gerät arbeiten. Ändern sich Prozesse oder Lokalitäten zum Beispiel bei der Anlieferung, ist ein Umzug kein Problem. Zudem bekommen die Nutzer mobiler Geräte sofort das Ergebnis ihrer Messung auf einem Display angezeigt, während die Ergebnisse stationärer Leser unter Umständen nur auf einem entfernten Bildschirm sichtbar sind.

Die Zahl der RFID-Projekte mit mobilen Lesegeräten wächst beständig, wenn auch die Marktforscher bislang diese Entwicklung ignorieren. Oft handelt es sich um unspektakuläre und einfache Anwendungen, die aber produktiv und zuverlässig funktionieren.

„Viele IT- Kollegen sind regelrecht erleichtert, wenn sie von uns hören, dass man auch ganz nüchterne RFID-Projekte aufsetzen kann“, sagt der CIO der Fraport AG, Roland Krieg. Unter seiner Regie nutzt die Betriebsgesellschaft des Frankfurter Flughafens mobile RFID-Leser zur Wartung von rund 22000 Brandschutzklappen. Das war bislang teuer und umständlich: Ein Vorarbeiter ermittelte mit Hilfe des SAP-Systems, welche Klappen gewartet werden mussten. Die Vorgaben druckte er für den Monteur aus, der die Arbeiten an der Klappe auf Papier vermerkte. Diese Daten mussten abends wieder in SAP eingetippt, das Papierdokument parallel dazu archiviert werden. Das Verfahren erforderte viel Aufwand – und war fehlerträchtig. „Bei 88000 Auftragsdatenblättern pro Jahr stellte sich irgendwann einfach die Frage nach der sicheren Auffindbarkeit“, sagt Krieg.

Eine mobile Wartungsprozedur ohne Medienbrüche war das Ziel der Projektgruppe, die Krieg zusammen mit den Facility Managern der Fraport ins Leben rief. Als Lieferant für die Lesegeräte wurde Psion beauftragt. Die eingesetzten Geräte sind klein, leicht zu bedienen, bieten trotzdem eine große Anzeigefläche – und sie sind robust. „Eine Anforderung war, dass das Gerät eine Fallhöhe von 1,50 Meter überlebt“, sagt Krieg.

Günstig für den CIO war, dass SAP gerade einen Testkunden für die eigene Mobile-Asset-Management-Lösung suchte. Seit Juli 2003 überprüfen die Techniker nun auf Grundlage der gemeinsam weiter entwickelten Software die Komponenten der Klappen. Sie dokumentieren mit einem individuellen Zeitstempel, der auf dem RFID-Tag gespeichert wird, dass die Wartung durchgeführt wurde. Für Krieg ist das Projekt wegen der gestiegenen Qualität und Sicherheit der Daten ein voller Erfolg.

Dennoch gehört er weiter eher zu den Skeptikern, wenn vom Hype RFID die Rede ist. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass RFID dann wirtschaftlich Sinn macht, wenn die Technologie in andere gut funktionierende Systeme wie bei uns SAP integriert ist und dazu dient, umständliche manuelle Abläufe zu optimieren. Doch selbst dann ist der Integrationsaufwand erheblich.“ Zudem veraltete die Technik schneller als man denkt. Plötzlich tragen die Nutzer unterschiedliche Softwareversionen auf unterschiedlichen Endgeräten mit sich herum. „Dann wird schon ein Releasewechsel der SAP zur Herausforderung.“ Fraport setzt einige Dutzend Lesegeräte und 22000 Transponder ein. „Das“, so Krieg, „ist noch beherrschbar.“

Unternehmen wie Airbus oder Marks & Spencer denken bereits in sehr viel größeren Dimensionen, wenn sie mobile Leser und RFID-Technologie koppeln. Die britische Handelskette etwa nutzt bereits 100 robuste Leser von Intellident, um in neun Filialen die Bestände zu verfolgen. Schon jetzt zeigt sich, dass sie diese zwanzig Mal schneller als mit Barcode-Lesern erfassen können. Im Frühjahr 2006 sollen 53 Filialen mit den Mobillesern arbeiten.

Auch die komplette Innenausstattung für den Airbus 380, dem größten Passagierflugzeug der Welt, soll mit Hilfe berührungsloser Funktechnik und mobilen Lesern montiert werden. Wenn in Hamburg vier Flugzeugrohlinge gleichzeitig bearbeitet werden, müssen unzählige Komponenten wie Flugzeugsitze, Beleuchtungsbauteile oder Rettungswesten dem richtigen Flieger zugeordnet werden.

Alle Teile werden deshalb am Eingang der Montagehalle von RFID-Scannern erfasst und in SAP Auto-ID Infrastructure, eine für RFID-Daten entwickelte Middleware, abgelegt.
Mit mobilen RFID-Lesern wollen die Flugzeugbauer nicht nur in Kontrollgängen sicher stellen, dass alle Teile richtig verbaut wurden. Sie sollen auch später die Wartung der Maschinen vereinfachen. "Es gibt zum Beispiel jemanden, der vor jedem Flug unter dem Sitz überprüft, ob die Schwimmwesten an Ort und Stelle sind“, sagt Jens Heitmann, Manager für die System- und Anlage-Standardisierung bei Airbus. „Wenn sie alle entsprechend ausgezeichnet sind, könnte jemand einfach durch den Passagierraum gehen und automatisch scannen, ob sie an ihrem Platz sind.“

Angesichts der zunehmenden Beliebtheit mobiler RFID-Lösungen entdecken neben den Handheld-Anbietern auch die Mobiltelefonhersteller ihre Chancen. Nokia hat bereits ein Handy mit einem integrierten RFID-Lesegerät vorgestellt. Middleware von iAnywhere sorgt dafür, dass das Mobiltelefon dann mit Unternehmensanwendungen kommunizieren kann. Neben den Finnen gehören auch Philips und Sony zu den Pionieren in Sachen mobiles RFID.