Auf den Jubel folgte Stille: Zwischen 2005 und 2008 galt RFID (Radio Frequency Identification) als Hoffnungsträger. Die Praxis jedoch enttäuschte - zu wenig fundiert waren die Investitionsentscheidungen. Nach einigen Jahren Funkstille rückt RFID jetzt aber wieder in den Blickpunkt von Entscheidern. So sehen es zumindest die Berater von A.T. Kearney. Gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien (Institut für BWL & Wirschaftsinformatik) hat A.T. Kearney die Studie "RFID für B2B-Anwendungen" erstellt.
Der betriebswirtschaftliche Hintergrund der Studienautoren prägt ihren Blick auf das Thema: Sie interessieren sich vor allem für die Frage, wie Unternehmen einen Return on Investment (ROI) erzielen können. Als Motivation ihrer Arbeit nennen sie den Umstand, "dass derzeit kein Investitionsleitfaden für den Einsatz von RFID-Systemen im B2B-Bereich existiert".
Den allerdings kann auch diese Studie nicht liefern, dafür sind die jeweiligen Anwendungsszenarien zu individuell. Die Analyse bietet aber immerhin ein grobes Raster zur Orientierung für Entscheider.
Die Studie ist keine der üblichen quantitativen Auszählungen mehrerer hundert standardisierter Fragebogen. Stattdessen haben die Consultants mit neun Unternehmen qualitative Gespräche geführt. Das Spektrum dieser Gesprächspartner reicht vom Anwender aus der Telekommunikationsbranche (2.000 Mitarbeiter) über den Systemintegrator (25 Mitarbeiter) bis zum international tätigen IT-Dienstleister.
Fazit: RFID ist eine Enabler-Technologie. Ihr Geschäftswert entwickelt sich erst längerfristig und hängt davon ab, wie sie beispielsweise Prozesse verbessert, Ausschuss reduziert oder den Mitarbeitereinsatz optimiert. Eine fundierte Entscheidung über den Einsatz von RFID setzt immer eine detaillierte Prozess-Analyse und eine Kosten-Nutzen-Rechnung voraus. Dabei geht es nicht nur um technologische Effekte, sondern auch um Auswirkungen auf Prozesse, Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter.
Im Einzelnen haben A.T. Kearney und die Wirtschaftsinformatiker folgende acht Dimensionen untersucht:
Anwendungsfelder und Technologie: RFID kommt typischerweise in Logistik und Produktion zum Einsatz. Die Studienteilnehmer nennen außerdem folgende Bereiche: Sicherheit, Personensicherheit, Biologie, Medizin und Markenschutz. Auch bei Wartung und Instandhaltung kann die Technologie unterstützen. Hauptaufgabe ist immer die Identifikation von Produkten oder Personen.
Ein "Schnell-Leitfaden" Anwendung enthält folgende Tipps:
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Je nach Anwendung muss die passende Technologie ausgewählt werden.
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RFID kann Automatisierungsvorgänge realisieren, allerdings sollten kostengünstigere Technologiealternativen geprüft werden.
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Der RFID-Einsatz empfiehlt sich vor allem bei Zugangskontrollen und zum Diebstahlschutz.
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Hersteller müssen kostengünstige Sonderbestellungen anbieten können, denn jedes Produkt hat eigene Herausforderungen und Bedürfnisse.
Verlässlichkeit: Im Großen und Ganzen zeigen sich die Befragten mit der Verlässlichkeit der Technologie zufrieden. Probleme zeigten sich eher durch Bedienfehler oder Missachtungen der Hersteller-Vorgaben.
Schnell-Leitfaden Sicherheit:
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Die Reichweite durch das Frequenzband muss zur Anwendung passen.
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Die Verpackung muss für die Anwendung geeignet sein. Chips reagieren sehr sensibel auf mechanische Einflüsse wie Feuchtigkeit oder Hitze.
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Der Hersteller sollte Anwendungsrichtlinien für RFID-Komponenten definieren und kommunizieren.
Implementierung und Risiken: Bei der Implementierung spielen Faktoren wie Kosten, Dauer der Durchführung und Ressourceneinsatz eine Rolle. Viele Anwenderunternehmen erwarten bereits in den ersten Monaten schnelle finanzielle Erfolge. Ein Return on Investment (ROI) wird realistischerweise jedoch erst nach zwei bis drei Jahren erzielt, so A.T. Kearney.
Schnell-Leitfaden Implementierung und Risiken:
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Zu Beginn ist eine sorgfältige Prozess-Analyse nötig.
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Es ist sinnvoll, dass sich Hersteller und Kunde während des Produktionsprozesses zusammensetzen.
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Kostenpunkte sind neben der Technik auch Projekt-Management, externe Beratung sowie Kunden- und Mitarbeiterschulungen.
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In ein RFID-Projektteam gehören nicht nur Techniker, sondern auch Mitglieder der Unternehmensleitung und Endanwender.
Die finanzielle Seite: Glaubt man den Studienautoren, ist es erstaunlich schwer zu sagen, inwieweit sich die RFID-Einführung finanziell auszahlt. RFID habe Seiteneffekte, die sich erst im Laufe der Zeit zeigten, etwa verbesserte Arbeitsbedingungen.
Schnell-Leitfaden Finanzfragen
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RFID sollte mit Maßnahmen kombiniert werden, die Planung und Betrieb optimieren.
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Der Zeitraum für das Erzielen eines ROI ist immer auch von der Größe des Projektes abhängig.
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Bei der Implementierung nicht an der Qualität der Komponenten sparen.
Informationssicherheit und Datenschutz: Schlechte Zeiten für den Datenschutz - die Pionierphase neuer Verfahren ist gekennzeichnet durch Technikbegeisterung, so die Erfahrung der Analysten. Die Sicherheit der Daten spiele zunächst eine untergeordnete Rolle. Das sei bei RFID nicht anders.
Schnell-Leitfaden Informationssicherheit und Datenschutz:
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Nach Möglichkeit passive RFID-Tags verwenden, auf denen ausschließlich Identifikationsnummern abgesichert werden.
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Es bestehen noch keine etablierten Richtlinien für den Datenschutz. Mittelfristig sollte die EU reagieren.
Mitarbeiter: Personalkosten zu senken, kann ein Motiv für die Einführung von RFID sein. Nach Aussagen der Studienteilnehmer geht es nicht unbedingt um das Entlassen von Mitarbeitern, sondern um das Umsiedeln in andere Bereiche. Und: auch die Wartung von RFID-Systemen erfordert Personal.
Wer sich für RFID entscheidet, muss Mitarbeiter schulen. Im Idealfall werden die Betroffenen so früh wie möglich involviert.
Schnell-Leitfaden Mitarbeiter:
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Aufklärungsarbeit im Vorfeld bringt mehr als Schulungen nach der Einführung.
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RFID-Systeme können durch Rationalisierung und Optimierung von Prozessen Personalkosten senken.
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Information der Belegschaft hilft, das "Feindbild RFID" zu vermeiden. Nach Möglichkeit mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten.
Externe Schnittstellen: Systemintegratoren und Hersteller raten zur parallelen Nutzung von RFID und Barcode. Fehlt ein RFID-Transponder oder ist er nicht lesbar, kann auf den Barcode zurückgegriffen werden. An manchen Identifikationspunkten einer Lieferkette reiche ein Barcode aus.
Schnell-Leitfaden Externe Schnittstellen:
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Anwendungsschnittstellen zu anderen Unternehmen frühzeitig und pro-aktiv planen.
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Die Kombination mit Barcodes ist oft kostengünstiger
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Lizenzierte und zertifizierte Produkte nur einsetzen, wenn unbedingt notwendig.
Innovation: RFID scheint die Fantasie der Fachleute zu beflügeln, denn "es werden ständig innovative technologische Ansätze vorgestellt", wie A.T. Kearney schreibt. Die Analysten erwarten, in den kommenden drei bis fünf Jahren Weiterentwicklungen bei den Funktionalitäten der Transponder und bei der Sensorik zu sehen.
Schnell-Leitfaden Innovation:
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Transponderfunktionalität und Sensorik sollen Zusatznutzen ermöglichen.
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Ubiquitous Sensor Networks werden zu weiteren Effizienzsteigerungen führen.
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Um ihren vollen Nutzen zu entfalten, muss RFID mit anderen Technologien kombiniert werden.
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Hersteller sollten sich auf einzelne Anwendungsfelder spezialisieren und die Transponderfunktionalitäten entsprechend anreichern.
Quasi ein "Nebenprodukt" der Studie ist eine Sammlung konventioneller Annahmen über RFID. Beispiel Kündigungen: Oft grassiert die Angst, wenn RFID kommt, müssen Kollegen gehen. Stimmt nicht, so die Analysten. Stattdessen qualifizieren Unternehmen ihre Mitarbeiter häufig um. Auch sei es ein Irrglaube, dass RFID den Barcode ablöse. Fakt ist: RFID bleibt teurer als der Barcode und lohnt sich damit nur, wenn ein entsprechender Mehrwert geschaffen werden kann.
Die Studienautoren gehen mit sich selbst kritisch ins Gericht. Sie schreiben, die Frage nach dem besten Verfahren zur Berechnung der Investitionen für RFID bleibe unbeantwortet. Immerhin geben sie mit ihren Schnell-Leitfäden grobe Orientierung. A.T. Kearney erwartet für diese Technologie in den kommenden Jahren jedenfalls eine dynamische Entwicklung.