Hannover Messe

Roboter "Fifi" folgt auf Schritt und Tritt

13.04.2015
Autonome Systeme werden handzahm: Auf der Hannover Messe ist die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ein zentraler Trend für das Megaprojekt Industrie 4.0. Karlsruher Forscher stellen eine mobile Roboterplattform vor, Daimler treibt das "Robot Farming" voran.

Schau mir in die Augen, Kleiner, und pass auf meine Hände auf - winkt man ihm dreimal mit der rechten Hand zu, wird der Transport-Roboter "Fifi" folgsam wie ein Hündchen. Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte System wird auf der Hannover Messe vorgestellt und steht beispielhaft für einen der wichtigsten Trends der am Montag beginnenden Industrieschau: Industrieroboter werden "kollaborativ": Das heißt, sie müssen nicht mehr in einem Käfig eingesperrt werden, sondern arbeiten eng mit dem Menschen zusammen. Die Kommunikation von Mensch und Maschine in intelligent organisierten Industrie-4.0-Betrieben werde ein großes Thema in Hannover sein, sagt eine Messesprecherin.

"Wir wollen weg vom Eingeben von Befehlen und hin zu einem System, das je nach Situation versteht, was gerade gebraucht wird", erläutert der Projektleiter am KIT-Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL), Andreas Trenkle. Gut drei Jahre hat das Team für die Entwicklung von "Fifi" gebraucht. In Hannover präsentiert sich "Fifi" als elektrischer Laufbursche, der Lasten trägt und seinem Nutzer überallhin folgt - bis sich dieser wieder abmeldet, mit dreifachem Winken der linken Hand.

"Fifi" ist mit einer Kamera des Microsoft-Systems Kinect ausgestattet und setzt für die Gestensteuerung auch Open-Source-Komponenten, also frei verfügbare Software ein, deren Code offen liegt und angepasst werden kann. Das KIT-Team baute den allerersten Prototyp mit Lego-Steinen. Inzwischen hat das System Anwendungsreife erreicht.

Die kleinere Version, wie sie auf der Hannover Messe gezeigt wird, kann Lasten bis zu 25 Kilogramm tragen, also gerade einen Kasten Bier nach einem anstrengenden Messetag. Die größere Version schafft bis zu 300 Kilogramm.

Bitkom über die Digitalisierung der Arbeitswelt
Arbeiten von zu Hause aus
Im Arbeitsalltag wollen deutsche Entscheider ihre Mitarbeiter lieber im Büro sitzen sehen, als sie ins Home Office zu schicken. Das zeigt eine Studie des Branchenverbandes Bitkom mit dem Titel „Digitalisierung der Arbeitswelt“. Rund 1.500 Geschäftsführer und Personalentscheider verschiedenster Branchen haben daran teilgenommen.
Anwesenheit ist oft Pflicht
In drei Vierteln der Unternehmen (75 Prozent) besteht nach wie vor Anwesenheitspflicht für alle Mitarbeiter.
Bedeutung des Büroarbeitsplatzes
Sieben von zehn Befragten sind denn auch davon überzeugt, dass der klassische Büroarbeitsplatz in seiner Bedeutung konstant bleiben wird.
Home Office nicht vorgesehen
Hier haben die Autoren der Umfrage nach den Gründen geforscht. Fazit: Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) erklären, die Arbeit vom Home Office aus sei "generell nicht vorgesehen".
Künftig mehr Freie
Ohne eine Flexibilisierung der Arbeitsplatzstrukturen wird es aber nicht gehen. Denn 31 Prozent der Befragten wollen künftig stärker als bisher mit freien Mitarbeitern kooperieren.
Vorteile externer Spezialisten
In solche Kooperationen setzen die Befragten große Erwartungen. 73 Prozent erwarten, dass das Innovationstempo steigt. 67 Prozent freuen sich auf einen interessanteren Arbeitsalltag.
Chancen der Digitalisierung
Grundsätzlich schreiben die Befragten der Digitalisierung große Vorteile zu.

Für Herstellung und Vermarktung arbeiten die Karlsruher Techniker und Informatiker mit der Firma Bär Automation in Gemmingen (Kreis Heilbronn) zusammen. Ein großer Automobilhersteller hat die mobile Roboterplattform bereits getestet. "Das wurde dort sehr positiv aufgenommen", sagt Bär-Automation-Projektingenieur Philip Kirmse.

Das System werde auch von Gewerkschaftern wohlwollend bewertet. Denn diese Art von Roboter solle den Arbeitsplatz eines Beschäftigten nicht überflüssig machen, sondern vielmehr den Menschen so unterstützen, dass er sich mehr auf den wertschöpfenden Teil seiner Tätigkeit konzentrieren könne. Gerade in einer alternden Gesellschaft könnten Beschäftigte länger arbeiten, wenn sie bei körperlich anstrengenden oder ermüdenden Tätigkeiten von Robotern entlastet würden. Solche "weichen Faktoren" würden künftig mehr in Berechnungen der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt als bisher, erwartet Kirmse.

Die Szenarien für "Fifi" sehen vor allem Einsätze in Logistikzentren - etwa von großen Online-Händlern - oder Montagehallen vor. "Der Mitarbeiter kann etwa an Regalen vorbeilaufen und benötigte Teile auf dem Hubtisch von "Fifi" ablegen", sagt Kirmse. Ein anderes Szenario versetzt den Roboter in einen Automatik-Modus und schickt ihn in eine Fertigungszelle, zu der Menschen keinen Zutritt haben und andere Roboter die von "Fifi" gebrachten Teile aufnehmen.

Digitalisierung in der Industrie
Autobauer, Einzelhandel und sogar Tagebau
Wir zeigen gelungene Beispiele für die digitale Transformation deutscher und internationaler Unternehmen.
Red Tomato Pizza Dubai
Wer in Dubai Hunger auf Pizza bekommt, dem gereicht ein Knopfdruck zum Italo-affinen Gourmet-Glück. Der Red Tomato-Lieferdienst bietet einen Kühlschrank-Magneten an, der über die Koppelung an ein Smartphone dafür sorgt, dass die Lieblingspizza ofenfrisch und frei Haus schnellstmöglich anrückt.
Hamburger Hafen
Der Hamburger Hafen ist Europas zweitgrößter Containerhafen. Um die Effizienz der begrenzten Verkehrswege zu verbessern und größere Gütermengen umschlagen zu können, hat die für das Hafenmanagement zuständige Hamburg Port Authority (HPA) zusammen mit der SAP und der Deutschen Telekom in einem Pilotprojekt die IT-Logistikplattform "Smart Port Logistics" aufgebaut. Die IT-Lösung soll die Unternehmen, Partner und Kunden des Hafens enger miteinander vernetzen.<br /><br />Durch ein IT-gestütztes Verkehrsmanagement will man LKW-Fahrern Echtzeit-Informationen zu Frachtaufträgen und zur Verkehrslage bereitstellen. Dadurch sollen Staus im Hafen und auf den Zufahrtswegen sowie Wartezeiten minimiert und der Warenfluss optimiert werden. Die IT-Logistikplattform ist mit mobilen Applikationen ausgestattet, über die Lkw-Fahrer Verkehrsinformationen und Dienstleistungen rund um den Hafen mithilfe mobiler Endgeräte wie Tablet-PCs oder Smartphones abrufen können.
Drive Now
In kaum einem Industriezweig vollzieht sich die Digitalisierung so vielschichtig wie im Automotive-Sektor. Einen besonderen Stellenwert nehmen dort seit einigen Jahren die "individuellen Mobilitätsleistungen" ein - besser bekannt unter dem Schlagwort Carsharing. Der Münchner Autobauer BMW hat gemeinsam mit seiner Tochter Mini und dem Autovermieter Sixt das DriveNow-Programm ins Leben gerufen. Gefunden und gebucht wird ein Fahrzeug in der Nähe per Smartphone-App, bezahlt wird per Kreditkarte.
SK Solutions
SK Solutions koordiniert mithilfe einer neuen Plattformlösung Kräne und andere Maschinen auf Baustellen. Eingebaute Sensoren sammeln Echtzeit-Daten für die Live-Analyse; Bewegung und Steuerung der Baustellenperipherie werden daraufhin automatisch angepasst, um Unfälle und Kollisionen zu verhindern, die sonst - möglicherweise auch erst in einer Woche - passieren würden.
Xbox Live
Disketten und Cartridges sind längst passé - nun wendet sich die Gaming-Industrie langsam aber sicher auch von der Disc ab. Wie Sonys PlayStation Network bietet auch der Xbox Live-Service inzwischen viel mehr als nur Multiplayer-Schlachten. Games- und Video-on-Demand-Dienste machen physische Datenträger nahezu überflüssig. Zahlreiche Apps wie Youtube, Netflix oder Skype verwandeln die aktuellen Spielkonsolen in Multimedia-Stationen.
Novartis & Google
Der Schweizer Novartis-Konzern gehört zu den wenigen großen Playern der Pharma-Industrie, die die Digitalisierung vorantreiben. Zu diesem Zweck haben sich die Eidgenossen die Lizenz gesichert, Googles Smart Lens-Technologie für medizinische Zwecke nutzen und vermarkten zu dürfen. Konkret arbeiten die Wissenschaftler derzeit an neuartigen Kontaktlinsen. Diese sollen sowohl Diabetikern als auch Menschen die auf eine Sehhilfe angewiesen sind, zu mehr Lebensqualität verhelfen. Das funktioniert mittels Sensoren und Mikrochip-Technologie sowie der Koppelung an ein smartes Endgerät. Zum einen soll die Kontaktlinse so in der Lage sein sollen, den Blutzuckerspiegel eines Menschen über die Augenflüssigkeit zu messen, zum anderen die natürliche Autofokus-Funktion des menschlichen Auges wiederherstellen.
Dundee Precious Metal
Die kanadische Minengesellschaft Dundee Precious Metal setzt unter Tage klassische Netztechnik wie WLAN oder 10-Gigabit-Glasfaser ein, um den Bergbau zu automatisieren und Edelmetalle effizienter zu fördern. Laut CIO Mark Gelsomini arbeitet das Unternehmen dank der neuen Technik nun 44 Prozent effizienter.<br /><br />Im ersten Schritt wurden klassische Kommunikations-Devices auf Voice over IP und Voice over WLAN umgestellt sowie neue Sensorsysteme verbaut. Fernziel ist, dass die Geräte unter Tage künftig ferngesteuert von der Oberfläche gesteuert werden, um so die Zahl der Bergleute, die einfahren müssen, zu reduzieren.
Axel Springer
Beim größten deutschen Medienhaus Axel Springer nimmt die Digitalisierung einen hohen Stellenwert ein. Im Jahr 2012 erwirtschaftete Springer mit den digitalen Medien erstmals mehr als mit seinen Print-Erzeugnissen. Doch nicht nur Paid-Content-Modelle wie "Bild Plus" sorgen für klingelnde Kassen - auch das Jobportal Stepstone.de, die Beteiligung an der Fitness-App Runtastic, die Etablierung des Reisemagazins travelbook.de, sowie zuletzt die Übernahme der Plattform Immowelt zeugen von dieser Entwicklung.
General Motors
General Motors hat eine eigene Software-Entwicklungsabteilung mit 8000 Developern aufgebaut und damit einen Outsourcing-Vertrag mit HP abgelöst, der den Konzern drei Milliarden Dollar im Jahr kostete. Der Autobauer entwickelt die Software-Lösungen für seine Autos und den internen Gebrauch nun komplett selbst, um besser auf Kundenwünsche eingehen zu können.
Deichmann
Wenn es um Schuhe geht, ist derzeit kein Unternehmen in Deutschland erfolgreicher als Deichmann. Das dürfte auch daran liegen, dass das Familien-Unternehmen als erster Schuhhändler Deutschlands einen Online-Shop installierte - im Jahr 2000. Inzwischen fährt Deichmann eine Omnichannel-Strategie und möchte den Online-Handel konsequent mit klassischen Einzelhandels-Geschäftsmodellen verknüpfen...
Deichmann
... Konkret sollen im Herbst die beiden Modelle "Ship2Home" und "Click&Collect" starten: Kunden sollen Schuhe, die im Laden nicht auf Lager sind, bequem nach Hause ordern können oder - andersherum - online in die Filiale. Social Networking, Blogging und Apps gehören ebenfalls zum Konzept von Deichmann. Dabei scheut man sich auch nicht davor, neuartige Konzepte zu testen. So bot das Unternehmen für einige Zeit auch virtuelle Schuhanproben an - die sich allerdings nicht durchsetzten.
Kreuzfahrtschiff "Quantum of the Seas"
Satelliten-Wifi auf Hochsee, Cocktails an der Bionic-Bar, digitaler Meerblick in der Innenkabine, bargeldloses Zahlen an Bord mit RFID-Armbändern und lückenloses Gepäck-Tracking: Die "Quantum of the Seas" von Royal Carribean kreuzt als schwimmendes High-Tech-Paradies in der Karibik und lässt keinen Geek-Wunsch offen.
Rewe
Die Frankfurter Allgemeine bescheinigt dem Lebensmittel-Konzern, es sei "wie kein anderes in seiner Branche dem Zeitgeist gnadenlos auf der Spur". Dabei ist die Rewe Group im Vergleich zum Konkurrenten Tengelmann erst recht spät auf den Digitalisierungszug aufgesprungen. Der erste Schritt war die Einführung von Online-Bestellungen, ...
Rewe
... inzwischen erlauben viele Rewe-Kassenterminals auch die Bezahlung per Smartphone. Überraschend hat sich das Unternehmen Anteile am Online-Möbelhändler Home24 gesichert. Warum? Rewes E-Commerc-Chef Lionel Sourque verrät: "Wir müssen von diesen Verrückten lernen, denn uns fehlt das Online-Gen in unserer Händler-DNA."
Commonwealth Bank of Australia
Die Commonwealth Bank of Australia ist das beste Beispiel dafür, dass es sich lohnt, beim Thema Digitalisierung Early Adopter zu sein. Im Jahr 2008 lief die digitale Umstrukturierung an - inzwischen hat das australische Finanzinstitut alle Privat- und Unternehmenskonten in ein einheitliches digitales System übertragen und ist dank neuer Strukturen laut den Management-Beratern von Bain&Company die Nummer 1 in Australien beim Online-Banking. In der Gunst der jungen Kunden liegt das nahezu vollständig digitalisierte Finanzinstitut ebenfalls an erster Stelle.

Bär Automation will das System nach der Hannover Messe in einen weiteren Testbetrieb schicken, um die Software für die Steuerung weiter zu verbessern. Konkrete Anfragen gibt es nach Angaben des mittelständischen Unternehmens, das in diesem Jahr einen Umsatz von etwa 17 Millionen Euro erwartet, von einem großen Automobilhersteller und einem Systemlieferanten für Sicherheitstechnik. Die Serienreife für "Fifi" als System für festgelegte Transportanwendungen erwartet Kremse innerhalb eines Jahres nach den anstehenden Praxistests.

Systeme für die Mensch-Roboter-Kollaboration werden unter anderem von Herstellern wie Epson, ABB, Kuka und Gomtec entwickelt. Die Nachfrage der Industrie ist da.

"Die Entwicklung geht in Richtung von sensitiven Leichtbaurobotern ohne Schutzzaun", sagt eine Daimler-Sprecherin in Stuttgart. Für die Autoproduktion treibt Daimler das Fertigungskonzept "Robot Farming" voran. Hier sollen die intelligenten Fähigkeiten des Menschen mit der Präzision und Ausdauer des Roboters kombiniert werden. "In Zukunft wird es um das intelligente Miteinander von Mensch und Technik gehen", heißt es beim Daimler. "Der Mensch wird dabei immer im Mittelpunkt stehen - an seine Flexibilität kommt keine Maschine der Welt heran."

Kann "Fifi" auch bellen? "Kein Problem, das können wir implementieren", sagt KIT-Forscher Trenkle. So hat das System einen Lautsprecher, das sich mit Pieps-Tönen meldet, wenn es mit seinem besonders schnellen Frauchen oder Herrchen nicht mehr Schritt halten kann. (dpa/tc)