Analysten-Kolumne

Röntgen-Check für IT-Großprojekte

19.11.2008 von Dirk Möbus und Konstantin Maschke
Viele Projekte erreichen nicht ihre gesteckten Ziele. 43 Prozent aller IT-Projekte brechen CIOs sogar vorzeitig ab. Ein Analyse-Tool hilft, Ursachen für Schieflagen rechtzeitig zu erkennen und zu beheben. Es verschafft CIOs einen transparenten Einblick in laufende Projekte.
Berater Konstantin Maschke: "Die Analysephase im Rahmen eines X-Ray schafft kurzfristig Transparenz über das Projekt."

Große und komplexe IT-Projekte verschlingen einen großen Teil der Unternehmensbudgets. Dabei zeigt eine aktuelle Untersuchung von Roland Berger Strategy Consultants, dass 43 Prozent aller IT-Projekte vorzeitig abgebrochen werden. Hinter dieser nackten Statistik stecken auch zahlreiche Projekte, die nicht zwangsläufig hätten scheitern müssen. Der Grund dafür ist meistens, dass sich die Anforderungen im Verlauf des Projekts stark ändern.

Projektmanager Dirk Möbus: "Ein Großteil aller begonnenen Projekte erreicht nicht die Ziele, die zu Beginn ausgegeben wurden."

Das Ergebnis: Ein Großteil aller begonnenen Projekte erreicht nicht die Ziele, die zu Beginn ausgegeben wurden. Sie dauern deutlich länger und werden erheblich teurer als geplant. Wären die Probleme rechtzeitig erkannt und behoben worden, hätten viele der beteiligten Unternehmen nicht nur erhebliche finanzielle Schäden abwenden können - auch das Image leidet oft unter dem Makel des Scheiterns.

Die Ursachen sind in den meisten Fällen gleich:

Typische Probleme bei der Durchführung großer Projekte.

Oftmals herrscht in großen Organisationen zu wenig Transparenz über den tatsächlichen Zustand des Projekts. Auftraggeber und Vertreter des Lenkungsausschusses sind häufig zu weit von den operativen Projekttätigkeiten entfernt, um ausreichend über den Zustand des Projekts informiert zu sein. Gerade in Krisensituationen erhalten die Verantwortlichen zudem oft widersprüchliche Informationen aus unterschiedlichen formellen und informellen Quellen.

Zweiphasiges "X-Ray"-Tool durchleuchtet IT-Großprojekte

Ablauf, Aktivitäten und Resultate eines X-Rays.

Aus ihrer jahrelangen Projekterfahrung haben die IT-Experten von Roland Berger daher ein Analyse-Tool entwickelt, das verantwortlichen CIOs einen aktuellen und transparenten Einblick in laufenden Projekte ermöglicht, mit dem sie Fehlentwicklungen schnell erkennen und korrigieren können. Grundlage ist ein zweiphasiger "X-Ray", der das Projekt analysiert und Hinweise gibt, welche Schritte in der zweiten Phase für die Sanierung des Projekts notwendig sind.

1. Die Analysephase

Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme. Die Analysephase schafft Klarheit über den Fortschritt des Projekts, Kosten, Stärken und Schwächen sowie die Verfügbarkeit der benötigten Ressourcen. Selbst bei komplexen IT-Projekten liegen oft schon innerhalb von vier Wochen Ergebnisse vor. Diese geben Hinweise auf wesentliche Problemfelder, Risiken und dringend benötigte Maßnahmen zur Reorganisation.

2. Die Steuerungsphase

Im Anschluss folgt eine Steuerungsphase, deren Dauer vom jeweiligen Projekt abhängt. Ziel ist es hier, die in der Analysephase definierten nötigen Maßnahmen umzusetzen und Strukturen aufzubauen, die das Projekt sanieren und so den planmäßigen Abschluss ermöglichen. Im Vordergrund steht hier vor allem die inhaltliche Auseinandersetzung mit projektkritischen Einzelthemen.

Die Diagnose aus der Analysephase ermöglicht es, im zweiten Schritt maßgeschneiderte Turnaround-Maßnahmen umzusetzen. Besonderes Augenmerk liegt auch hier auf den kritischen Bereichen, die häufig für das Scheitern von IT-Großprojekten verantwortlich sind:

1. Projektscope: Transparenz schaffen

Der Fokus eines Projekts verliert durch mangelhafte Kommunikation, Überschneidungen mit anderen Projekten und falsche Annahmen zu Beginn oft an Schärfe. Wichtig ist es, Soll- und Ist-Kennzahlen zum Projekterfolg ebenso wie Lücken im Business Case und den tatsächlichen Projektfortschritt zu identifizieren. Ziel: Transparenz über die Zielvorstellungen der Projektpartner und vorhandene Schnittstellen zu angrenzenden Projekten.

2. Projektplanung: Abhängigkeiten aufdecken

Defizite in der Planung ergeben sich oft aus nicht klar geregelten Verantwortlichkeiten und Deadlines, unzureichend festgelegten Anforderungen und falschen Aufwandsschätzungen sowie einem unkoordiniertem Change Management. Die Planung einschließlich Zeitleiste, Ressourceneinsatz, Budgetumfang und Meilensteinen muss daher an aktuelle und zukünftige Rahmenbedingungen angepasst werden. Dazu ist es nötig, Abhängigkeiten zwischen einzelnen Arbeitspaketen sowie den kritischen Pfad aufzudecken und Alternativen zu erarbeiten, um auf eventuelle Änderungen flexibel reagieren zu können.

3. Projektorganisation: Rollen eindeutig festlegen

In der Projektorganisation ergeben sich Schwächen häufig durch unklare Rollendefinitionen und mangelnder Qualifikation der Mitarbeiter. Unerlässlich ist deshalb eine Analyse der aktuellen Projektorganisation im Hinblick auf Aufgaben- und Verantwortlichkeitsbeschreibungen, die Koordination von Teilprojekten, Reporting und Eskalationspfade sowie die tatsächlichen Fähigkeiten der Projektmitarbeiter.

4. Projektstatus: Permanentes Projekt-Controlling

Große Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zielerreichung im Projektverlauf, Terminüberschreitungen sowie eine unzureichende Quantifizierung von Projektergebnissen (z.B. Nutzen einer Prozessveränderung für den Fachbereich) kennzeichnen viele große Projekte. Hierzu ist die Schaffung von Transparenz über die kritischen offenen Punkte, die tatsächliche Meilensteinerreichung, Analysen zu Meilensteinanpassungen und -abweichungen im Zeitverlauf sowie eine Einschätzung des eigentlichen Wertbeitrags des Projekts vorzunehmen.

5. Projektsteuerung: X-Ray vergleicht Methoden und Prozesse

Intransparenz und Fehler im Reporting erschweren eine effiziente Projektsteuerung. Oft werden Werkzeuge wie Planungstools und standardisierte Berichtsvorlagen zur einheitlichen Aggregation von Projektstatusinformationen nicht konsequent genutzt. Der X-Ray vergleicht die eingesetzten Methoden und Prozesse, mit denen die Anforderungen, Entwicklungsstandards mit Qualitätsprüfpunkten, sowie Tests und Abnahmeverfahren bewertet werden, mit gängigen aktuellen Alternativen ab.

6. Projekt an betriebliche Prozesse und Strukturen anbinden

Nach dem Abschluss muss das Projekt in bestehende Change- und Problem-Management-Prozesse eingegliedert werden. Diese Aspekte werden zuvor meist nur unzureichend berücksichtigt. Eine rechtzeitige Analyse und Definition von Schnittstellen und Abhängigkeiten erleichtert später den Start des Projekts.

Die Analysephase im Rahmen eines X-Ray schafft kurzfristig Transparenz über das Projekt und leitet Maßnahmen ab, ohne dabei umfangreiche Ressourcen zu binden. Die Dauer der anschließenden Steuerungsphase hängt von der Größe und Komplexität des Projekts sowie den Ergebnissen der Analysephase ab. Die maßgeschneiderten Maß nahmen schützen vor unliebsamen Überraschungen und verhelfen dem Projekt zum gewünschten Erfolg.

Dirk Möbus ist Projektmanager, Konstantin Maschke Berater im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.