Die Jobaussichten sind glänzend, und der Verdienst stimmt - trotzdem machen viele Mädchen und junge Frauen in Deutschland noch immer um technische Berufe einen großen Bogen. Dabei dürfte der Bedarf an Softwareentwicklern, Informatikern, Elektrotechnikern und anderen technischen Jobs in der digitalen Produktions- und Arbeitswelt künftig noch deutlich steigen. Höchste Zeit also, alte Rollenklischees über Bord zu werfen, sagen Experten.
Schon seit rund 15 Jahren buhlen Unternehmen und Wirtschaftsverbände bei jährlichen Girl's Days und bei vielen anderen Aktionen um den weiblichen Nachwuchs. Zuletzt entschieden sich zwar etwas mehr junge Frauen für ein technisch-naturwissenschaftliches Studium, doch vor allem in vielen technischen Ausbildungsberufen herrscht nach wie vor Frauenmangel, wie etwa aus der Studie "MINT Nachwuchsbarometer" der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung hervorgeht.
Das liegt wohl zuallererst an den Hürden in den Köpfen. Schon in der Schulzeit wird Mädchen der Studie zufolge in der Familie und im Freundeskreis fünf Mal häufiger von einer technischen Ausbildung abgeraten - mit entsprechenden Folgen: Viele Mädchen und junge Frauen trauen sich gar nicht erst zu, in technischen Disziplinen beruflich Fuß zu fassen.
Mehr als ein Drittel der Schülerinnen, die sich gegen eine solche Ausbildung entschieden, geben als Grund die "Entmutigung durch ihr soziales Umfeld" an. Und auch bei den gleichaltrigen Kollegen können junge Frauen nicht immer auf Unterstützung hoffen: Gut ein Fünftel der männlichen Azubis in technischen Berufen glaubt, dass Frauen das Verständnis, Geschick und die körperlichen Voraussetzungen dafür fehlten.
Das ist aber Unsinn, weiß man beispielsweise bei Siemens. Auch der Elektrokonzern bekommt alljährlich die Zurückhaltung des weiblichen Nachwuchses zu spüren, wenn es um Berufe wie Mechatroniker oder Elektroniker geht. Gut 1900 junge Leute haben bei Siemens in diesem Jahr eine Ausbildung begonnen, der Frauenanteil lag bei knapp 21 Prozent und in technischen Berufen wiederum bei 12,7 Prozent.
Zu wenig Frauen in technischen Berufen
In den vergangenen fünf Jahren sei es zwar in kleinen Schritten aufwärts gegangen, von selbst kämen die jungen Frauen aber nicht, sagt ein Unternehmenssprecher. "Da muss man immer am Ball bleiben." Als Botschafterinnen sendet der Konzern beispielsweise junge Frauen an Schulen, die ein duales Studium bei Siemens absolvieren und bei Schülerinnen die Begeisterung für eine technische Ausbildung wecken sollen.
Andererseits wird auch Mädchen und Frauen, die schon das nötige Interesse und die Begabung mitbringen, der Weg nicht überall geebnet. Sabine Muschik etwa musste sich während ihrer bisherigen Laufbahn auch mit Vorurteilen auseinandersetzen - allerdings nicht im Elternhaus: "Ich habe das Glück gehabt, dass mich meine Eltern seit jeher unterstützt haben", sagt die promovierte Maschinenbau-Ingenieurin, die Frauen Mut machen will, dranzubleiben.
Schon in der Schule habe es teils an Förderung seitens der Lehrer gemangelt, und auch im Studium musste sie sich mit einer guten Portion Eigenmotivation durchbeißen, sagt die 34-Jährige. Den Altherrencharme des Werksmeisters etwa, der sie beim Grundpraktikum in Studienzeiten fragte, ob er "beim Borhmaschine-Halten helfen soll", empfand sie nicht gerade als hilfreich. "Ich hatte Kolleginnen, die wurden dadurch schon ganz schön verunsichert. Man ist aufgefallen und wurde zum Teil nicht ernstgenommen."
Mittlerweile passiert ihr das nicht mehr. Beim Maschinenbauer Trumpf arbeitet die Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes als Führungskraft im Entwicklungsbereich. Dabei kann sie auf ein Unternehmen bauen, das sie in ihrer Karriereplanung auch mit flexiblen Arbeitsmodellen unterstützt, und auf ihre Eltern, die bei der Kinderbetreuung helfen.
Anderen Frauen, die sich ebenfalls mit dem Gedanken tragen, einen technischen Beruf zu ergreifen, rät Muschik, mit sich selbst ein wenig Geduld zu haben und herauszufinden, was sie wirklich interessiert. "Man sollte Dinge mal ausprobieren, auch wenn andere abraten, und seinen eigenen Weg gehen."
Ausbildungsexperte Michael Assenmacher vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag sieht auch Ansatzpunkte bei Digitalisierung und demografischer Entwicklung. Weil die Schülerzahlen sinken und der Trend zum Studium anhält, müssen sich die Unternehmen künftig noch stärker auch um Mädchen und junge Frauen als Fach- und Führungskräfte von morgen bemühen, sagt er. Zugleich würden digitale Lösungen in immer mehr Lebensbereichen erfahrbar wie beim intelligenten und vernetzten Zuhause oder der Gebäudeautomatisierung. Dadurch dürfte auch die Anziehungskraft der Berufe steigen, erwartet der Experte. (dpa/rw)