Was die Rolle der IT angeht, ist Siemens fast einzigartig. Das liegt erstens an der Größe: Das Unternehmen beschäftigt über 400 000 Menschen. Zweitens reicht die Produktpalette vom Toaster bis zum Kernkraftwerk, deshalb muss der Konzern Berge von IT-Produkten und -lösungen einkaufen. Drittens verkauft man selbst Lösungen und Hardware.
Um diese Strukturen zu managen, hat sich der Riese eine beeindruckende und extrem teure IT-Landschaft zugelegt: 160 unterschiedliche SAP-Systeme, 62 Mailserver, mehr als 300 000 PCs. Investitions- und Betriebskosten: 4,12 Milliarden Euro im Jahr 2002, fünf Prozent vom Umsatz. 800 Millionen davon sollten bis Ende 2005 herausgekürzt werden.
420 Millionen habe man in 2003 bereits realisiert, gab Ex-CIO Fröschl jüngst in einem Interview mit der "Computerwoche" an. Ein zentrales Instrument war dabei die Bündelung des Einkaufs. In diesem Bereich zu sparen dürfte dem CIO leicht gefallen sein, schließlich war er bis vor zweieinhalb Jahren Chef des wichtigsten Dienstleisters und Lieferanten des Konzerns, der Tochterfirma Siemens Business Services (SBS).
Zweite Großbaustelle: SAP. Die Anzahl der Systeme war vor Fröschl auf 260 gestiegen, weil jedes der etwa 100 Geschäftsgebiete eigene Systeme betreiben durfte. Seit Fröschls Amtsantritt ist diese Zahl bereits auf etwa 160 gesunken. In Zukunft will man runter auf 60 Varianten; das sei das weltgrößte SAP-Konsolidierungsprogramm, heißt es bei Siemens.
Das dritte Sparthema heißt Standardisierung, die Abkehr vom Best-of-Breed-Gedanken. Bei der Software, so der Stand der Planung, will man sich auf SAP und Microsoft konzentrieren; Hardwarelieferanten der Zukunft: Fujitsu-Siemens, Dell und IBM.
Was Matthäus vorhat, darüber äußert sich Siemens nur verschwommen: Der Sparkurs bleibe in seinen Grundzügen erhalten - Nachfragen zwecklos.
Dass es keine Änderungen geben wird, darf allerdings bezweifelt werden. Helmuth Gümbel, Managing Partner und Siemens-Kenner beim Beratungsunternehmen Strategy Partners, hält vor allem die SAP-Pläne für sehr ehrgeizig: "Wenn es nur darum geht, unterschiedliche Systeme auf eine gemeinsame Hardwareplattform zu stellen, dann ist das unproblematisch. Aber eine echte inhaltliche Vereinheitlichung ist aufwändig und teuer, weil die Systeme extrem individualisiert sind." Gümbel vermutet, dass viele Abteilungen nur durch Zuschüsse aus der Zentrale zu diesem Schritt zu bewegen wären. Überhaupt sei die Umsetzung des Projekts schwierig, weil die Bereichs-CIOs (Gümbel: "mächtige Gaufürsten") mitreden wollten.
In der Tat zählt mittlerweile auch Siemens selbst die SAP-Konsolidierung - anders als Fröschl noch vor wenigen Wochen - nicht mehr zu den wichtigsten IT-Projekten (siehe "Auf einen Blick"). Das heißt aber nicht, dass der Sparkurs verlangsamt wird. Die Kosten sollen weiter runter, und das mit Hilfe von Maßnahmen, die unter dem Strich schnell Wirkung zeigen. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist, dass Siemens nichts über die aktuelle Anzahl seiner IT-Mitarbeiter mitteilen möchte. Und IT-Funktionen, die auch künftig keinesfalls per Outsourcing erledigt werden sollen, mag man auch nicht mehr nennen. Sollte es noch so etwas wie sichere Häfen in der Siemens-IT gegeben haben, dürfte es damit zu Ende sein.
Dass jetzt ein Revisor das Sagen hat, könnte sich indes als kluger Schachzug erweisen, spekuliert Gümbel: Wenn man wirklich etwas verändern wolle, sei Sachkenntnis im Grunde eher hinderlich. "Ein Revisor reduziert das Budget um fünf Prozent, und vom Rest versteht er nichts." Gümbel: "Das ist maximal herzlos." Das Risiko: Dieses Verfahren ist gleichzeitig minimal innovativ.