Manche Ideen sind so nahe liegend, dass man sich wundert, warum sie sich nicht schon längst durchgesetzt haben. Die Idee von Blade-PCs beispielsweise hab etwas Bestechendes: Statt jedem Mitarbeiter einen lauten, großen Rechner auf den Tisch zu stellen, verschwindet er vom Schreibtisch. Die Desktop-PCs sind zentral in Racks in kompakten Blades (englisch: Klinge, Blatt) ausgelagert.
Auf dem Tisch bleibt vom Rechner nur eine taschenbuchgroße Box übrig. Sie beinhaltet die Anschlüsse für Bildschirm, Tastatur und Maus. Mit dem eigentlichen PC ist der Anwender über ein Kabel verbunden. Der Endbenutzer arbeitet also immer noch an seinem persönlichen Rechner, nur steht er jetzt 50 Meter weiter entfernt. Der Vorteil für den User: Der Arbeitsplatz wird entschlackt, der Lärm entfällt. Das Unternehmen profitiert von vereinfachter Administration und geringeren Kosten - Forrester-Analysten bescheinigen den Blade-PCs "dramatische Auswirkungen für das Desktop-Management".
Blade-Pionier ist das texanische Unternehmen Clearcube, das die Mini-Rechner als bislang einziger Anbieter seit Anfang 2004 auch in Deutschland vertreibt. Zu den Kunden gehören die US Air Force, die Investmentbank Morgan Stanley und die American Automobile Association. HP bietet ebenfalls Blade-PCs an, allerdings nur für ausgewählte Kunden in den USA. In Deutschland ist laut HP mit einer Markteinführung frühestens Anfang nächsten Jahres zu rechnen.
HP vermarktet die Blades in USA als "Consolidated Client Infrastructure" (CCI) mit Transmetas Stromspar-CPU Efficeon. In den Clearcube-Blades kommen hingegen leistungsstärkere Standard-PC-Komponenten zum Einsatz wie Pentium-4-Prozessoren. Als User-Port wird standardmäßig der C/Port für CAT5-Netzwerkkabel eingesetzt, was eine direkte Verbindung mit dem Blade über eine Distanz bis zu 200 Metern ermöglicht. In puncto Auflösung und Geschwindigkeit stellt der Nutzer keinen Unterschied zu einem normalen PC fest.
Tools verwalten Blades automatisch
Jeweils acht dieser Blade-PCs lassen sich bei Clearcube in ein Chassis stecken, das in mehrfacher Ausfertigung im Rechenzentrum platziert wird. Mit Management-Tools verwalten Administratoren jeden einzelnen Blade aus der Ferne. Die Tools überwachen automatisch die Blades, führen Backups durch, übertragen Hardware-Images und schalten zwischen einzelnen Rechnern bei Ausfall eines Blades um. Fällt ein Rechner aus, schaltet ein Tool auf einen anderen um - die benutzerspezifischen Daten werden schon vorher auf freiem Festplattenplatz anderer Einschübe gespeichert.
Laut Clearcube garantieren die Blades eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent im Vergleich zu 96 Prozent von Einzel-PCs und eine Wiederinbetriebnahme aller Services innerhalb von zehn Minuten. "Möglich macht dies die Schaltertechnologie, die im System eingebaut ist", sagt Carsten Puls, Director of Strategic Development bei Clearcube. "Der Administrator schaltet im Problemfall ferngesteuert über die Verwaltungssoftware auf einen Ersatz-Blade um. Der Nutzer kann dann sofort weiterarbeiten."
Clearcube-Blades kosten mit 1500 Euro pro Arbeitsplatz, Rack-Chassis und Verwaltungssoftware inklusive etwas mehr als normale Desktops. Dafür fallen die Folgekosten deutlich geringer aus. Nach einer IDC-Studie für die US Air Force senkt die Clearcube-Blade-Lösung den Verwaltungsaufwand und die Kosten für PC-Umgebungen um mehr als 40 Prozent.
Den größten Nutzen von der Blade-Philosophie haben "enge Unternehmensumgebungen" mit vielen Mitarbeitern wie Call-Center, Handelsplätze, Schalterbereiche, Praxisräume, Produktionshallen oder Büros. Zudem sind Branchen wie die Fertigungsindustrie, in denen Rechner vor Dampf, Wasser, Chemikalien oder Schmutzpartikeln geschützt werden müssen, prädestiniert für den Einsatz von Blade-PCs. Nicht überall stößt die Blade-Philosophie allerdings auf Zustimmung. "Im Prinzip ist das herkömmliche Technologie mit einem Verlängerungskabel", sagt Carsten Müller, Produkt-Manager bei Sun Microsystems. "IT-Administratoren müssen zwar kaum mehr an den Arbeitsplatz, weil die Blades zentral betrieben werden. Aber bei 200 Arbeitsplätzen hat man immer noch 200 Blades, die zeit- und kostenaufwändig verwaltet werden müssen. Die Komplexität reduziert sich damit kaum."
Thin-Clients versus Blade-PCs
Mit der Ray-Thin-Client-Technologie verfolgt Sun die gleiche Grundidee, Arbeitsplätze von fetten PCs zu befreien. Nur ersetzen Thin-Clients hier den PC vollständig, die Anwendungen laufen zentral auf einem Server. Mehrere hundert Nutzer verwaltet Sun so auf einem Server. Der Vorteil für Müller: "Bei Thin-Clients entfällt die Verwaltung vieler PCs, da Applikationen und Daten auf Zentralrechnern im Rechenzentrum gehalten werden. Wenn man mehrere hundert Nutzer auf einem Server unterbringt, ist dies viel einfacher als eine Ansammlung von ein paar hundert PCs."
In eine ähnliche Kerbe schlägt Citrix mit den Windows-basierten Terminals. Citrix-Metaframes halten ebenfalls Applikationen und Daten auf Servern vor, im Gegensatz zu Sun allerdings nur 30 bis 40 User pro Server, sodass ganze Server-Farmen für den Betrieb notwendig sind. Blade-Propagandist Puls sieht in keinem dieser Thin-Client-Konzepte große Vorteile. "Bei serverzentrierten Ansätzen geht die Performance oft in die Knie", sagt er. "Wenn einer von 50 Endnutzern ein Excel-Spreadsheet mit viel Prozessorzeit laufen lässt, werden alle anderen ausgebremst. Bei Blade-PCs passiert das nicht, weil jeder seinen eigenen Rechner hat und die Performance damit besser ist."
Vor allem aber: Blades können uneingeschränkt jede PC-Software nutzen, Thin-Client-Server nicht. "Wir habe viele Krankenhäuser als Kunden, die 60 oder 70 Softwareprogramme einsetzen. Wenn nur eines dieser Programme nicht läuft, lassen sich Thin-Clients nicht verwenden."