Am 4. Juni fasste die Mehrheit des Wiener Gemeinderats den Beschluss, für 750 Computer in Kindergärten Lizenzen für Windows Vista Business, Office 2007 und WinNT 4.0 DSP Client System Builder aus dem Hause Microsoft zu kaufen. Kosten wird das laut dem Beschlussantrag, der CIO-Online vorliegt, rund 105.000 Euro. Unterschrieben ist der Antrag von Erwin Gillich, dem Leiter der für die Wiener Informationstechnologie zuständigen Magistratsabteilung 14 (MA 14). Einzig die Grünen stimmten gegen den Antrag. Die SPÖ hat im Gemeinderat die absolute Mehrheit, außerdem sitzen FPÖ und ÖVP in dem Stadtparlament.
Hintergrund der Entscheidung sind Probleme in den Kindergärten mit einem Sprachtestprogramm für die Kinder von Einwanderern. Auch mit dem Emulator Wine sei die Software auf den Linux-Rechnern nicht zum Laufen zu bringen gewesen, erklärt Gillich. Eine unter Linux und Firefox benutzbare Fassung des Programms soll es erst 2009 geben. Aus diesem Grund habe man sich jetzt für den "Einsatz günstiger Bildungslizenzen von Microsoft entschieden".
Die Lizenzen schließen das Recht zum Downgrade ein, wie Gillich erklärt. Auf den wieder auf Windows umzustellenden Rechnern werde dann mit XP gearbeitet. Die gesamte Wiener Stadtverwaltung setze Windows 2000 und XP ein, für einen Umstieg auf Vista besteht dem EDV-Chef zufolge "keine Notwendigkeit". Dass dennoch Vista-Lizenzen gekauft werden sollen, begründet er mit der damit verbundenen Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt ohne weitere Lizenzkosten doch noch auf Vista umzusatteln.
Die Linux-Installation auf den Kindergarten-PCs war der größte Einsatzbereich von Wienux. Von einem "schweren Rückschlag" für das Projekt spricht denn auch Marie Ringler, Technologiesprecherin der Wiener Grünen. Die Entscheidung zeige, "wie wenig wichtig der Stadt der Umstieg auf Linux ist". SPÖ-Gemeinderat Siegfried Lindenmayr betonte hingegen gegenüber ORF.at, Wienux sei "nicht weg vom Fenster". Die Stadt setze seit 20 Jahren Open Source Software ein und werde das auch weiterhin tun. Bei der jetzigen Entscheidung sei es allerdings nicht um eine "Ideologiefrage" gegangen sondern um den Einsatz der "besten pädagogischen Software".
Welche Strategie die Stadt Wien tatsächlich verfolgt, ist indes schwer auszumachen. In der jüngsten Debatte betonte SPÖ-Gemeinderätin Barbara Novak laut dem Branchendienst Heise, dass ihre Partei sich für Open Source einsetze. Die Grünen bezweifeln das. Von Seiten der Stadt gebe es "weder offensive Signale noch finanzielle Unterstützung zum Wechsel", kritisiert Marie Ringler.
Kein Linux-Zwang
Die Wahrheit könnte in der Mitte liegen. Die MA 14 ist Teil der Stadtverwaltung. Grundsätzlich befürwortet sie den Einsatz von Open Source Software und bietet diese den anderen Abteilungen an. Allerdings gleicht der Status der stadteigenen IT-Abteilung dem eines Dienstleisters auf dem freien Markt, wie Erwin Gillich erklärt. Sprich: Eine Strategie vorgeben oder die Abteilungen zum Linux-Einsatz zwingen kann sie von sich aus nicht.
Das wäre indes auch nicht im Sinne der Magistratsabteilung. Zum Start von Wienux 2005 sprach sie sich explizit gegen eine Zwangsmigration und für eine "sanfte Einführung" aus. Grundlage war die Studie "Open Source Software am Arbeitsplatz im Magistrat Wien", die die MA 14 zuvor durchgeführt hatte. Tenor: Linux und Open Office sollten angeboten werden, die Entscheidung über den Einsatz sollten aber jeweils die einzelnen Abteilungen fällen.
Vergebliches Hoffen
Diese laut der Studie "kooperative Form" der Produkteinführung ließ die Autoren auf eine hohe Akzeptanz bei den Nutzern hoffen. Vor allem "hoch motivierte und qualifizierte" Mitarbeiter würden die Open Source Software einsetzen, was auch den Aufwand für Schulungen gering halte.
Gering war aber offenbar vor allem der Wille zum Umstieg. Die Grünen verweisen auf Zahlen, wonach nur 1.000 Rechner der Wiener Verwaltung unter Wienux laufen, Open Office sei immerhin auf 15.000 der insgesamt 32.000 Rechner installiert. Nach der Rück-Migration der Kindergarten-Computer auf Windows werden demnach nur noch die Terminals in den Bibliotheken mit Wienux arbeiten.
Als einen Grund für die zögerliche Annahme sehen die Wienux-Fürsprecher den geringen Kostenanreiz. Die MA 14 verrechnet ihre Leistungen mit ihren Kunden innerhalb der Verwaltung. Werde ein neues System mit Open Office für einen Arbeitsplatz angeschafft, koste das nur 62 Euro weniger als bei der Ausstattungsvariante mit Microsoft Office. Das sei bei Gesamtkosten von 1.500 Euro nur ein "Marginalbetrag", meint Marie Ringler. Ohne deutliche Anreize tue sich die MA 14 schwer, den Umstieg stärker voranzutreiben, heißt es von den Grünen.
Strategische Aspekte einbeziehen
Im Sommer sollen die Ergebnisse einer neuen Studie zum Einsatz von Open Source Software in Wien vorliegen. Die so genannte "StOSS2" soll den Stand der Migration zusammenfassen und Strategien für das weitere Vorgehen vorschlagen.
Wie ein solcher Ansatz aussehen könnte, umreißt Erwin Gillich: Möglicherweise müsse man in die Wirtschaftlichkeitsrechnung für die Vollausstattung aller Arbeitsplätze mit Open Source-Produkten auch "strategische Aspekte" einbeziehen. Beispielhaft nennt er die Unabhängigkeit von einzelnen Herstellern oder den Verbleib von Wertschöpfung in der Region Wien bei damit verbundenen Aufträgen an ortsansässige Firmen.
Gebremste Weiterentwicklung
Derzeit entwickelt die MA 14 das Wiener Linux-Projekt vorerst weiter, wenn auch "schaumgebremst", wie Erwin Gillich es formuliert. Auf Basis der aktuellen Ubuntu-Version 8.04 werde es auf jeden Fall noch eine weitere Wienux-Version geben. Eine Entscheidung über die weitere Zukunft wird für Ende des Jahres erwartet. Denn dann müsse man sich langsam Gedanken über die derzeit unter Windows 2000 laufenden Rechner machen, sagt Gillich. 2010 wird voraussichtlich die Unterstützung für Windows 2000 auslaufen.