Bis vor kurzem hatte Runners Point keine eigene IT. Der Recklinghausener Sportartikelhändler betrieb als Teil des Kaufhauses Karstadt-Quelle keine eigenen Systeme, sondern verließ sich auf den konzerneigenen Dienstleister – erst auf Itellium und später auf Atos Origin. Im August 2005 übernahm der Investor Hannover Finanz 75 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Und schnell war klar, dass kein externer Dienstleister die IT-Geschäfte weiter betreuen soll. Denn die Software von Karstadt-Quelle ist auf große Kaufhäuser zugeschnitten.
Die neu gewonnene Freiheit nutzte Runners Point, um die IT-Landschaft komplett nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Der Händler verzichtete auf eine Komplettlösung etwa von SAP, um alle Produkte aus einer Hand zu bekommen. Stattdessen sah man sich nach Speziallösungen für die einzelnen Bereiche um. Die Abteilungen wie Einkauf, Logistik oder Buchhaltung bildeten ab November 2005 acht Teilprojekte, die sich nach passenden Softwarelösungen umsahen. Die Entscheidung für das Warenwirtschaftssystem hatte Thomas Brokop, Leiter Organisation und IT bei Runners Point, schon vorher getroffen und sich auf eine Software von Futura festgelegt. Entsprechend mussten sich die Projekte an die Maßgabe einer möglichen Schnittstelle zu diesem System halten.
Da die IT den Bereichen die Auswahl der passenden Software überließ, übernahmen die Abteilungen einen Teil der Verantwortung für die Entscheidung. Brokop: „Durch die Einbindung ist die Motivation viel stärker.“ Den Abteilungen diesen Freiraum zu gewähren zog einen hohen Kommunikationsbedarf nach sich. Auf wöchentlichen Treffen wurden die Anforderungen koordiniert. „Das schwierigste war, mit den Dienstleistern eine Sprache zu finden. Nach 22 Jahren Arbeit mit den Systemen von Karstadt hatten wir bestimmte Begrifflichkeiten. Das Wort ‚Bestellposition‘ etwa gab es in den neuen Systemen nicht mehr“, so Brokop.
Nachdem die Abteilungen begonnen hatten, sich nach geeigneter Software umzusehen, fiel die Entscheidung für das Lagerverwaltungssystem, die Buchhaltung oder die Personaleinsatzplanung. Im Mai 2006 begann Runners Point mit der Umsetzung der Pläne und fasste das erste Wochenende im September für die Umstellung ins Auge. Das abrupte Umschalten von der ererbten Karstadt-IT auf die neue Umgebung zog Runners Point einer längeren Phase der sukzessiven Umstellung vor. „Der Aufwand dafür wäre zu hoch gewesen“, erklärt Brokop, „wir hätten für die neue Software erst noch Schnittstellen zum alten System schaffen müssen.“
Bereits einen Tag nach dem Big Bang funktionierten nach Brokops Angaben die Kassen in allen Filialen, und die 935 Mitarbeiter des Unternehmens konnten für ihre Arbeit die neue Infrastruktur nutzen. Man habe aus dem Stand zu 95 Prozent die gleiche Qualität der Leistungen wie zuvor erreicht, sagt Brokop. Doch räumt er ein: „Man kann nicht an alles denken.“ Das zeige sich bei Mitarbeitern, die trotz Schulung verschiedene Wege ausprobieren, mit der Software umzugehen. Doch zeigt sich der IT-Leiter hochzufrieden mit dem Projekt. Er bedauert nur, dass den vielen im Verlauf des Projekts von den Mitarbeitern beigesteuerten Ideen nicht systematisch nachgegangen werden konnte.
Flexibel mit kleinem IT-Team
Trotz des IT-Neubaus arbeitet Brokop nach wie vor mit nur drei Mitarbeitern. Das gelingt, weil der Gerätepark klein gehalten wird: Zu betreuen sind Arbeitsplätze in der Zentrale und im Lager sowie die Kundenberatungssysteme in den Filialen. Der Bereich Kassenbetreuung wurde ausgelagert. Runners Point betreibt keine eigenen Server, sondern kauft stattdessen Rechenzeit bei einem Rechenzentrumsbetreiber ein. Dadurch verfügen die Filialen über eine geringe Fläche und ein kleines Lager. Das neue System kennt den Sollbestand der Produkte und berücksichtigt saisonale Schwankungen. Über die Verkaufsdaten können Filialen ihren Bestand wieder auffüllen. Zudem hilft die Software, den Überblick zu bewahren. „Wenn sich Schuhe in Berlin verkaufen, aber nicht in Köln, können wir nun schneller reagieren“, so Brokop. Durch die gezieltere Verteilung der Ware wird sie besser verkauft, und Preisreduzierungen werden seltener nötig.
Schon in diesem Jahr sollen Bon-Analysen darüber Aufschluss geben, was Kunden bevorzugt zusammen kaufen. Diese Erkenntnisse machen spezielle Angebote oder Verkaufsaktionen möglich. Zudem soll das System in Zukunft auch eine bessere Planung des Personaleinsatzes erlauben, da aus den Verkaufsdaten auch die Stoßzeiten in den jeweiligen Filialen hervorgehen.
1,5 Millionen Euro für die neue IT
Für das gesamte Projekt hatte Runners Point 1,5 Millionen Euro veranschlagt. Diesen Rahmen hat das Unternehmen eingehalten. Für die komplette Umstellung der IT sei das ein „mittelstandstauglicher Preis“, meint Brokop. Überhaupt sieht sich Runners Point nun als Mittelstandsunternehmen und hat auch bei der Auswahl der Anbieter darauf geachtet, sich Partner auf Augenhöhe zu suchen. Die Rechnung sei aufgegangen. „Die großen Konzerne arbeiten zu langsam. Selbst wenn ich den richtigen Ansprechpartner für mein Problem kenne, darf der noch lange nicht entscheiden“, moniert Brokop die bürokratischen Entscheidungswege. Dagegen gewährten die mittelständischen Dienstleister auch nach Abschluss des Projekts unkomplizierte und schnelle Unterstützung.