Als IT-Manager könnte es Ihnen in den letzten Tagen passiert sein, dass Sie von Fachfremden weniger respektvoll behandelt wurden, als Sie es zuvor gewohnt waren. Vielleicht sind Sie sogar als „Geldvernichter“ oder etwas ähnlich Unfreundliches angefrotzelt worden. Und möglicherweise haben Sie keinen Schimmer, warum das so ist.
Hier die Aufklärung: Das amerikanische McKinsey Global Institute (MGI) hat jüngst in seiner Untersuchung „The U. S. Productivity Miracle“ veritable Anstrengungen unternommen, die Informationstechnik vom Sockel zu stoßen.
Entgegen verbreiteter Annahmen, heißt es in der Studie, sei die IT nicht der wichtigste Faktor des steilen Anstiegs der Produktivität gewesen, der die US-Wirtschaft zwischen 1995 und 2000 auszeichnete.
In dieser Periode war in den USA der Zuwachs der Arbeitsproduktivität von jährlich 1,4 Prozent auf 2,5 Prozent hochgeschnellt. Ein erstaunlicher Wert, der nach einer einleuchtenden Erklärung verlangte. Die bot sich an in Form der statistischen Tatsache, dass die IT-Investitionen in den letzten fünf Jahren des alten Jahrtausends um durchschnittlich 17 Prozent pro Kalenderjahr gestiegen waren. Zum Vergleich: Davor hatten sich die US-Unternehmen mit jährlichen IT-Mehrausgaben von neun Prozent beschieden.
Der vielfach gezogene Schluss aus der Parallelität der beiden Aufwärtsentwicklungen: Mehr IT-Dollars führen automatisch zu mehr Arbeitsproduktivität.
Das war ein Kurzschluss, wie die neue MGI-Untersuchung, die auf Befragungen zwischen September 2000 und September 2001 beruht, nun nahelegt: Demnach waren technische Innovationen generell – nicht nur in der Informationstechnik und ihren Anwendungen –, verschärfter Wettbewerb und, in begrenztem Ausmaß, auch zyklische Nachfragespitzen, die Faktoren, welche die Produktivität am kräftigsten wachsen ließen.
Befragt wurden zwar US-Unternehmen, aber die Ergebnisse dürften und sollten auch diesseits des Atlantiks aufmerksam wahrgenommen werden. Heißt es doch in der MGI-Studie unter anderem, dass die erfolgreichsten IT-Anwendungen vertikaler, also industriespezifischer Natur waren. Im Klartext: Nur IT-Projekte, die direkt in die Kernprozesse eines Unternehmens eingreifen und sie verbessern, schlagen sich auch unter dem Strich nieder. Unterstützende Aktivitäten verpuffen.
MGI hat sich der Mühe unterzogen zu untersuchen, welche Branchen für den durchschnittlichen Produktivitätsschub der US-Wirtschaft zwischen 1995 und 2000 verantwortlich waren. Das Ergebnis: Es waren sechs Industriesektoren – Einzel- und Großhandel, Sicherheitsdienstleistungen, Telekommunikation, Halbleiter und Computerherstellung – und damit 30 Prozent der Unternehmen, die für nahezu die gesamte Steigerung sorgten.
In anderen Bereichen nahm die Produktivität langsamer zu als vor 1995, darunter in der Hotellerie, bei den Anbietern von Weitverkehrs-Kommunikation und im Privatkunden-Banking. Und ausgerechnet diese drei Sektoren zeichneten sich durch besonders hohe Investitionen in Informationstechnik aus: Die Kundenbanken schafften durchschnittlich zwei PCs pro Mitarbeiter an – die teilweise überhaupt nicht genutzt werden. Die Telekom-Netzbetreiber steckten gewaltige Summen in den Ausbau metropolitaner und überregionaler Netze. Die werden aber gegenwärtig nur zu kleinen Teilen ausgelastet, und daran wird sich, nimmt MGI an, auch in den kommenden Jahren nichts ändern.
Es erscheint nur auf den ersten Blick paradox zu sagen, dass CIOs sich über die Ergebnisse der MGI-Studie freuen sollten. Tatsächlich bestätigt sie diejenigen unter den IT-Verantwortlichen, die über die Grenzen ihrer Abteilung hinaus schauen, betriebswirtschaftlich denken und den Return on Investment ihrer Projekte immer im Auge haben. Für sie ist es eine gute Nachricht, wenn öffentlich Abschied genommen wird von der Annahme, es gebe einen Automatismus, der IT-Investitionen in Produktivitätssteigerungen ummünzt.
Und wenn die IT durch die Studie von irgendeinem Sockel gestürzt wird, macht das nichts. Denn dort hat sie ohnehin nichts zu suchen. Sie gehört mitten ins Business. Dieses Fazit darf jeder CIO aus der McKinsey-Studie ziehen.