Es sind herausfordernde Zeiten für viele Unternehmen. Die grassierende Inflation lässt die Kosten explodieren, und das Gespenst einer drohenden Rezession sorgt auch nicht gerade für Entspannung in den Chefetagen. Das erhöht den Druck auf die Budgets. IT-Investitionen werden hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Aufwands genau unter die Lupe genommen.
Eine schwierige Situation für IT-Verantwortliche, von denen viele noch die Umstellung auf SAPs neue Produktgeneration S/4HANA vor der Brust haben - Projekte, die oft Jahre dauern, einiges an Aufwand mit sich bringen und unterm Strich viel Geld kosten. Umso wichtiger ist es zu wissen, was Unternehmen von SAP zu erwarten haben. Hier einige Trends für das laufende Jahr:
1. SAP wird den ECC-Support unwiderruflich auslaufen lassen
Auch wenn viele Kunden insgeheim auf eine Wartungsverlängerung hoffen, ist davon auszugehen, dass SAP den Support für die Kernanwendungen rund um die Business Suite nicht über das Jahr 2027 hinaus ausdehnen wird. Der Softwarekonzern hat die Frist bereits einmal verlängert - im Jahr 2020 wurde die Supportzusage von 2025 bis Ende 2027 ausgeweitet.
Es könnte allerdings sein, dass SAP alternative Support-Optionen über die Extended Maintenance hinaus anbieten wird. Diese Option dürfte sich der Anbieter dann aber gut bezahlen lassen. Für zusätzliche zwei Prozentpunkte auf die bestehende Wartungsbasis könnte ein kundenspezifischer Support noch bis 2030 offeriert werden.
Viele Anwender tun sich immer noch schwer damit, einen Business Case für das Upgrade auf S/4HANA zu rechnen. Auch der Vorwurf, SAP habe seine Kunden dabei nicht ausreichend unterstützt, steht weiter im Raum. Das Argument, das Softwarehaus habe seinen Anwendern nicht genug Gelegenheit gegeben, ein Upgrade zu planen und umzusetzen oder die finanziellen Auswirkungen einer Verzögerung des Umstiegs auf S/4HANA richtig einzuschätzen, sticht jedoch nicht. SAP hatte sein neues Release Anfang 2015 vorgestellt - das ist jetzt acht Jahre her.
50 Jahre SAP: Der Softwarekonzern steht am Scheideweg
Jede Verlängerung der Wartungsfristen würde den strategischen Zielen des Konzerns zuwiderlaufen. Auch wenn das Management in Walldorf nicht müde wird zu beteuern, man werde niemanden zurücklassen, schwang zuletzt doch das eine oder andere Mal eine gewisse Ungeduld in der Kundenansprache mit. Deshalb: Die SAP-Kunden müssen die Support-Frist als endgültig betrachten und jetzt mit ihren Planungen und Projekten in Gang kommen, wenn sie es nicht schon getan haben.
2. SAP wird ihr RISE-Programm offensiver positionieren
Die Agenda der SAP geht längst über die Migration von SAP-ECC-Kunden auf S/4HANA hinaus. Die Cloud ist das Ziel. SAP möchte seine Software generell im Abo verkaufen. Wie anderen Softwarehäusern auch geht es SAP darum, den Anteil der vorhersagbaren und wiederkehrenden Umsätze zu erhöhen. 2022 lag dieser bei 79 Prozent, vier Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Bis 2025 soll dieser planbare Umsatzposten auf einen Anteil von 85 Prozent an den Gesamterlösen anwachsen. Für SAP ist es wichtig, hier voranzukommen. Schließlich bildet diese Kennzahl einen wichtigen Faktor für die Gesamtbewertung des Unternehmens.
Rise with SAP - so rechnen Sie den Business Case
Dabei helfen soll das RISE-Programm, das SAP vor etwa zwei Jahren vorgestellt hatte. Der Softwarekonzern will Anwendern mit einem integrierten Paket aus Software, Cloud-Infrastruktur von Partnern wie AWS, Google und Microsoft sowie Migrationsservices den Weg in die Cloud ebnen. RISE bildet den Eckpfeiler von SAPs langfristigen Cloud-Plänen. Dabei steht viel auf dem Spiel. Die Kunden sollten sich darauf einstellen, dass die Verhandlungstaktiken von SAP in Zukunft noch stärker auf das RISE-Programm zugeschnitten sein werden. Zu erwarten sind
ein hochgradig koordinierter Ansatz für die Adaption von RISE im gesamten Partnernetzwerk, einschließlich Systemintegratoren (SI) und Hyperscaler-Partnern,
eine langfristige Vision hinsichtlich Produktentwicklung und Innovation mit Fokus auf RISE und nicht auf dem klassischen S/4HANA On-Premises,
Einflussnahme bei Kunden auf Führungsebene, um potenzielle Mängel von RISE, die von Evaluierungsteams auf Kundenseite festgestellt wurden, beiseitezuschieben und
Angebote mit deutlich ungünstigeren Preisen und Geschäftsbedingungen für S/4HANA On-Premises-Lizenzvereinbarungen.
Kunden sollten sich also auf einen höheren Druck einstellen, mit dem SAP RISE in den Markt drängen wird. Daher ist es ratsam, die eigene Organisation bis hin zum Top-Management proaktiv auf diese Taktik einzustellen. Kunden sollten außerdem ihre bestehenden SAP-Verträge genau prüfen, bevor sie in dieser Situation weitere On-Premises-Lizenzen kaufen.
3. Kunden verstehen RISE nicht richtig
Die SAP-Klientel tut sich oft schwer damit, das RISE-Angebot richtig einzuordnen und zu bewerten. Wichtig dabei: Die Offerte gleicht eher einem Managed-Services-Angebot als einer reinen SaaS-Lösung. Außerdem besteht die Gefahr, dass Unternehmen in Bezug auf RISE die Komplexität und die Auswirkungen auf ihre bestehenden Abläufe und Partnerbeziehungen falsch einschätzen.
Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass SAP in erster Linie Software verkaufen will, nicht Managed Services. Kunden kann es deshalb passieren, dass die Walldorfer diesem Thema ausweichen oder versuchen, mehr Software und Services anzudienen als eigentlich notwendig wäre. Die meisten SAP-Kunden pflegen Supportbeziehungen zu Drittanbietern, entweder in Form von herkömmlichem Infrastruktur-Support für das eigene Rechenzentrum, Cloud Managed Services und/oder Anwendungswartung und -support. Bei der Betrachtung von RISE sollten die Anwender genau prüfen, wie sich das SAP-Programm auf die Beziehungen zu diesen Serviceanbietern auswirkt.
Studie SAP S/4HANA 2022: Mit RISE with SAP den Transformationsturbo zünden
Das gilt auch für den gewählten Cloud-Mix: SAP bietet Kunden im Rahmen von RISE Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Hyperscalers, bei dem S/4HANA laufen soll. Viele Unternehmen pflegen allerdings schon vielfältige Geschäftsbeziehungen zu diversen Cloud-Providern. Das Schwergewicht RISE könnte die bisherigen Vereinbarungen durcheinanderwirbeln und ungünstigere Konditionen zur Folge haben.
4. SAP wird mittelständische Unternehmen ins Visier nehmen
Es ist davon auszugehen, dass SAP erhebliche Anstrengungen auf sich nehmen wird, um mehr mittelständische Betriebe als Kunden zu gewinnen. Diese Klientel tendiert eher dazu, eine einzelne, vertikal integrierte Lösung wie RISE zu nutzen. Im Gegensatz zu den meisten Großunternehmen sind Mittelständler flink und schnell in ihren Entscheidungsprozessen. Sie suchen eher nach einem einzigen Partner ihres Vertrauens als eine Multi-Vendor-Strategie zu verfolgen. Diese Betriebe sind auch in der Lage, RISE schneller zu implementieren als Konzernkunden. Für SAP bringt das neue Chancen. Doch bevor sich Mittelständler auf ein Cloud-Abenteuer mit SAP einlassen, sollten sie sich fragen:
2015 Appell von Hasso Plattner: Warum S/4HANA das bessere ERP ist
Lässt sich mit der SAP-Software ein Geschäftsmodell umsetzen, das es dem eigenen Unternehmen erlaubt, zu finanziell vernünftigen Bedingungen zu skalieren?
Bietet SAP Implementierungspartner, die in der Lage sind, das Projekt erfolgreich zu stemmen?
Haben SAP und seine Implementierungspartner eine realistische Vorstellung von Umfang, Ansatz und Erfolgsvoraussetzungen des Programms?
5. Beratungsunternehmen werden in "Phase 0"-Initiativen investieren
Beratungs- und Implementierungsspezialisten dürften sich auch in diesem Jahr immer noch mit sogenannten Phase-0-Initiativen aufhalten - auch um dann das weitere Wachstum für 2024 und darüber hinaus anzukurbeln. Phase 0 bedeutet, sie arbeiten mit ihren Kunden noch daran, die Grundvoraussetzungen für ein SAP-Projekt erst einmal zu definieren und die Weichen zu stellen.
Für Unternehmen, die noch nicht in der Migration von SAP ECC auf S/4HANA stecken und diese Reise auch nicht vor Ende 2023 oder Anfang 2024 antreten wollen, ist das keine schlechte Nachricht. Allerdings sollten sie die Phase-0-Initiativen im Auge haben und sich mit den Risiken beschäftigen. Folgende Fragen sollten sie sich stellen:
Ist das Beratungsunternehmen der Phase 0 auch ein wahrscheinlicher Kandidat für die Implementierungsphase? Wenn ja, ist es sinnvoll, das Unternehmen alleine zu beauftragen? Lässt der Zeitplan ein aufwändigeres Request-for-Proposal- (RFP-)Verfahren zu? Besteht die Gefahr, die eigene Verhandlungsposition zu schwächen, wenn man sich auf eine Single-Source-Situation einlässt?
Was ist der Umfang der Phase 0? Orientiert sie sich ausschließlich an der Methodik des Beratungsunternehmens oder berücksichtigt sie individuelle Anforderungen, die erst genehmigt werden müssen, um mit der nächsten Phase des Projekts fortfahren zu können?
Braucht es eine unabhängige Überprüfung und Validierung des Business Case und der Strategie? Wenn ja, wie gelingt es, eine solche unabhängige Perspektive zu erhalten?
Beinhaltet Phase 0 die Entwicklung einer integrierten Beschaffungsstrategie, die die Bewertung, Auswahl und Verhandlung mehrerer Arbeitsabläufe ermöglicht - einschließlich SAP-Software, Implementierungsservices, Hyperscaler-Services, Cloud Managed Services sowie Anwendungswartung und -support?
Ein Rat: Bevor Sie sich mit einem Berater und/oder SAP auf eine Phase-0-Initiative einlassen, sollten sie Ihren Entscheidungsprozess und ihre Anforderungen genau durchdenken, anstatt sich vorschnell auf die von einem Partner vorgeschlagenen Ansätze und Strategien zu verlassen - nur weil es einfacher scheint.
6. SAP-Kunden werden in die Cloud gehen
Es ist davon auszugehen, dass die Wechselbereitschaft von SAP-Kunden in die Cloud, egal ob sie bei SAP ECC bleiben oder eine Migration auf SAP S/4HANA planen, weiter zunehmen wird. Einige Unternehmen werden einen solchen Wechsel proaktiv abgehen, andere dürften dazu gezwungen werden, weil sich etwa die Strategie ihrer Managed-Services-Anbieter ändert. Dazu kommt, dass Cloud-Initiativen weit über den SAP-Horizont hinausreichen. Das betrifft andere Anwendungs-Workloads und Nicht-SAP-Transformationsinitiativen mit AWS, Google oder Microsoft. Wenn Unternehmen SAP im Rahmen ihrer übergeordneten Cloud-Strategie betrachten, sollten sie Folgendes bedenken:
S/4HANA in der Cloud: SAP lockt – die Anwender zögern
Bewerten Sie SAP RISE immer vor dem Hintergrund Ihrer bestehenden Hyperscaler-Beziehungen und sonstiger Cloud-Managed-Services. Nur so können Sie Ihre Vertragskonditionen verbessern.
Machen Sie eine Bestandsaufnahme der bestehenden Anwendungs- und Cloud-Migrationspläne sowie Ihrer zukünftigen Wachstumsaussichten. Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen ihre veranschlagten Investitionen schon sehr früh während ihrer Vertragslaufzeit aufbrauchen.
Bewerten Sie die bestehenden Hyperscaler-Vereinbarungen, einschließlich der geplanten Investitionen und gebotenen Anreize, um festzustellen, ob diese wettbewerbsfähig sind und wirtschaftlich skaliert werden können, um zukünftiges Wachstum zu berücksichtigen.
7. Kunden werden ihre Managed-Services-Beziehungen neu justieren
In Verbindung mit der Cloud-Migration werden viele Unternehmen ihre Betriebsmodelle und bestehenden Managed-Services-Beziehungen grundsätzlich hinterfragen. Der Druck, die Kosten zu senken und den Betrieb effizienter zu machen, wird anhalten, vielleicht sogar größer werden. Um den zukünftigen Zustand des Unternehmens neu zu definieren, müssen sich Betriebe folgende Fragen stellen und beantworten:
Wäre es effizienter, intern ein Cloud Center of Excellence (CCoE) aufzubauen oder mit einem Managed-Services-Modell fortzufahren?
Sollten wir mit dem etablierten On-Premises-Managed-Service-Anbieter weitermachen oder einen neuen Cloud-Managed-Service-Anbieter auswählen?
Sollten wir den derzeit beschäftigten Systemintegrator zusammen mit SAP nutzen, um eine umfassende Managed-Services-Lösung, wie zum Beispiel das SOAR-Angebot von Accenture, bereitzustellen? Oder wäre ein Multi-Vendor-Ansatz die bessere Idee?
Sind der S/4HANA-Systemintegrator oder der bestehenden Anbieter von SAP ECC Application Management Services (AMS) in der Lage, auf Dauer die Anwendungswartung und -unterstützung zu übernehmen?
Auch wenn SAP für die Gesamtstrategie großer Unternehmen eine wichtige Rolle spielt, haben viele Betriebe zusätzliche Managed-Services-Beziehungen, die weit über die Grenzen von SAP hinausgehen. Diese neu zu verhandeln und dabei auch in Betracht zu ziehen, bestehende Verträge zu beenden, müssen Teil eines strategischen Beschaffungsplans sein. (ba)
(Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com)