"Ungeachtet der in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen um Themen wie Cloud Computing oder Mobility ist die Investitionsbereitschaft von SAP-Kunden in ERP nach wie vor am größten", kommentierte Karl Liebstückel, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), die Ergebnisse der mittlerweile 9. Investitionsumfrage unter den Mitgliedern der User Group. Der in Würzburg Wirtschaftsinformatik lehrende Professor wertet dieses Ergebnis als Zeichen, dass ERP auch in Zukunft "den Mittelpunkt integrierter Systemlandschaften" bilden wird.
IT-Budgets wachsen langsamer
Insgesamt sollen die IT-Budgets der in der DSAG organisierten SAP-Anwenderunternehmen 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 Prozent steigen, so die Ende vergangenen Jahres vorgenommene Umfrage, an der sich 323 CIOs und IT-Verantwortliche beteiligt hatten. Damit gehen die IT-Chefs das neue Jahr deutlich vorsichtiger an. Zwölf Monate zuvor hatte die Wachstumsprognose für 2011 noch stolze sechs Prozent betragen. Gut jeder dritte SAP-Kunde will in den kommenden Monaten mehr Geld in sein Softwareportfolio stecken. Die Budgets sollen laut DSAG in diesem Bereich um 30 Prozent steigen.
Im Fokus der Investitionsvorhaben stehen SAP ERP (62 Prozent) sowie die Netweaver-Plattform (38 Prozent). Dabei dominieren bei den ERP-Lösungen die Bereiche Logistik (41 Prozent) und Rechnungswesen (27 Prozent). Im Netweaver-Umfeld stecken die Anwender ihr Geld vornehmlich in das Business Warehouse (19 Prozent) und das Portal (zehn Prozent). Die Neuinvestitionen fließen Liebstückel zufolge in zusätzliche Lizenzen und Services. Den Firmen gehe es darum, SAP-Lösungen weiter in die Fläche zu bekommen. Behauptungen, der deutsche Markt sei gesättigt, will der DSAG-Vorstand nicht gelten lassen: "Das Geschäft in Deutschland ist längst nicht abgeschöpft."
Wachstum wie zu R/3-Zeiten
Das sieht auch Michael Kleinemeier so, verantwortlich für die SAP-Geschäfte in der DACH-Region. Der Manager berichtete von Wachstumsraten, wie er sie zuletzt zu Anfangszeiten von R/3 beobachtet habe. Das gelte für sämtliche Industrien. Besonders hob Kleinemeier die Branchen Automotive, diskrete Fertigung, den Handel und den Finanzsektor hervor.
Während das ERP-Geschäft nach Angaben aller Beteiligten zu laufen scheint, muss sich der größte deutsche Softwarehersteller mit seinen neuen Themen in Geduld üben. Die Anwender planen für Techniken rund um Virtualisierung und Mobility durchaus Budgets ein. Für In-Memory-Computing, wie es SAP beispielsweise in seiner Business-Intelligence-Appliance HANA einsetzt, und für Lösungen aus der Cloud soll jedoch vorerst kein Geld ausgegeben werden, berichtete Liebstückel unter Berufung auf die aktuelle Umfrage.
SAP muss Nutzen erklären
Kleinemeier räumte ein, dass SAP an dieser Stelle noch Aufklärungsarbeit zu leisten habe. Es sei die Aufgabe des Herstellers, zu zeigen, was mit der neuen Technik möglich sei. Derzeit wüssten viele Kunden schlichtweg nicht, was sie mit HANA anfangen könnten: "Die Produktkategorie ist noch zu neu." Dennoch gab sich der SAP-Manager zuversichtlich. Im vergangenen Jahr habe SAP mit HANA bereits 160 Millionen Euro umsetzen können. Kundenzahlen will der Konzern indes nicht verraten. Bis Mai 2012 will Kleinemeier für die DACH-Region jedoch eine "gut zweistellige Kundenzahl" für HANA vorweisen.
Auch in Sachen Cloud Computing sieht der SAP-Mann keinesfalls schwarz. SAP habe im vergangenen Jahr rund tausend neue Mittelstandskunden gewinnen können. Ein erheblicher Anteil davon gehe auf das Konto des ERP-Komplettpakets Business ByDesign (ByD). Die DSAG-Umfrage führe hier möglicherweise zu keinem klaren Ergebnis. Gerade im Cloud-Umfeld dürfe man nicht übersehen, dass sich die Entscheidungswege in den Unternehmen veränderten, warnte der SAP-Manager. Cloud-Entscheidungen liefen oft am CIO vorbei und würden teilweise ohne Rücksprache mit der IT von den Verantwortlichen in den Fachabteilungen getroffen. "Die Rolle des CIO ändert sich", sagte der SAP-Manager.
HANA ist Anwendern zu teuer
Grundsätzlich habe SAP noch Arbeit vor sich, um Themen wie HANA im Markt zu platzieren, mahnte Anwendervertreter Liebstückel. Er verwies auf die hohen Investitionskosten, die für viele SAP-Anwender einen Einstieg in die neue Technik uninteressant machten. Um dieses Manko gerade für mittelständische Kunden auszuräumen, schlägt Liebstückel Starterpakete für HANA vor, wie es sie beispielsweise im BusinessObjects-Portfolio gibt. SAP-Manager Kleinemeier wollte auf diesen DSAG-Vorschlag jedoch nicht eingehen und verwies stattdessen darauf, dass es für SAP vorrangig darum gehen müsse, den Nutzen von HANA für die Anwenderunternehmen herauszuarbeiten.
Grundsätzlich scheint sich das Verhältnis zwischen den Anwendern und SAP entspannt zu haben. Der Streit um die willkürliche Anhebung der Wartungskosten, die vor einigen Jahren viele Anwender auf die Barrikaden gebracht hatte, sei ausgeräumt, beteuerte Liebstückel. Mittlerweile habe man einen guten Weg gefunden, miteinander umzugehen. Der DSAG-Vertreter verwies auf regelmäßige Klausurtagungen, bei denen es nicht um technische Inhalte gehe, sondern allein darum, wie die Zusammenarbeit funktioniert. Das scheint Früchte zu tragen. Liebstückel betonte, dass gerade kleine Probleme, die Anwender im täglichen SAP-Betrieb massiv gestört hätten, nun wesentlich schneller als früher abgestellt würden. Entsprechende Lösungen würden die SAP-Entwickler gemeinsam mit der DSAG bauen und zügig als Release Note unter die Anwender bringen.
Auch Kleinemeier sieht die Vorteile der engeren Kooperation. SAP sei mit seinen Entwicklungen nun näher am Kunden. Der SAP-Manager stellte in Aussicht, die laufenden Initiativen fortzusetzen und in Teilen auszubauen. Beispielsweise würde der Softwarehersteller gerne stärker gemeinsam mit den deutschen Usern an Anwendungsszenarien arbeiten, ließ Kleinemeier durchblicken.
Diskussionen um Lizenzmodelle
Doch trotz aller zur Schau getragener Eintracht gibt es nach wie vor offene Fragen, bei denen Anwender und Anbieter um eine Antwort ringen - beispielsweise wenn es um die Preisliste der SAP geht. DSAG-Vertreter fordern seit Jahren eine Vereinfachung der Lizenzmetriken und mehr Flexibilität beim Einsatz von SAP-Software. Bislang stießen diese Wünsche in Walldorf auf taube Ohren. Und auch derzeit scheint keine Lösung in diesen strittigen Fragen in Sicht.
Kleinemeier verweist darauf, dass man an der Sache arbeite, dies allerdings nicht einfach sei, da SAP viele alte Verträge zu unterstützen habe. Eine Umstellung auf neue Modelle sei komplex. Die DSAG-Vertreter wollen an dieser Stelle indes nicht lockerlassen. "Beharrlichkeit zahlt sich am Ende aus", sagt Liebstückel. "Und wir sind beharrlich." (Computerwoche)