Eine Bereinigung des Portfolios ist nach Ansicht von BARC-Geschäftsführer Dr. Carsten Bange dringend geboten. Schließlich herrsche nach der Übernahme ein regelrechtes "Durcheinander". Grund hierfür sei, dass es schon vor dem Zusammenschluss sowohl bei SAP als auch bei Business Objects jeweils Überschneidungen gegeben habe - als Folge von Zukäufen in den vergangenen Jahren. Allein BO hatte seit Mitte 2005 acht Firmen übernommen, darunter Fuzzy und Cartesis. SAP hatte 2007 vor BO bereits Pilot und Outlooksoft akquiriert. Weder BO noch SAP ist es laut BARC gelungen, die Angebote der zugekauften Unternehmen in ihr Portfolio einzugliedern.
Ist es aus Sicht von SAP also nur konsequent, dass nun doppelt vorhandene Anwendungen aus dem Angebot genommen werden, so bedeutet das für die Kunden in naher Zukunft den Abschied von einigen ihnen vertrauten Produkten. Laut BARC stehen "klare und schmerzhafte Entscheidungen" bevor.
So werden zum Beispiel SAPs Reporting-Tools Bex-Report-Designer und Bex-Web-Analyzer nicht weiterentwickelt. Das hat das Unternehmen bereits bestätigt. Weiterentwickelt werden sollen nach Firmenangaben hingegen die Reporting-Werkzeuge von Business Objects: Crystal Reports, Crystal Vision und Web Intelligence. Fraglich ist es laut dem BARC-Bericht, ob SAP fortan den Bex-Excel-Analyzer pflegen wird. Demnach soll 2009 ein völlig neues Programm zum Online-Analytical-Processing (OLAP) eingeführt werden. Das Produkt, das unter dem Namen "Pioneer" geführt wird, soll Funktionen der Bex-Reihe mit denen von BOs Voyager vereinen.
Den Web-Application-Designer wird SAP ebenfalls aus dem Programm nehmen. Er kann laut der BARC-Analyse nicht gegenüber Crystal-Xcelsius bestehen. Xcelsius ist demnach leistungsstärker und unterstützt Flash. Aus der Reihe der Produkte zum Aufbau von Cockpits und grafischen Oberflächen von Business Objects wird der Dashboard-Builder eingestellt. Er sei zwar an sich ein gutes Produkt, mache aber wohl das Produkt-Portfolio zu groß, heißt es in dem BARC-Bericht.
Vor dem Aus stehen nach Ansicht der Würzburger Berater auch die SAP-Planungsanwendungen SEM BPS, BW BPS und BI Integrated Planning. Mit dem Erwerb von Outlooksoft im Mai 2007 sei SAP dazu übergegangen, auf diesem Feld nicht mehr auf selbst entwickelte Programme zu setzen. Zukünftig sei deshalb für Planung und Budgetierung die Software "Business Planning and Consolidation" - einst von Outlooksoft entwickelt - einzusetzen.
Bei der Anwendung zum Profitabilitäts-Management setzt SAP bisher noch auf eine OEM-Vereinbarung mit Acorn. BARC stellt diesem Abkommen allerdings keine lange Laufzeit mehr in Aussicht und prophezeit das Ende der Weiterentwicklung von "SAP Business Profitability Management". Offiziell bestätigt haben dies die Walldorfer allerdings nicht. Klar ist indes, dass das Management-Tool SEM BSC nicht weiter entwickelt wird.
Unklarheit im Bereich Konsolidierung
Was das Feld der Konsolidierung angeht, ist die künftige Produktstrategie BARC zufolge noch offen. Die Zukunft von SAPs SEM BCS dürfte "endlich" sein, heißt es. Denn in diesem Bereich stehen den Kunden auch noch das von Outlooksoft entwickelte BPC (Business Planning and Consolidation) und Financial Consolidation von Cartesis zur Verfügung.
SAP-Kunden, die zur Planung und Konsolidierung nach Finanzanwendungen für den Netweaver suchen, prophezeit BARC für die kommenden Monate ein wahres "Dilemma". In vielen Bereichen müssten die Anwender auf Produkte von Business Objects umsteigen. Doch bis die in SAPs Netweaver Platform integriert sind, sei noch Geduld gefordert. Die Beta-Phase werde erst Ende Juni beginnen. Und damit, dass die Applikationen allgemein verfügbar sind, rechnet BARC erst gegen Ende des Jahres.
Letztendlich wird die Übernahme von Business Objects allerdings das Portfolio von SAP aufwerten, ist Carsten Bange von BARC überzeugt. Den Kunden bringe der Deal Vorteile.
Melanie Mack von Pierre-Audoin-Consultants (PAC) bestätigt die Aussagen aus dem BARC-Bericht. "Das deckt sich mit unseren Einschätzungen." Auch wenn SAP kurz nach der Übernahme von Business Objects zunächst eine parallele Weiterentwicklung angekündigt habe, sei eine Bereinigung des Portfolios zu erwarten gewesen, um den Zukauf rentabel zu machen. Wichtig sei es nun, dass SAP bei seinen Kunden keine Verunsicherung aufkommen lasse. In den Bereichen, wo dies noch nicht geschehen sei, müsse das Unternehmen möglichst schnell eine klare Roadmap vorlegen, sagt die Analystin.
Anwender verunsichert
Das wünschen sich auch die Anwender. Unter ihnen herrsche derzeit eine "gewisse Verunsicherung", sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), Professor Karl Liebstückel. "Abwarten, Projekte stoppen oder den bislang eingeschlagenen Weg weiterverfolgen - das ist die große Frage", so Liebstückel. Neben der künftigen Funktionsabgrenzung zwischen Produkten von Business Objects und SAP Netweaver BI sei unter anderem unklar, wie künftig Trainings organisiert werden oder wer den Support für die beiden Produktreihen übernehmen werde.
Gemeinsam mit SAP hat die DSAG dieser Tage eine Themengruppe gegründet, in der Fragen zur Roadmap der SAP- und BO-Produkte erörtert werden sollen. Außerdem befasst sich das Gremium mit Best Practices und will Handlungsempfehlungen zur Unterstützung der Mitgliedsfirmen erarbeiten. Das Thema werde die Anwender die nächsten Jahre beschäftigen, heißt es.