Für die meisten IT-Freiberufler war 2011 ein gutes Auftragsjahr: "Was den Einsatz von Freiberuflern angeht, war 2011 ein Boomjahr", bestätigt Gerd Schorn, der als Director beim Personalvermittler Page Contracting tätig ist. Die Nachfrage habe sich im Vergleich zu 2010 gesteigert, so Schorn. Und dabei war bereits 2010 ein gutes Jahr für IT-Freiberufler: Sie waren besser ausgelastet als in den Vorjahren und erwirtschafteten laut der IT-Projektbörse Gulp einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 115.000 Euro.
Wie gefragt Freiberufler momentan sind, merkten auch schnell die Unternehmen, die sie beauftragen wollten. "Wer sich als verfügbar gemeldet hat, war sehr häufig nur kurz frei, bevor ein neues Projekt angenommen wurde", sagt Gerd Schorn von Page Contracting. Teilweise wäre das nicht einmal eine Frage von Tagen sondern nur von Stunden gewesen. Auch die Marktforscher von Lünendonk berichteten kürzlich in einer Studie davon, dass der Markt an IT-Freiberuflern bald leergefischt sein könnte. Wer dabei nicht vorausschauend rekrutiere, müsse mit langen Wartezeiten und überproportional steigenden Honorarforderungen rechnen, so die Lünendonk-Studie.
Was für Unternehmen zur Belastung werden kann, ist eine komfortable Situation für die IT-Freiberufler. Denn sie können sich ihre Auftraggeber momentan aussuchen und mit den richtigen Projekten hohe Stundensätze erzielen. "Auch 2012 werden die Freiberufler im SAP-Bereich die gefragtesten sein", sagt Schorn. Erfahrene SAP-Freelancer könnten zurzeit Stundensätze von 80 Euro und mehr verlangen. Auch die Nachfrage nach Java-Entwicklern sieht Schorn im kommenden Jahr ungebrochen. Sie könnten 70 bis 85 Euro pro Stunde verlangen, wer Java-Architekturen aufsetzen kann, bekommt sogar bis zu 95 Euro Stundenhonorar. Ein dritter Freelancer-Bereich, der auch 2012 mit vielen Angeboten rechnen darf, sind die Spezialisten im Bereich Webentwicklung, sowohl im Frontend- als auch im Backendbereich.
Sogar bei Nischenthemen sieht Schorn im kommenden Jahr gute Möglichkeiten für IT-Freiberufler. "Beim Mainframe-Thema beobachten wir seit Jahren, dass Spezialisten vielfach das Rentenalter erreichen und es schwierig ist, Jüngere in diesem Bereich zu finden." Der Mainframe-Bereich wachse zwar nicht mehr, aber gerade bei Banken und Versicherungen suche man nach wie vor Experten, die sich mit diesem Thema auskennen. Erst kürzlich nannte unsere amerikanische Schwesterpublikation Computerworld die Vertrautheit mit alten Systemen als eine von sechs Fähigkeiten, an denen es IT-Absolventen mangelt. Denn auch wenn es bereits neuere Technologien gibt, suchen Unternehmen nach wie vor Mainframe-Experten zur Wartung der laufenden Anwendungen.
Dadurch, dass die Nachfrage nach Freiberuflern am Markt groß ist und es auch im kommenden Jahr bleiben soll, achten Auftraggeber weniger als sonst auf einen bestimmten akademischen Titel. "Je enger der Markt ist, desto weniger wichtig ist der akademische Hintergrund", sagt Gerd Schorn vom Personalvermittler Page Contracting. Gerade bei Freiberuflern stehe die Projekterfahrung im Vordergrund, nicht der akademische Titel.
Zuverlässigkeit bei Freelancern lässt nach
Schorn beobachtet darüber hinaus eine weitere Veränderung auf dem Markt für Freiberufler: "Die Zuverlässigkeit der Freiberufler hat deutlich nachgelassen", sagt er. Ihm falle momentan immer wieder auf, dass Freiberufler mündliche Zusagen machen und diese dann kurz vor Vertragsabschluss nicht einhalten. Bei guter Auftragslage mag so ein Verhalten nicht geschäftsschädigend sein, mit dem Blick nach vorn könne sich das aber ändern: "Irgendwann wird der Markt wieder schlechter, bis dahin sollte man seinen guten Namen nicht beschädigen", warnt Schorn. Er rät Freelancern deshalb, in Verhandlungen immer mit offenen Karten zu spielen und andere Angebote nicht zu verheimlichen.