Strategiewechsel

SAP gibt Enterprise SOA offenbar auf

11.08.2009 von Thomas Pelkmann
Die Marktforscher von RAAD sehen deutliche Zeichen, dass sich SAP von seinem Enterprise SOA-Konzept verabschiedet. Viele Anwender arbeiten nach wie vor mit R/3.

Vor vier Jahren präsentierte das Walldorfer Softwareunternehmen SAP sein Konzept für höherwertige SOA mit Geschäftslogik: eSOA oder Enterprise SOA genannt. Das, so die Marktforscher von RAAD, sei damals ein kluger Schachzug gewesen. So habe sich SAP aus Technikdiskussionen über Middleware in den IT-Abteilungen heraus gehalten. Stattdessen habe das Unternehmen das Thema gleich dort platziert, wo es nach Meinung vieler Experten auch hingehört: im Business. Hierdurch, so RAAD weiter, "grenzte sich SAP stark vom Wettbewerb ab und erschuf sich so einen eigenen Markt".

Warum nur führt die Google-Suche nach "Enterprise SOA" bei SAP ins Leere?

Das Unternehmen hat mit dieser Strategie einen hohen Grad an Aufmerksamkeit verzeichnet. Anfragen bei Google nach "Enterprise SOA" etwa bringen mehr als eine Million Fundstellen zurück. Trotzdem scheint SAP schon bald nur noch wenig Anteilnahme an dieser Strategie nehmen wollen, wie ein Blick auf die Internetseite des Walldorfer Unternehmens zeigt. "Man muss schon etwas suchen, bevor man den Begriff ‚Enterprise SOA’ findet", so RAAD. Ohne dass es angekündigt wurde, sei die Kommunikation geändert worden. "SAP spricht heute ‚nur noch’ von SOA". Fündig werde man erst nach Tiefbohrungen auf der Website, wo man dann zum Beispiel Broschüren aus dem Jahr 2006 fände.

"Ist dies der Abgesang auf Enterprise SOA?", fragt RAAD angesichts dieser Indizien und spekuliert darüber, ob SAP vielleicht erkannt habe, "dass ein Sonderweg - so er technologisch überhaupt einer ist - zwar Aufmerksamkeit beschert, aber die Kunden eventuell mehr verwirrt als begeistert". Regelmäßige Umfragen von RAAD innerhalb der SAP-Bestandskundschaft zeigten zumindest, "dass die SOA-Adoption der SAP-Klientel, gemessen am Einsatz des Enterprise Service Bus XI/PI und der Business Prozess Plattform des SAP NetWeavers, nur langsam voranschreitet".

Auch bei den SAP-Kunden müsse man Enterprise SOA suchen, so RAAD. Eine Umfrage der Münsteraner Marktforscher Ende 2008 bei mehr als 2.500 IT-Leitern von SAP-Kunden in Deutschland ergab, dass 14 Prozent der Unternehmen aktiv die SAP NetWeaver Komponente XI/PI einsetzen und "damit überhaupt technologisch und von der Mitarbeiterkompetenz her den Weg in Richtung SOA im Sinne der SAP gehen". Zwei Prozent der Kunden gaben an, die Business Process Plattform zu nutzen, welche die Grundlage für Enterprise SOA ist. Beide Anteile blieben aber innerhalb der letzten Befragungen in Deutschland annähernd konstant.

"SAP hatte sich wahrscheinlich eine konsequentere Umsetzung bei ihren Kunden versprochen, zumal durch Einführung von SOA IT-Kosten reduziert werden sollen, was den Nerv eines jeden IT-Managers treffen müsste", kommentiert RAAD. Für viele Unternehmen habe in den vergangenen zwei Jahren vor allem die Migration auf SAP ERP 6.0-Technologie im Vordergrund gestanden und "weniger die Adoption eines neuen IT-Paradigmas".

Ein Großteil der Kunden arbeitet mit R/3

Ein großer Teil der SAP-Anwender sitze heute auch noch auf produktiven R/3-Systemen, für die die Umsetzung einer SOA mit dem SAP NetWeaver als zentraler Komponente noch in weiter Ferne liege. "Zwar sind viele Unternehmen jetzt auf dem Weg, eine SOA technologisch umsetzen zu können". Häufig mangele es in Unternehmen aber nicht nur an der vorhandenen Technologie, sondern auch an den organisatorischen Voraussetzungen - etwa beim IT-Business-Alignment.

So ergab eine RAAD-Umfrage in Zusammenarbeit mit dem itSMF zum Thema IT-Service-Management im Jahr 2008, dass etwa 30 Prozent der Unternehmen im gehobenen Mittelstand und aufwärts noch kein definiertes IT-Service-Management einsetzen. In weniger als zehn Prozent der befragten Unternehmen wurden sowohl operativ als auch strategisch Methoden des IT-Service-Managements eingesetzt, damit IT-Organisationen Geschäftsprozesse bestmöglich unterstützen können. "Im Bereich IT- und SOA-Governance", schließen die RAAD-Analysten ihre Ausführungen, "haben die Unternehmen noch reichlich Nachholbedarf".