Mit finanziellen Anreizen will SAP seine Kunden in die Cloud locken. Dafür hat der Softwarekonzern mit "RISE with SAP Migration and Modernization" eine Erweiterung seines Migrationsprogramms vorgestellt. Das Angebot biete Unterstützung bei zwei grundlegenden Problemen, mit denen sich Unternehmen beim Umstieg auf die Cloud konfrontiert sehen: Umfang und Kosten, heißt es in einer Mitteilung SAPs. Unternehmen könnten mit dem Angebot die Migrationskosten um bis zu 50 Prozent verringern und so eine schnellere Wertschöpfung erzielen, verspricht der Softwarehersteller.
Bis Ende 2024 sollen SAP S/4HANA- und SAP-ECC-Kunden beim Umstieg auf RISE with SAP oder GROW with SAP spezielle Gutschriften erhalten, die sie auf Wartungskosten, Cloud-Services oder Cloud-Subskriptionen anrechnen lassen können. Dieses Angebot gelte SAP zufolge für S/4HANA Cloud und Geschäftsbereichslösungen, unter anderem für Supply Chain Management, Personal- und Ausgabenmanagement, CRM, Business-Transformation-Tools und die SAP Business Technology Platform. Es gehe darum, "den Investitionen von SAP-Kunden Rechnung zu tragen und ihre Kosten für die Migration und Transformation auszugleichen", verlautet aus Walldorf.
RISE with SAP Migration and Modernization im Einzelnen:
S/4HANA-On-Premises-Kunden erhalten bis zu 60 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Vertragswerts, wenn sie in die Private Cloud wechseln.
S/4HANA-On-Premises-Kunden erhalten bis zu 100 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Vertragswerts, wenn sie in die Public Cloud gehen.
ERP-ECC-Kunden erhalten bis zu 45 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Vertragswerts, wenn Sie in die Private Cloud wechseln und bis zu 100 Prozent, wenn sie in die Public Cloud gehen.
Für Kunden oberhalb eines noch festzulegenden Schwellenwerts, was ihr Vertragsvolumen anbelangt, stellt SAP zudem einen Enterprise-Architekten im Rahmen des RISE-with-SAP-Vertrags zur Verfügung. Dieser soll die Kunden ohne Vertriebsdruck als Trusted Advisor beraten, um die Integration der von SAP im Rahmen von RISE with SAP betriebenen SAP-Systeme in die Unternehmens-IT-Architektur zu begleiten und erfolgreich zu realisieren.
SAP war mit RISE im Januar 2021 gestartet. Ziel war es, den Kunden eine Art Rundum-Sorglos-Paket für den Umstieg ihrer SAP-Systeme in die Cloud anzubieten. Kernbestandteile des Pakets sind SAPs neue Produktgeneration S/4HANA, die Business Technology Platform (BTP) als Betriebs- und Integrationsplattform, Migrations-Tools und Schulungen sowie eine Public-Cloud-Infrastruktur. Kunden können zwischen den Hyperscalern AWS, Google und Microsoft wählen. SAP werde sich um den Betrieb der Software kümmern, die Anwender könnten sich ganz auf ihre digitale Transformation konzentrieren, so das Kalkül der SAP-Verantwortlichen.
S/4HANA - lieber ins eigene Data Center als in die Cloud
Doch die Rechnung ging nicht so recht auf. Viele Anwenderunternehmen blieben im Rahmen ihres Umstiegs auf S/4HANA im eigenen Rechenzentrum. Den Weg in die Cloud gingen die wenigsten. Zumal SAP den Kunden mit S/4HANA On-premises zusicherte, ihre Systeme bis 2040 zu unterstützen und zu pflegen.
https://www.computerwoche.de/a/sap-investiert-in-process-intelligence,3550520
Mitte 2023 verstärkte SAP den Druck auf seine Kunden, in die Cloud zu wechseln. Der Konzern kündigte an, maßgebliche Innovationen rund um KI und das Nachhaltigkeitsmanagement nur noch in der Cloud und für Anwender mit RISE- und GROW-Verträgen anzubieten. Das hat viele SAP-Kunden verunsichert und verärgert. "SAP lässt zahlreiche treue Kunden im Regen stehen", schimpfte Jens Hungershausen, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), beim letztjährigen Jahreskongress der Anwenderunternehmen in Bremen. Wer in den vergangenen Jahren auf die On-premises-Variante von S/4HANA gewechselt sei und sich dabei auf die Zusagen aus Walldorf verlassen habe, würde damit von Innovationen abgekoppelt.
Studie SAP S/4HANA 2024 - was Anwender planen
Nun versucht SAP, die angespannte Situation zu deeskalieren, und kommt seinen Kunden mit dem neuen Angebot und finanziellen Anreizen entgegen. Allerdings pocht der Konzern im Zuge des RISE-Programms strikt auf die Einhaltung einer bestimmten Methodik. Damit soll verhindert werden, dass SAP-Umstellungen aus dem Ruder laufen, was Projektdauer und finanzielle Budgets anbelangt.
Die Methodik von RISE with SAP ermögliche Planungssicherheit, sorge für Transparenz über den Projektfortschritt und überprüfe, ob wichtige Meilensteine erreicht wurden, heißt es in Walldorf. SAP-Services und -Experten sorgten dafür, dass die Methodik von der Anforderungsanalyse bis zum Produktivstart konsequent angewendet werde. Partner würden entsprechend geschult und validiert. Der Softwarekonzerne kündigte an, Konsistenz und Qualität der Partnerleistungen streng prüfen zu wollen.
Erste S/4HANA-Releases laufen aus der Standardwartung
Mit SAP S/4HANA Cloud Safekeeper hat der Konzern einen weiteren Migrationsservice vorgestellt. Das Angebot richtet sich an Kunden, die für eine vollständige Migration mehr Zeit benötigen. Safekeeper ist SAP zufolge auf die Anforderungen von Kunden mit älteren Releases von SAP S/4HANA abgestimmt, deren Releases bald aus der Standardwartung laufen.
Mit SAP S/4HANA Cloud Safekeeper könnten diese Kunden ihre Systeme für eine Aktualisierung auf die neueste Version von SAP S/4HANA vorbereiten. Safekeeper enthalte Upgrade-Services, eine Optimierung der Infrastruktur und unterstütze das System des Kunden für weitere zwei Jahre mit Updates und Patches.
SAP S/4HANA Cloud Safekeeper im Einzelnen:
Für S/4HANA-On-Premises-Releases, die 2025 aus der Wartung laufen, stellt SAP noch für 27 Monate Sicherheits-Updates, Bug-Fixes und Legal Patches zur Verfügung.
Zusätzlich stellt SAP stellt ein Sandbox-System zur Verfügung, um ein neues Release zu migrieren. Die Voraussetzung, um den SAP-Safekeeper-Service zu subskribieren, ist ein gültiger RISE-with-SAP-Vertrag. Kunden, die keinen Safekeeper-Vertrag abschließen, erhalten weiterhin kundenspezifische Wartung.
"Jedes Unternehmen braucht eine Cloud-First-Geschäftsstrategie", sagte Eric van Rossum, Chief Marketing Officer für Cloud-ERP bei SAP. "Es ist wichtiger denn je, dass Kunden ihre Migration und Modernisierung jetzt in Angriff nehmen, um die Möglichkeiten aktueller Cloud-Innovationen - etwa KI und Nachhaltigkeitslösungen - nutzen zu können." Der Hersteller bemüht sich, die Vorteile seines RISE-Programms herauszustellen. Es schaffe das nötige Vertrauen, auch hochkomplexe ERP-Systeme in die Cloud zu migrieren. Eigenentwicklung von Code würden überflüssig, Datensilos abgebaut und die Komplexität von Prozessen verringert.
SAP-Anwender und die Cloud - ein schwieriges Verhältnis:
DSAG-Umfrage: Viele S/4HANA-Kunden wollen nicht in die Cloud
DSAG-Investitionsumfrage: SAP-Anwender schimpfen über Cloud-Preise
Das Programm RISE with SAP Migration and Modernization helfe Kunden, innovationsfähig zu werden und zu bleiben, werben die SAP-Verantwortlichen. So könnten sie von kontinuierlichen Updates und Innovationen zu profitieren. Nach der Umstellung auf die Cloud übernehme SAP das Management der Kundensysteme und sorge damit für höhere Zuverlässigkeit, mehr Sicherheit und bessere Compliance.
DSAG: Anwender wissen SAP-Initiative zu schätzen
Bei der DSAG wertet man die Ankündigung SAPs als Erfolg der eigenen Bemühungen. Es sei erfreulich, dass SAP nun reagiert, hieß es von Seiten der Anwendervertreter. "Mit der aktuellen Ankündigung macht die SAP deutlich, dass sie sich der Komplexität der Herausforderungen bewusst ist, mit denen Kunden beim Umstieg auf die Cloud konfrontiert sind", erklärte Christine Grimm aus dem Vorstand der DSAG. Das Angebot trage ihren bisherigen Investitionen in die vorhandenen Systeme Rechnung. "Mit der Erweiterung von RISE with SAP um finanzielle Anreize und Unterstützung bekräftigt die SAP ihr Versprechen, Kunden auf ihrem Weg in die Cloud aktiv zu unterstützen und damit die Umstellung zu erleichtern. Bei der DSAG wissen wir diese Initiative und das dadurch gezeigte Entgegenkommen der SAP zu schätzen."
Die Wogen scheinen also vorerst geglättet und der Streit zwischen SAP und seinen Kunden beigelegt. Allerdings scheint es nach wie vor Bedarf an Feintuning zu geben. "Ziel muss es sein, dieses Angebot in Zusammenarbeit mit der SAP weiter zu verbessern und auszubauen", lässt Grimm von der DSAG durchblicken, "damit die besonderen Anforderungen und Probleme unserer Mitglieder berücksichtigt werden, die sich für einen Transformationsprozess in die Cloud entscheiden".