Management von SAP-Lizenzen

SAP-Kunden droht neues Lizenz-Unheil

08.03.2018 von Guido Schneider
Nach jahrelangen Querelen über die "SAP NetWeaver Foundation For Third Party Applications" und die "indirekte Nutzung" droht nun die nächste Überraschung: SAP will die User-Lizenzvergabe auf Basis von SAP-Berechtigungen einfordern. Die damit verbundenen Nachzahlungen dürften erheblich sein.

Nachdem die SAP ihre Kunden seit 2015 mit den Themen "SAP NetWeaver Foundation For Third Party Applications" und der "indirekten Nutzung" zu teilweise drastischen Nachzahlungen aufgefordert und damit für Schlagzeilen gesorgt hat, könnte nun die nächste negative Überraschung auf die Kunden zukommen. Dabei wendet der deutsche Softwarekonzern eine Lizenzbedingung an, die bereits seit einigen Jahren in den Preis- und Konditionslisten (PKL) der SAP vorhanden ist: die User-Lizenzvergabe auf Basis von SAP-Berechtigungen. Die daraus für die Kunden resultierenden Nachzahlungen könnten erneut drastisch ausfallen.

Was SAP in Sachen Lizenzbemessung vorhat, verheißt nichts Gutes für die Anwender.
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Was passiert aktuell? Schaut man in die Preis- und Konditionenlisten (PKL) der SAP, Versionsstand 2017/4, so findet sich dort auf Seite 25 die folgende Beschreibung: "Der SAP Professional User ist ein Definierter Nutzer, der berechtigt ist, von der Software, für die Nutzungsrechte erworben wurden (ohne SAP Business Objects Platform - SBOP), unterstützte operative und Systemverwaltungs- oder Management-Rollen auszuführen…". Des Weiteren wird auf Seite 12 derselben PKL definiert: "Named User (Definierter Nutzer) ist ein Mitarbeiter des Auftragsgebers oder seiner Verbundenen Unternehmen, beziehungsweise ein Mitarbeiter von Geschäftspartnern, der gemäß erworbenem Nutzungsrecht befugt ist, auf das betreffende Package zuzugreifen."

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Diese Beschreibungen sind nicht neu in den PKLs von SAP. Wer in den letzten Jahren User-Lizenzen gekauft oder nachgekauft hat, der hat diese zu eben jenen Konditionen erworben. Daraus ergibt sich, dass die User-Lizenzen gemäß der jeweiligen Berechtigung, die laut Preis- und Konditionenliste mit dem Lizenztyp verbunden sind, vergeben werden und vom Kunden lizenziert werden müssen und nicht - wie allgemein üblich und wie es in der Vergangenheit in der Lizenzpraxis stets gelebt wurde - gemäß den vom Kunden tatsächlich ausgeführten Transaktionen und Zugriffen. Bereits 2017 habe die SAP-Verantwortlichen auf Veranstaltungen immer wieder verkündet oder in einzelnen Kundengesprächen thematisiert, dass die Vergabe von SAP User-Lizenzen auf SAP-"Berechtigungen" basiert.

Summe der Berechtigungen wird ausschlaggebend

Was bedeutet das für die Anwenderunternehmen? Jedem SAP-Nutzer muss eine bestimmte Lizenz zugeordnet werden. Die verschiedenen Lizenztypen unterscheiden sich nach dem Umfang der Funktionen, den sie abdecken. Je geringer der zulässige Funktionsumfang, umso günstiger ist die Lizenz. Um ihre Kosten so niedrig wie möglich zu halten, streben Unternehmen naturgemäß danach, immer die preisgünstigste Lizenz für ihre SAP-Nutzer zu vergeben. Dabei orientiert sich ein Lizenzverwalter üblicherweise daran, welche Funktionen der Anwender tatsächlich ausgeübt hat.

Das dürfte in Zukunft so nicht mehr funktionieren. Geht es nach der SAP, soll in Zukunft der Umfang der Funktionen, die der Anwender nutzen könnte, den Lizenztyp und damit den Preis bestimmen. Das ist so, als besäße man einen Führerschein, der an ein bestimmtes Fahrzeug gebunden ist. Bei der nutzungsbasierten Lizenzierung ist es egal, ob ein neuer Mercedes Benz oder ein Toyota Corolla Baujahr 1987 gefahren wird. Man bezahlt stets die gleiche Lizenzgebühr. Bei der auf Autorisierung basierenden Lizenzierung sähe das anders aus. Der zu bezahlende Betrag richtet sich dann nicht mehr nach dem Fahrzeug, das Sie tatsächlich fahren, sondern nach all den Fahrzeugen, die man theoretisch fahren könnte.

Hier finden Sie weitere wichtige Informationen rund um die Lizenzierung von SAP-Software:

Acht Tipps: Mit SAP die indirekte Nutzung regeln
Risiken bei indirekter Nutzung von Software vermeiden
Indirekte Nutzung von SAP-Systemen - das sollten Sie wissen
Tipps zur indirekten Nutzung: SAP - Freund oder Feind

Welche Funktionen ein Anwender in SAP aufrufen kann, wird durch seine Berechtigungen bestimmt. Berechtigungen werden Stand heute in sogenannten Berechtigungsrollen abgebildet, die den einzelnen Nutzern zugeordnet werden. Diese sind nicht passgenau individuell auf jeden Benutzer zugeschnitten, sondern fassen bestimmte Funktionen zusammen, um die Anzahl der unterschiedlichen Rollen übersichtlich zu halten. Ein Anwender wird daher immer zu mehr Funktionen berechtigt sein, als er tatsächlich nutzt.

Reichte also beispielsweise bisher eine eng definierte Worker Lizenz für 600 Euro, so kann demnächst eine teure Professional Lizenz für 3200 Euro fällig werden. Und das nur, weil der Anwender im Rahmen seiner Berechtigungsrollen zu einer zusätzlichen, aber nie genutzten Transaktion berechtigt ist, die allerdings nicht in die eng gefasste Definition der Worker Lizenz passt.

Neue USMM 2.0 der SAP untersucht Berechtigungen

Damit aber noch nicht genug: SAP wird auch ihr Vermessungstool "USMM" überarbeiten. Die aktuelle USMM untersucht in der Klassifizierungshilfe, wer Veränderungen an wichtigen SAP-Tabellen vorgenommen hat und gibt dann eine Liste mit SAP-Accounts aus, welche als "SAP Professional User" lizensiert werden müssen.

Mit anderen Worten: Bisher untersuchte das aktuelle, offizielle Vermessungstool der SAP, welcher User welche Transaktion konkret ausgeführt hat - nicht welche abstrakten Berechtigungen mit der jeweiligen User-Rolle verbunden sind. Das soll sich im Laufe des Jahres ändern. Nach der Einführung der LAW 2.0 (License Administration Workbench) wird es künftig auch eine neue "USMM 2.0" geben. Diese wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit die vom Kunden vergebenen Berechtigungen überprüfen und nicht mehr die tatsächlich ausgeführten Transaktionen oder Tabellen-Zugriffe.

Frühere Vereinbarungen bald unwirksam?

Das Ganze dürfte natürlich auch ein juristisches Nachspiel haben. Wer schon lange SAP-Kunde ist, wird wahrscheinlich früher User-Lizenzen gemäß tatsächlicher Nutzung erworben haben. Aber er wird in der jüngeren Vergangenheit auch User-Lizenzen auf Basis der jeweiligen Berechtigungen gekauft haben. Die Frage, welche Metrik beim Zusammentreffen von Lizenzen gelten, die nach alter und neuer PKL erworben wurden, wurde vor einem deutschen Gericht noch nicht final ausgefochten und entschieden.

Bis eine Gerichtsentscheidung diese Frage rechtskräftig geklärt hat, müssen SAP-Kunden davon ausgehen, dass bei B2B-Geschäftsbeziehungen die geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auch die jeweilige PKL bei Vertragsabschluss gelten und frühere Vereinbarungen gleichzeitig unwirksam werden.

Fazit

Dass die SAP ihre Konditionen über die Jahre immer wieder verändert hat, ist unbestritten. Die rechtliche Wirksamkeit dieser Lizenzpraxis ist bislang von deutschen Gerichten oder dem europäischen Gerichtshof noch nicht rechtskräftig überprüft worden. Bis zum Vorliegen einer solchen rechtskräftigen Entscheidung bedeutet das, dass SAP-Kunden die Vergabe spätestens mit Einführung der neuen USMM ändern müssen. Wer dann über kein optimiertes SAP-Berechtigungskonzept verfügt - also wenn Mitarbeiter für die tägliche Arbeit mehr Berechtigungen haben, als sie eigentlich brauchen - der wird in Zukunft teurere Lizenzen nachkaufen müssen.

Dann werden sich die Kunden aber auch die Frage stellen, was sie mit den vielen günstigen Lizenztypen, wie beispielsweise dem "SAP Worker User" oder dem "SAP Logistics User" machen sollen. Vergeben werden sie diese wahrscheinlich nicht mehr können, es sein denn, sie haben klar definierte SAP-Worker-Rollen oder SAP-Logistics-Rollen, in denen nur die Transaktionen und Reports enthalten sind, die die Mitarbeiter mit der entsprechenden Lizenz auch ausführen dürfen. Ansonsten heißt es in 2018: Fleißig "SAP Professional User"-Lizenzen nachkaufen - und das dürfte nicht gerade billig werden.