Aus Mangel an ernsthaften Problemen abgesagt: Nur wenige Tage, nachdem die neue SAP-Software produktiv gegangen ist, streicht Schüco-CIO Kurt Trautmann die täglich eingeplanten Projekt-Meetings. Eigentlich sollten hier Fehler und Probleme mit dem neuen System diskutiert werden. Doch die Mühen eines intensiven Qualitäts- und Performance-Checks haben sich ausgezahlt. Die Anwender arbeiten ab Tag eins ohne nennenswerte Einschränkungen mit der neuen Software. Dabei hatte es nur wenige Monate zuvor keineswegs danach ausgesehen.
Zunächst lief alles ganz normal: Für 2007/2008 plante Schüco einen internationalen Roll-out verschiedener SAP-Module. Von der CAD-Anbindung über Planung und Logistik bis zum Vertrieb. Die Umsetzung sollte in mehreren Schritten erfolgen. CIO Trautmann wollte an den verschiedenen Standorten des Unternehmens unterschiedliche Alt-Anwendungen durch SAP R/3 4.7 ablösen.
Doch mit der ersten Live-Schaltung schlich es sich ein. Langsam und zunächst nur mit technischen Methoden messbar, sank die Leistung des Systems. "Woche für Woche beobachteten wir eine schlechtere Performance", berichtet Trautmann. Glücklicherweise spürten die Anwender noch nichts davon, "Aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die ersten SAP-Nutzer beschweren würden", wusste der CIO.
Mitten im SAP-Roll-out
Der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Die IT-Mannschaft hatte mit dem Go-Live gerade einen anstrengenden Schritt hinter sich und musste sich auf den nächsten Abschnitt des Projektes einstellen. Es stand die Implementierung am wichtigsten und größten Schüco-Standort bevor. "In einer Phase, in der sich jeder nach ein wenig Entspannung sehnt, um sich auf die nächste große Aufgabe vorzubereiten, kommt ein Performance-Thema wie gerufen!", merkt Trautmann ironisch an.
Wie gerufen kommen solche Probleme nie, weiß Ralph Treitz, Geschäftsführer von VMS und Spezialist in Sachen SAP-Vermessung. Der ehemalige SAP-Mitarbeiter hat VMS vor fünf Jahren gegründet und sammelt seitdem Daten verschiedener Unternehmenslandschaften. Mehr als 1700 SAP-Umgebungen hat ein eigens ausgeklügelter Algorithmus bislang in die Datenbank geschaufelt. Sie alle geben Aufschluss darüber, wann es wo und wie im IT-Motor knirschen kann.
Auf Seiten Schücos wurde ein Team zusammengestellt, in dem alle Kompetenzen vom Rechenzentrum über die SAP-Basis bis zur Anwendung vertreten waren. "Eine wesentliche Aufgabe zu Beginn des Projektes war, die Mannschaft von der Dringlichkeit und vor allem von der Machbarkeit eines solchen Projektes parallel zum weiteren SAP-Roll-out zu überzeugen", erinnert sich Trautmann.
Keine Magie, sondern viel Arbeit
Mit einer Portion Skepsis und großer Spannung wurde dann auch der erste Workshop mit VMS erwartet. Und das Ergebnis war nicht unbedingt das, was mancher still gehofft hatte. „Statt des Versprechens, irgendwo den magischen Parameter zu finden, der die Performance auf "super" stellt, wurde ein Arbeitsprogramm beschlossen", erzählt Trautmann. Er vergleicht es mit dem Marsch durch einen Dschungel. Die Mannschaft musste alleine durch, "aber die Kolleginnen und Kollegen von VMS konnten helfen, indem sie uns sicher führten". Keine Zauberei, sondern Hilfe zur Selbsthilfe durch die schier unendliche Zahl der Möglichkeiten, Performance zu gewinnen oder zu verlieren. So lautete die erste ernüchternde Erkenntnis.
Doch der Dschungel lichtete sich. VMS vermaß die Systeme und konnte durch die Vergleichsdaten aus anderen SAP-Landschaften potenzielle Leistungsstörer herausgreifen. Dabei wurde keine Ebene ausgelassen: Die Parametrisierung kam ebenso auf den Prüfstand wie das Customizing, das technische Tuning und Programmabläufe.
Von Woche zu Woche stellten sich messbare Erfolge ein, sie gaben dem Team die Sicherheit, an den richtigen Themen zu arbeiten. Bereits nach kurzer Zeit waren sämtliche vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt. Die Dynamik und Motivation der Mannschaft nahm zu. Kaum waren die ersten Aufgaben erledigt, verlangte sie nach weiterem Input, wo die nächsten Performance-Killer zu suchen seien. "So schafften wir es innerhalb von zwei Monaten, die richtigen Dinge zu tun", sagt Trautmann.
"Wir zeigen mit der Taschenlampe auf die Stellen, an denen die Probleme ihre Ursache haben", beschreibt Treitz. Von den Tiefen der IT bis hin zum Anwender - die Ursachen können dabei völlig unterschiedlicher Natur sein. Meist sind sie miteinander verwoben, was die Analyse erschwert. In den seltensten Fällen ist es das vermeintlich Naheliegende, nämlich zu wenig Hardware. "Dank der sinkenden Preise sind die meisten Unternehmen hier gut ausgestattet", stellt der VMS-Geschäftsführer fest. Wesentlich häufiger ist es einfach die schiere Menge an Daten, die heute von den Systemen verarbeitet werden. "Bei falschem Customizing können Sie Hardware kaufen, bis Sie schwarz werden, ohne einen nennenswerten Erfolg zu erzielen."
Die möglichen Ursachen von Performance-Lecks ziehen sich von der Technik über die Architektur der Eigenentwicklungen bis zu einer Nutzung der SAP-Standardsoftware, an die der SAP-Entwickler in dieser Weise vielleicht noch nicht gedacht hatte. Bei Schüco jedenfalls wurden die Probleme beseitigt, das System arbeitete mit der gewünschten Leistung.
Doch damit war nur ein Teil der Aufgabe gelöst. Denn die Leistungsoptimierung war ja parallel zur Vorbereitung auf einen wichtigen SAP-Roll-out angelaufen. "Jetzt wollten wir auch die Sicherheit haben, für den bevorstehenden Go-Live unseres größten Standortes nicht sofort wieder in eine vergleichbare Situation zu geraten", sagt Trautmann.
Doch wie konnte Schüco die Leistung eines Systems messen, das noch es gar nicht gab? Erst einmal laufen lassen, den Ärger der Anwender riskieren und im laufenden Betrieb nachbessern? Eine durchaus übliche Methode, für CIO Trautmann jedoch keine Option. Er bestand darauf, dass vom ersten Tag an alles reibungslos zu funktionieren hatte.
Gemeinsam mit VMS diskutierte er ein Verfahren, um die aktuelle Performance für eine zu erwartende Systemauslastung hochzurechnen. Dies geschah im Oktober vergangenen Jahres, also knapp drei Monate vor dem geplanten Start, als die Ziel-Hardware für den Produktivstart im Januar 2008 installiert war. Es wurden User-Profile definiert, Lastprofile in Schulungssystemen vermessen, und schließlich erstellte VMS einen Forecast, der berücksichtigte, wie die SAP-Landschaft sich quantitativ und qualitativ verändern würde.
Unter anderem zeigte sich, dass die Datenbank (DB2 von IBM) zwar vor dem nächsten Roll-out ihre Leistung lieferte, aber bei entsprechend mehr Last schlechte Antwortzeiten produzieren würde. Ein Spezialist des Herstellers musste her und das System entsprechend parametrisieren. Auch hier Verwunderung, dass Schüco ein doch (aktuell) gut laufendes System schon tunen wollte.
Mitte Dezember war es so weit: Nach Softwareoptimierungen, Parametrisierung und Datenbank-Tuning hatten Trautmann und sein Team die Voraussetzungen dafür geschaffen, mit einem sicheren Gefühl dem Go-Live entgegenzugehen. Berechtigterweise. Nicht ohne Stolz berichtete der CIO anschließend: "Das System skaliert hervorragend. Wir hatten seither keine Performance-Probleme in unserem SAP-System ,und das, obwohl die Systemlast, bedingt durch unseren Geschäftsverlauf, sehr hohe Peaks generiert."
Ein Muss für alle SAP-Anwendungen
Selbst Monate nach Abschluss des Projektes ist die Begeisterung spürbar. Nicht nur in Bezug auf ein performantes SAP-System. "Als einen wesentlichen Erfolg sehe ich, dass wir mittlerweile in unserer gesamten IT-Mannschaft ein fundiertes Know-how und Bewusstsein für Perfomance geschaffen haben", betont der CIO. "Kurzfristige Verschlechterungen der Performance nach der Installation unseres letzten Schüco-Optimierungs-Releases konnten wir ohne externe Hilfe kurzfristig lokalisieren und beheben."
Den "Performance Health-Check" vergleicht Trautmann mit medizinischer Vorsorge. "Er ist ein Muss für alle SAP-Anwendungen, wenn man den Anspruch hat, das Optimum an Performance zur Verfügung zu stellen, ohne dies via überdimensionierter Hardware zu realisieren." Das nächste Performance-Projekt steht daher schon auf dem Plan: die Optimierung des SAP-BW.