Unter den SAP-Kunden im deutschprachigen Raum sind die Schweizer nun doppelt gelackmeiert. Zuerst nimmt SAP die Zwangsumstellung auf den kostspieligeren Enterprise-Support-Preis nur für Österreich und Deutschland zurück, jetzt haben die Eidgenossen auch in Bezug auf die nächste Verteuerung das Nachsehen.
Ende September lag im Briefkasten der Schweizer Kunden ein Schreiben ihrer SAP-Landesgesellschaft, in der diese ihnen mitteilt, dass "der Enterprise Support Faktor für den […] Pflegevertrag […] mit Wirkung zum 1. Januar 2010 auf 18,9 % erhöht" wird. Die Reaktion auf den Brief ist eindeutig: "Die Kunden sind einmal mehr enttäuscht", sagt Peter Hartmann, Sprecher der IG Wartung, einem Zusammenschluss von 50 Schweizer SAP-Kunden, die gemeinsam ihre Interessen gegenüber SAP vertreten.
Nicht nur, dass SAP diesen Schritt getan hat, auch dass - vor allem nach dem kommunikativen Desaster 2008 - der Konzern seine Kunden nicht einmal warnte, ist ärgerlich. "Es ist schade, dass man auch hier nicht schon im Vorfeld Bescheid gegeben hat, dass sich der Zeitplan für die Ergebnisse des Benchmark geändert hat", so Hartmann. "Mit anderen Worten: Die Kommunikation lässt zu wünschen übrig."
SAP bricht mit dieser Preisforderung sein Versprechen gegenüber ihren Schweizer Kunden - und zwar ohne ersichtlichen Grund. Man habe lediglich ein Standardschreiben verschickt, wie es in jedem Jahr der Fall sei, reagiert die Schweizer Gesellschaft. Das Versprechen habe schließlich nicht die SAP gegeben, sondern die Anwendervereinigung SUGEN. Außerdem werde man sich auch an die Abmachung halten: "Stellt sich heraus, dass der im Benchmarking gemessene Mehrwert von Enterprise Support nicht in der angekündigten Höhe bei den Kunden aufschlägt, müssen diese auch nicht die Preiserhöhung bezahlen", sagt Holger Rungwerth, Pressesprecher SAP Schweiz. "Die Rechnungen, die wir ja erst im Januar verschicken, werden dies berücksichtigen."
Was es mit dem Benchmarking auf sich hat? Ein kurzer Rückblick: Beginn dieses Jahres hatte sich SAP mit der internationalen Anwendervereinigung SUGEN auf eine Messung ihres neuen Services Enterprise Support geeinigt. Ein Benchmark unter weltweit 100 SAP-Anwendern sollte den versprochenen Mehrwert des neuen Dienstes nachweisen. Dieser würde schließlich laut SAP wenigstens in Höhe der erfolgten Preissteigerung liegen. Bewahrheitet sich dieses Versprechen, so die Vereinbarung, folgt auch die nächste Gebührenanhebung. Wird der zusätzliche Nutzen jedoch nicht festgestellt, verzichtet SAP auf einen weiteren Anstieg.
Standards in punkto Wartungsqualität
Die Abmachung gilt weltweit - also für alle SAP-Kunden, die den Enterprise Support in Anspruch nehmen (müssen). Einzige Ausnahme sind lediglich die Deutschen und Österreicher, denen SAP weiterhin die Wahl zwischen Standard- und Enterprise-Support lässt. Und tatsächlich sind hier bisher lediglich knapp eine Viertel der Kunden umgestiegen.
Auch wenn viele Kunden sich nach wie vor über die "Zwangsabgabe" ärgern, die SUGEN-Vereinbarung war zumindest wieder ein Schritt in Richtung Zusammenarbeit. Ordentlich durchgespielt keineswegs zum Nachteil der Walldorfer: SAP kommt seinen Kunden zwar entgegen, was die Preisentwicklung betrifft. Aber der Konzern tut auch was fürs Image und kann zudem neue Standards in punkto Wartungsqualität setzen. Denn die Supportqualität zu messen, ist bislang keineswegs üblich innerhalb der Softwareindustrie. (Wozu auch, die Kunden müssen ja ohnehin zahlen)
Nach Ankündigung der neuen Abmachung wurde es von außen betrachtet zunächst einmal ruhig um das Thema Enterprise Support. Kein Wunder, schließlich wartete jetzt jeder auf die Ergebnisse der Messung.
Hinter den Kulissen arbeiteten Vertreter von SAP und SUGEN eifrig an der selbstgestellten Aufgabe. Sie wählten 100 Kunden aus - 45 in der Region EMEA, 32 in Amerika und 23 im Raum Asien-Pazifik und formulierten KPIs wie "Erhöhung der Anzahl der Tage ohne Ausfall", "Reduzierung der Zeit bei Störungen", CPU-Auslastung und Wachstumsrate" oder "Speicher-Auslastung & Wachstum". Insgesamt elf Punkte wollte man angehen.
Diesen Punkten wiederum stellte man eine Beschreibung an die Seite, die beispielsweise lautete: Verbesserung der Reaktionszeit bei Kundenmeldung, Reduzierung des Aufwandes für alle SAP-Kundenmeldungen oder Reduzierung von Hardware- beziehungsweise Speicherkosten. Als eine Reduzierung der TCO lassen sich diese Ziele wohl grob zusammenfassen.
Weiterhin 17 Prozent!
Nicht zuletzt wurde dem Ganzen auch ein konkreter Zeitplan zugrunde gelegt, der den Start des Benchmarkings im Frühsommer dieses Jahres vorsah und die ersten Ergebnisse Anfang bis Mitte September vorliegen haben wollte. Ende der Kalenderwoche 39 sollte dann das mit Spannung erwartete Fazit des ersten Durchlaufs bekanntgegeben werden - mit dem vereinbarten Resultat für die Preise im nächsten Jahr.
Die Kalenderwoche 39 verstrich jedoch, ohne dass irgendwelche Ergebnisse geliefert wurden. Statt dessen ist von einer Mitteilung im September zu erfahren, wonach SAP nun von seinen Kunden wissen möchte, welche Services sie denn eigentlich vermissen. Offiziell ohne Angabe von Gründen wurde dann die Ankündigung auf Ende November verschoben. Mit der Folge, dass die Kunden weiterhin in der Warteschleife hängen und nicht wissen, was sie im nächsten Jahren für ihren SAP-Support zu zahlen haben.
Bis auf die Schweizer eben. Zufall oder nicht, aber damit brüskiert SAP gerade jene Kunden, die bereits öffentlich der Mehrwert von Enterprise Support angezweifelt und die zu kurze Laufzeit für das erste Benchmarking kritisiert haben. Zumindest in Form ihres Verbundes IG Wartung. Doch klein zu kriegen sind die Eidgenossen anscheinend nicht, Die Reaktion einiger IG-Vertreter war eine knappe aber klare Botschaft an SAP: "erwarten ein optionales Wartungsmodell - bezahlen weiterhin 17 Prozent!"