Über 24.000 Besucher wurden auf der diesjährigen "NRF Big Show 2012“ registriert, die Mitte Januar von der amerikanischen National Retail Federation (NRF) in New York veranstaltet wurde. Es ging um neue Produkte, neue Einschätzungen der Marktentwicklung und viele Anwenderbeispiele von erfolgreichen Retail-Unternehmen. Neue Märkte wie Brasilien, Russland, Indien oder China (BRIC) standen besonders im Fokus. Diese Länder hatten auch auffällig viele Delegierte nach New York gesandt.
Die Retail-Branche gab sich insgesamt äußerst optimistisch und teilweise sogar euphorisch, was das weitere Wachstum angeht. Selbst in den USA, deren Wirtschaft von Krisensymptomen und hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist, gehen Analysten von einem Anstieg der Retail-Umsätze von etwa vier Prozent in diesem Jahr aus. Vor allem der Online-Bereich boomt. Allein Amazon konnte 2011 ein Wachstum von 30 Prozent vorweisen. Auch in Brasilien oder China legten die Online-Umsätze sehr stark zu.
Auf der NRF war deutlich ein Trend zur sogenannten Vertikalisierung zu sehen: Immer mehr Hersteller eröffnen eigene Läden und eigene Online-Shops und schalten somit den Zwischenhandel aus, und immer mehr Retailer ergänzen ihr Produktangebot um eigene Brands. Beide Entwicklungen bestätigen die Bedeutung des Handels als relativ stabilen Wirtschaftsmotor. Viele Unternehmen folgen dem Vorbild von Apple oder Amazon.
Alle außer EMC waren da
In New York waren denn auch außer EMC praktisch alle Hardware- und Software-Anbieter vertreten, um sich in diesem Umfeld zu präsentieren. Zum Teil stellten sie lediglich ihre auch für andere Branchen tauglichen Infrastruktur- und Backoffice-Lösungen vor. So präsentierte sich zum Beispiel der amerikanische Netzwerkbetreiber und Marktführer Comcast ausschließlich mit seinem klassischen Portfolio.
Wie ein Comcast-Unternehmenssprecher auf Nachfrage mitteilte, werden die eigenen Breitbandstrecken und Services schon allein deshalb immer wichtiger, weil die Online-Retailer ihren Kunden einen zuverlässigen Web-Auftritt garantieren müssen. Weitere Netzwerkanbieter und Telekom-Gesellschaften wie Orange Business Services, BT oder T-Systems wollen ebenfalls in Richtung Retail expandieren.
Cisco, Tata, IBM und HP - alle mischen mit
Cisco oder Tata Consultancy Services aus Indien waren mit eigenen Retail-Angeboten auf der Veranstaltung vertreten. Cisco brachte wieder einmal die Video-Conference-Lösungen ins Spiel, ungeachtet der jüngst aufgekommenen Sicherheitsbedenken. Videokonferenzen auf Management-Ebene, bei denen hochsensible Informationen zu Lager- oder Verkaufsstrategien besprochen werden, sind offenbar noch nicht ausreichend vor Mithören oder Viren geschützt.
Dell, IBM, HP oder Fujitsu waren nicht nur auf der Hardware-Seite mit einem breiten Angebot von Produkten über Server, Storage bis hin zu POS- und Kassenlösungen vertreten. Ebenso vor Ort waren auf der Software-Seite Oracle, SAP, Microsoft oder SAS - mit im Boot jeweils viele regionale Partner.
Die SAP-Aktivitäten
Viele Hersteller gaben exakt zur NRF ihre neuesten Ankündigungen bekannt. So hörte man von SAP, dass die schon seit längerem laufende Übernahme der Schweizer SAF nun abgeschlossen sei. Die SAF (Simulation, Analysis and Forecasting) habe sich als weltweiter Führer bei Software für automatische Bestellvorgänge und Lagerprognosen bewährt. Die nun mit bestehenden SAP-Lösungen integrierte Software könne Händlern dabei helfen, Risiken im Zusammenhang mit Lager, Regalauffüllung, Angebotsengpässen und Kostensenkungen zu minimieren.
SAP demonstrierte in New York auch, dass man insbesondere in der Modebranche Fuß gefasst hat. So zählt neben Ferragamo in Italien und vielen weiteren Firmen auch das amerikanische Modehaus Ralph Lauren zu den Kunden. Mode-Retailer müssten, so Lori Mitchell-Keller, die Leiterin der weltweiten Retail-Abteilung bei SAP, für ihre internationalen Expansionsbestrebungen in kürzester Zeit auf funktionierende Backoffice- und Shop-Lösungen zugreifen können. Gerade hier könne ihnen SAP die entsprechende Unterstützung bieten.
Mehr in einer unscheinbaren Ecke des Messegeländes versteckt fanden sich zwei IT-Anbieter, von denen man ein Retail-Engagement eher nicht erwartet hätte: Intel und Google.
Überraschend vor Ort: Intel und Google
Intel zeigte eine software-gestützte Applikation für Regalangebote, die auf Bildschirmen wechselnde Informationen für verschiedene Produkte liefert und zentral mit neuen Preis- oder Verfügbarkeitsdaten gefüttert werden kann – über diverse Verkaufsstellen hinweg.
Der Intel-Stand war von Fachbesuchern regelrecht umlagert. Ebenso hektisch ging es bei Google zu. Der Konzern plant offenbar, ein Programm zur Überprüfung der im Internet getätigten Einkäufe vorzulegen. Gegenwärtig finden Pilotversuche in den USA statt, bei denen beide Seiten der Transaktionen – Käufer und Verkäufer – auf von Google gesammelte Informationen zurückgreifen können. Spätestens dann, wenn Lager- oder Zahlungsprobleme auftauchen, soll man sich auch an Service-Stellen von Google wenden können. Mehr Informationen hierzu unter: www.google.com/trustedstores.
Was bis jetzt oft noch chaotisch und in einem Klima gegenseitigen Misstrauens abläuft, stände dann unter einer – privat und nicht staatlich organisierten – Kontrolle, die beide Seiten des oft noch anonymen Internet-Handels vor Missbrauch schützen könnte.
"Big Data“ war übrigens kein großes Thema mehr in New York. Kaum jemand wollte diesen Ausdruck noch in den Mund nehmen. Wieder ein Hype, der rasend schnell vorbei sein kann.