Nicht lange ist es her, dass sich Kunden des Walldorfer Software-Herstellers SAP lautstark über die geplante Erhöhung der Wartungsgebühren beschwert haben. Konkurrent Oracle indes verlangt für den Support schon seit längerem 22 Prozent der Lizenzkosten. Welcher Anbieter billiger ist, wollten die Marktforscher von RAAD Research aus Münster nun in einem umfassenden "Cost Structure Benchmarking" für den deutschsprachigen Markt herausfinden. Bei Kunden beider Anbieter wurden zahlreiche Kennzahlen erhoben. Das Ergebnis: Es kommt darauf an.
Eine einfache Aussage nach dem Muster "X ist teurer als Y" lassen die Studienergebnisse jedenfalls nicht zu. Dazu sei schon der Umfang dessen, was zu den IT-Kosten gezählt wird, von Firma zu Firma zu unterschiedlich, heißt es im Ergebnisbericht. Betrachtet wurden im einzelnen Software- und Implementierungskosten, Wartungsgebühren und Kosten aus dem laufenden Betrieb sowie die finanziellen Auswirkungen von Systemfehlern.
Einen grundsätzlichen, allgemein gültigen Rat will Cristian Wieland von RAAD Research aus der Erhebung denn auch nicht ableiten, wie er im Gespräch mit CIO.de betont. Ob ein Unternehmen mit SAP oder Oracle günstiger fahre, sei von sehr vielen "unternehmensspezifischen Bedingungen" abhängig. Diese könnten die Entscheider allerdings mit den Ergebnissen der Studie abgleichen.
Wieland räumt ein, dass die Kostenstruktur ohnehin nicht alleiniges Entscheidungskriterium für die Wahl des ERP-Anbieters sei. "Die Ergebnisse der Befragung könnten einem Unternehmen aber die letzte Nuance bei der Entscheidung geben", meint der Marktbeobachter.
Was die grundsätzliche Aussagekraft der Studie zusätzlich schwächt, ist die geringe Antwortquote von nur acht Prozent der Befragten. So habe man IT-Manager von etwa 1.000 Oracle-Anwenderfirmen angerufen, nur 86 wollten an der Umfrage teilnehmen, wie Wieland berichtet. Bei den SAP-Nutzern lag die Teilnehmerzahl bei 127.
SAP-Kunden nutzen häufig HR-Anwendungen der Walldorfer
Eine mögliche Erklärung für die Zurückhaltung sieht Wieland darin, dass Kosten ein "sensibles Thema" seien. Manchem Unternehmen habe womöglich das Vertrauen gefehlt, Daten herauszugeben. Andere hätten die zum Teil sehr speziellen Fragen nicht zu beantworten vermocht.
Beim Vergleich der Firmen aus verschiedenen Branchen zeigte sich zunächst, dass SAP-Nutzer häufiger Finance- und HR-Anwendungen des Anbieters nutzen, Oracle-Kunden dagegen haben häufiger CRM, SRM und Produktions-Software im Einsatz. Diese Unterschiede wurden allerdings für die Darstellung der anderen Umfrageergebnisse nicht weiter beachtet.
Lizenzen und Wartung machen weniger als zehn Prozent aus
Beim Vergleich der Lizenzkosten zeigte sich, dass sich diese nicht wesentlich unterscheiden. Ohnehin machen die Lizenzen und die in ihrer Höhe oft umstrittenen Support-Ausgaben oft weniger als ein Zehntel an den gesamten Kosten (TCO) aus, wie der RAAD-Bericht betont.
In der Gegenüberstellung der Lizenzkosten pro SAP- bzw. Oracle-Nutzer und der Lizenzkosten pro Mitarbeiter - die eingeschlossen, die nicht mit den Anwendungen arbeiten - wurden ebenfalls keine Unterschiede deutlich. Nur bei den Wartungskosten hatten die Oracle-Kunden erwartungsgemäß höhere Ausgaben als die SAP-Anwenderfirmen.
Um ein mehrfaches höher als die Kosten für die eigentliche Software können die Kosten für die Implementierung sein. Vor allem die Komplexität eines Implementierungsprojekts beeinflusst ihre Höhe. RAAD fragte nach Neu-Implementierungen, Release-Wechseln oder Migrationen. Den mit 80 Prozent weitaus größten Anteil machten bei Kunden beider Anbieter Release-Wechsel aus. Die meisten fanden in den letzten zwei Jahren statt.
Zahl der Release-Wechsel bei SAP und Oracle fast gleich
Kostenvorteile aufgrund einer im Durchschnitt geringeren Zahl von Release-Wechseln bietet der Befragung zufolge weder SAP noch Oracle. Die Zahl der Release-Wechsel umgerechnet auf ein Jahr unterscheidet sich nicht wesentlich.
Auch was Projektdauer und Arbeitsaufwand angeht, zeigen sich bei den Kunden beider Anbieter kaum Unterschiede. Zwar erwies sich die Zahl der notwendigen internen Manntage bei den SAP-Kunden als merklich höher. Doch die Autoren betonen, der Anzahl der Antworten mit detaillierten Aussagen in diesem Punkt sei zu gering, um daraus statistisch belastbare Schlüsse zu ziehen.
Anpassungen dauern bei Oracle länger
Das Customizing nimmt bei Oracle-Kunden deutlich mehr Zeit in Anspruch als bei SAP-Anwendern. Ob auch der Arbeitsaufwand größer ist, konnte nicht festgestellt werden, weil Daten über die notwendigen Manntage nicht erhoben wurden.
Ein ähnliches Bild wiederum zeigte sich bei den Ausgaben für externe Berater. SAP-Experten und Oracle-Experten haben der Umfrage zufolge ähnlich hohe Tagessätze. Fast gleich ist zudem die Zahl der Tage, die Kunden beider Anbieter für Software-Tests veranschlagen müssen.
Den mit um die 60 Prozent größten Teil der Ausgaben für ERP-Systeme machen der tägliche Betrieb und die Wartung aus. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Zahl der dafür eingesetzten Mitarbeiter. Deutlich wurde, dass die Oracle-Kunden im Vergleich zur gesamten Firmengröße wesentlich größere IT-Abteilungen unterhalten als SAP-Anwender. Ob der Grund dafür möglicherweise unterschiedliche IT-Strategien sind, sei unklar, wie die Verfasser des Studienberichts schreiben.
Zahl der IT-Mitarbeiter ähnlich groß
Was sich nicht unterscheidet, ist die Zahl der Mitarbeiter, die jeweils mit Anbieter-spezifischen Aufgaben betraut ist. Auch die Zahl der auf SAP oder Oracle zurückzuführenden Fehler ist ähnlich. In etwa gleich ist auch die Zahl der von außen zugekauften Berater-Leistungen für die SAP- oder Oracle-spezifische Anwendungsentwicklung.
RAAD nahm zuletzt auch die IT-Budgets der befragten Firmen unter die Lupe. Klare Unterschiede zwischen SAP- und Oracle-Kunden konnten auch hier nicht festgestellt werden. Auch die Höhe der Beträge, die spezielle für SAP- oder Oracle-Anwendungen eingesetzt werden, erwies sich nicht als deutlich unterschiedlich.
Zu jedem Lizenz-Euro kommen fünf Euro Zusatzausgaben
Eine grobe Faustformel zur Abschätzung der Kosten hat RAAD indes für SAP-Kunden parat. Für jeden Euro an Lizenz-Ausgaben kommen ungefähr fünf zusätzliche Euro an Implementierungskosten, also Ausgaben für Hardware oder Implementierungsdienstleistungen.