CIO: Nach dem Ärger um die Wartungsgebühren - wie hat sich das Verhältnis zu den Kunden entwickelt?
Snabe: Die Entscheidung, die Wartungsgebühren zu erhöhen, hatte SAP einseitig getroffen. Das war ein Fehler. Jetzt räumen wir den Kunden wieder eine Wahlmöglichkeit ein. Wir bieten Standard-Support und Enterprise-Support mit wesentlich höheren Leistungen. In den meisten Ländern haben zwischen 80 und 90 Prozent der Kunden den Enterprise-Support gewählt. Das heißt: Die Anwender wollen den besseren Support, aber sie wollen nicht dazu gezwungen werden. Das ist nachvollziehbar.
Die SAP-Kunden beschäftigen sich derzeit mit sehr konkreten Problemen wie Komplexität, Planungs- und Investitionssicherheit - Visionen scheinen wenig gefragt zu sein ...
Es geht um die Kombination zweier aufeinander aufbauender Themen. Das eine ist: Wie kann ich als Kunde Geld sparen, meine IT-Landschaft konsolidieren und die Qualität sicherstellen? Dadurch werden - und das ist das andere - Ressourcen frei, die die Anwender in Innovationen stecken können.
Was bedeutet das für SAP?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: die neue SAP-Usability auf dem iPad. Das funktioniert nur, wenn wir uns auch um die grundlegenden Hausaufgaben wie Qualität, Skalierbarkeit, Konsolidierung und TCO-Reduktion kümmern. Deshalb nehmen wir Verzögerungen beim Enhancement-Package 5 für die Business Suite in Kauf, um optimale Qualität zu erreichen.
Warum sind die SAP-Landschaften so komplex geworden? Hatten die Kunden zu viel Freiraum, die Systeme selbst zu modifizieren?
Darüber diskutieren wir laufend mit der DSAG und den Anwendern. Sicherlich ist es richtig, dass die SAP-Landschaften oft relativ komplex sind. Aber was ist die Alternative? Eine Kombination von mehreren Applikationen unterschiedlicher Hersteller mit verschiedenen Datenmodellen. Das ist viel komplexer. Dann brauche ich nämlich eine riesige Menge an Middleware, um das überhaupt übersetzen und einheitlich darstellen zu können
Heißt das, man wird sich mit der Komplexität abfinden müssen?
In der Zeit, als Best-of-Breed en vogue war, haben wir zu stark auf dieses Modell gesetzt. Wir wollten schnell mit unseren Entwicklungen auf den Markt kommen. Dadurch haben wir uns in der Entwicklung Inkonsistenzen erlaubt. Das versuchen wir jetzt durch unseren Business-Suite-Ansatz zu verbessern.
Wie soll das funktionieren?
Die SAP-Teile passen zusammen - wie Lego-Bausteine. Man kann natürlich auch Lego und Playmobil zusammenbauen - dazu braucht man allerdings sehr viel Kleber, und das Endergebnis ist nicht besonders flexibel. Da hat unser Geschäftsmodell einen großen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die sich durch eine Akquisition nach der anderen hervortun.
Wann wird es so weit sein?
Wir entwickeln alle neuen Software-Teile nach einem konsistenten Blueprint. Beispielsweise hat unsere Business-ByDesign-Plattform vordefinierte Integrationspunkte, wie User Interfaces aussehen, wie das Lifecycle-Management funktioniert. Und in der Suite räumen wir auf: Hier liegt der Konsistenzgrad derzeit zwischen 60 und 70 Prozent, und wir wollen bis zu 90 Prozent erreichen.
"Wir bauen auf SOA"
Das bedeutet doch aber, dass es eine proprietäre SAP-Welt geben wird. Widerspricht das nicht dem großen SOA-Traum?
Nein - im Grunde bedeutet es den nächsten Schritt von SOA. Wir bauen mit unserer Architektur weiter auf SOA. Es wird keine proprietären Integrationspunkte in der SAP-Welt geben. Alles wird offen sein.
Wenn Sie sagen, es geht alles viel einfacher, dann haben aber die Partner ein Problem: Die haben in der Vergangenheit viel Geld mit der Komplexität der SAP-Landschaften verdient.
Es gibt nach wie vor genügend Projekte. Ich glaube außerdem, dass man mit einem Pre-Package-Ansatz mehr verdienen kann, als nur Stunden zu verkaufen.
Sehen das die Partner auch so?
Mit standardisierten Lösungen lässt sich mehr verdienen. Nicht mehr Geld pro Projekt, aber man hat mehr Projekte.
Ändern sich dabei die Ansprechpartner? Sprechen Sie jetzt mit den Fachabteilungen direkt?
Wir müssen immer auch mit der IT reden. Hier geht es schließlich um die Konsistenz und TCO der IT-Landschaft.
Wenn wir uns die aktuellen Diskussionen um In-memory und Mobile ansehen: Ist es nach wie vor so, dass SAP sehr an der Technik hängt?
Wenn ich mit einem Bankvorstand zusammensitze und erzähle, In-memory sei zehntausendmal schneller als Disk, dann nickt er höflich, sagt "Interessant" und fragt mich, ob ich noch einen Kaffee möchte. Wenn ich aber sage: Was würde im Bankengeschäft passieren, wenn man ein realtime-basiertes Risk-Management für die transaktionalen Daten haben könnte? Dann geht es nicht um Kaffee, sondern um Fragen, wie das funktioniert und wie schnell so etwas umgesetzt werden könnte. In-memory ist eine Technik. Unsere Aufgabe ist es, diese Technik für das Business zu übersetzen.
Die drei Ebenen der SAP-Produktwelt
Welchen Einfluss hat das auf die Produkt-Roadmap von SAP?
Unsere Produktwelt hat drei Ebenen: on-premise, on-demand und on-device. In der On-premise-Welt bildet ERP 6.0 den Kern, und die verschiedenen Teile unserer Business-Lösungen werden in der Business Suite 7 plus den Enhancement Packages zusammengefügt. Hier ist die Strategie, das Paket laufend zu erweitern und zu verbessern, aber ohne aufwendige Upgrades für die Kunden. Das lief mit den Enhancement Packages im Grunde ganz gut. Im Endeffekt werden die Enhancement Packages aber immer größer, weil die Inhalte der vorangegangenen Pakete auch im jeweils neuesten Paket mit enthalten sind. Deshalb wollen wir künftig modulare Enhancement Packages ausliefern.
Wie fließen neue Entwicklungen wie In-Memory in die Roadmap ein?
Wir werden In-memory zunächst parallel einsetzen, beispielsweise mit Hana, einer speziellen Applikation für Transaktionen von sehr großen Datenmengen, die wir bereits mit Kunden testen. Alle Daten werden parallel in den Hauptspeicher eines separaten Rechners gezogen. Das funktioniert realtime: Alle Daten werden parallel in der relationalen Datenbank des ERP-Systems und in der In-memory-Datenbank der Applikation gebucht. Damit habe ich sämtliche Daten aus der Business Suite auch in In-memory. Das läuft ohne Unterbrechung und Veränderungen am System.
In Business ByDesign ist In-Memory bereits integriert. Seit zwei Monaten ist Ihre On-Demand-Lösung jetzt auf dem Markt. Können Sie schon sagen, wie das Produkt läuft?
Wir haben mit BBD einen schlechten Start gehabt, weil wir damit zu früh an den Markt gegangen sind. Die Folge war ein negatives Image. Im On-Demand-Geschäft muss man die günstigste Plattform haben, um erfolgreich zu sein.
Und wie läuft das Geschäft jetzt?
Das Produkt ist jetzt in sechs Ländern zu haben. Das Geschäft läuft wie geplant. Wir bekommen gute Kunden. Aber derzeit sind wir mit einem High-Touch-Geschäftsmodell im Markt unterwegs. Ziel muss ein No-Touch-Geschäftsmodell sein. Ähnlich wie iTunes. So weit sind wir aber noch nicht.
Wenn Sie von iTunes sprechen - können Sie sich dann so eine Art Appstore für Business ByDesign vorstellen?
Das ist meine Vision. Ich will, dass SAP mit dem mobilen Ansatz und einem Appstore mit Erweiterungen für Business ByDesign im Prinzip ein Apple für Business-Software wird. Sicher ist das nicht hundertprozentig mit Apple zu vergleichen. Aber ich glaube, dass es einen Bedarf an einem innovativen Business-Software-Ansatz gibt. Ähnlich wie mit den Plattformen Apple und Android, auf denen ein ganzes Ökosystem aktiviert wurde. Das ist die Chance für Business ByDesign.
Finanzierung losgelöst von der Technik betrachten
Und wie will SAP mit On-Demand Geld verdienen?
Ich glaube nicht, dass On-Demand automatisch heißen muss: Lizenzen mieten. On-Premise kann gekauft oder gemietet werden, genauso wie On-Demand gekauft oder gemietet werden kann. Die Frage ist, wie die Software geliefert wird. Wir müssen die Finanzierung losgelöst von der Technik betrachten. Aber es stimmt: Das Verhältnis bei SAP, wie viel Software gekauft und wie viel gemietet wird, wird sich ändern. Wir wollen mit On-Demand einen neuen Umsatzstrom erschließen. Ich glaube etwa, dass BBD für Großunternehmen interessant sein könnte. Die meisten würden das Produkt aber gerne kaufen wollen, weil das langfristig günstiger ist. Kleine Firmen wiederum wollen flexibler sein.
Also neue Kundengruppen erschließen und die vorhandene Kundengruppe damit erweitern?
Wir behaupten, dass weltweit fast zwei Drittel aller Business-Transaktionen über SAP-Systeme laufen. Unser Anteil an den IT-Budgets auch bei den großen Unternehmen, die viel SAP einsetzen, liegt bei vielleicht fünf bis sechs Prozent. Ich möchte, dass wir die Gesamtkosten senken und unser Anteil größer wird.
SAP will eine Milliarde Nutzer. Wie soll das gehen?
Wir wollen weg von unserem traditionellen Denken. Wir denken meist an unsere Professional User, und je mehr auf einen Bildschirm passt, umso besser. Wenn wir von einer Milliarde Nutzer reden, dann müssen
Sie sich das so vorstellen: Es gibt weltweit 2,5 Milliarden Geschäftsleute, die immer leistungsfähigere Mobilgeräte nutzen. Ich sehe es bei mir selbst. Auf meinen Reisen habe ich mein BI- und CRM-System als Online-Varianten auf dem iPad immer dabei.
Der PC hat ausgedient
Was werden aus Ihrer Sicht die bevorzugten Devices sein?
Ich denke, wir werden noch in diesem Jahr zehn bis 15 schicke Pads sehen. Das wird aus meiner Sicht das bevorzugte Interface sein, nicht ein PC. Wir wollen nicht mehr sieben Minuten warten, bevor alles läuft.
Wie sieht es mit den Lizenzen aus? Die Kunden beklagen die Komplexität und Intransparenz der Preis. Das wird mit der mobilen Welt nur noch schlimmer.
Das ist ein schwieriges Thema. Wir verkaufen im Prinzip Produkte, die wir in einer Liste mit einem Preis bewerten. Nicht alle sind jedoch mit einem User-Modell zu beschreiben. Es gibt also auch andere Metriken, was die Sache kompliziert macht. Ich hätte lieber eine Art Solution-Preisliste. Das heißt zum Beispiel: Für Energy-Management braucht ein Kunde fünf Komponenten. Daraus plus Best-Practices schnüre ich ein Paket, und dafür gibt es einen Preis. Das ist genauso wie bei einem Auto. Da kaufe ich ja auch nicht die Einzelteile.