Der vom Wähler gewollte Ausstieg der Briten aus der EU könnte den Walldorfern bei der Aufholjagd im Lizenzgeschäft kurz vor Toresschluss in die Quere gekommen sein, schätzen Analysten. Im ersten Quartal enttäuschte der Dax-Konzern im angestammten Geschäft mit fest installierter Software - die Unruhe und der Ausgang des Votums auf der Insel dürfte es den Vertriebsleuten im wichtigen Schlussspurt zum Ende des zweiten Vierteljahrs erneut schwer gemacht haben. SAP will den Quartalsbericht am 20. Juli vorlegen, Experten rechnen aber schon Ende dieser Woche mit Eckdaten.
Ganz so schwarz müssen Anleger dem Termin aber wohl nicht entgegensehen. Kepler-Analyst Laurent Daure geht davon aus, dass die Erwartungen an den Lizenzverkauf am Markt ohnehin recht niedrig sind, was eine große Enttäuschung verhindern sollte. Einige Dutzend Millionen Euro Umsatz könnte der Brexit ihm zufolge zwar gekostet haben, wegen des schwachen Abschneidens im Vorjahr dürfte es aber dennoch zu Wachstum gereicht haben. Fünf von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX befragte Analysten rechnen im Schnitt mit einem Plus von knapp einem Prozent auf 987 Millionen Euro Lizenzumsatz.
Das Augenmerk legt das SAP-Management um Chef Bill McDermott zwar ohnehin immer mehr auf das zunkunftsträchtigere Geschäft mit Cloud-Software, also Programme, die über das Internet nutzbar sind und im Mietmodell bezahlt werden. Doch die erklärte Zukunftssparte ist noch nicht so profitabel wie das Lizenzgeschäft: Brechen die Lizenzumsätze zu schnell weg, droht Finanzchef Luka Mucic die von Investoren vielbeachtete operative Gewinnmarge zu entgleiten. Die Cloudsparte wächst dafür rasant, diesmal dürften die Erlöse um knapp 30 Prozent auf 720 Millionen Euro geklettert sein.
So schätzen die Branchenexperten für das zweite Quartal inklusive der wichtigen Wartungsverträge und der kleineren Beratungssparte einen Gesamterlös von rund 5,21 Milliarden Euro. Das wäre ein Plus von knapp 5 Prozent. Das um Sondereffekte wie Umbaukosten und Aktienvergütungen bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern sollte demnach um 3,5 Prozent auf 1,44 Milliarden Euro gewachsen sein.
Überhaupt sehen die Analysten die weitere Entwicklung gelassen. Deutsche-Bank-Experte Alex Tout verweist auf den zunehmenden Anteil wiederkehrender Erlöse - diese seien extrem robust. Cloud-Software hat zwar noch nicht so hohe Margen. Die zunächst dreijährigen Mietverträge bieten aber weitaus stabilere und besser planbare Erlöse. SAP biete Anlegern daher einen relativ sicheren Hafen auch in unruhigeren Zeiten, so Tout. Auch Commerzbank-Analyst Thomas Becker rechnet mit einer Bestätigung der Jahresprognose.
Trotz kurzfristig möglicher Rückschläge gibt es von den meisten Analysten Vorschusslorbeeren insbesondere für die Chancen der neuen Version von SAPs Kernsoftware für die Unternehmenssteuerung. Grundlage der S4 genannten Variante ist die schnelle, eigene Datenbanktechnik Hana, die vielen SAP-Programmen Schnelligkeitsvorteile vor den Rivalen verschaffen soll. Jeder neu hinzukommende oder umsteigende Kunde bringt SAP Geld.
Einige Experten wie Jefferies-Analyst Milan Radia sind zwar skeptisch, was das Tempo des Umstiegs insbesondere von Großkunden betrifft. Tout von der Deutschen Bank ist da zuversichtlicher. Langfristig zahle sich der neue Produktzyklus aus, ist Berenberg-Experte Gal Munda überzeugt: "Hana zählt - der Brexit tut es nicht". (dpa)