Bei umgerechnet etwas mehr als einer Milliarde Euro lagen die Offshoring-Erlöse in China im Jahr 2007. Bis 2010 sollen sie nach einer Studie von Deutsche Bank Research drei mal so hoch sein. Die jährliche durchschnittliche Wachstumsrate liegt laut dem Bericht mit dem Titel "Offshoring nach China - Von Werkbank zu Backoffice?" bei 41 Prozent.
Was das Wachstum ankurbelt, ist zum einen die stark wachsende Zahl an hoch qualifizierten Arbeitskräften. Vier Millionen Hochschulabsolventen werden derzeit in China jährlich ausgebildet - Tendenz steigend. Seit der Jahrtausendwende hat die Zahl der Abgänger jedes Jahr um ein Viertel zugenommen. Außerdem unterstützt die Regierung die Entwicklung von China zum Offshoring-Standort.
Zu Indien aufschließen wird China gleichwohl so schnell nicht. Chinesen erwirtschaften derzeit nur drei Prozent ihrer Exporterlöse mit IT-Diensten, Inder 26 Prozent. Damit entfallen 45 Prozent des Weltmarktes auf diesem Feld auf den Subkontinent.
Ein erfolgreicher Offshoring-Standort zeichnet sich laut den Studienautoren durch vier Merkmale aus: Das Bildungsniveau muss hoch sein, die Sprachkenntnisse vor allem in Englisch müssen gut sein, außerdem müssen sich die Kunden darauf verlassen können, dass ihr geistiges Eigentum bei den Dienstleistern in sicheren Händen ist. Entscheidend ist natürlich auch ein niedriges Lohnniveau.
Von der hohen Zahl der Hochschulabsolventen in China arbeiten längst nicht alle später in der Informationstechnologie. Mitarbeiter mit hoher technischer Ausbildung werden vor allem in der Industrieproduktion gebraucht. Diese Branche konkurriert also mit den Informationstechnologien um qualifizierte Mitarbeiter.
Mehr Englisch, weniger Piraterie
Die Englischkenntnisse der chinesischen IT-Fachkräfte sind laut der Untersuchung die "Achillesferse" des Landes als Offshoring-Standort. Die Verfasser verweisen darauf, dass in allen stark auf den Export spezialisierten asiatischen Ländern außer Japan und China Englisch offizielle Landessprache ist oder von großen Teilen der Bevölkerung gesprochen wird, etwa in Korea. Als positiv wird indes bewertet, dass Englisch in China ab der Grundschule verpflichtend als Fremdsprache gelehrt wird. Notwendig sei allerdings noch mehr Übung in freier Konversation.
Was den Schutz des geistigen Eigentums angeht, besteht in China ebenfalls noch Nachholbedarf. Die Offshoring-Untersuchung verweist auf Schätzungen, wonach mehr als 80 Prozent der in China verwendeten Software nicht regulär erworben wurde. Selbst vor dem Hintergrund, dass in ärmeren Ländern grundsätzlich häufiger Raubkopien eingesetzt würden als in reicheren, stehe China noch schlecht da.
Löhne wie in Indien
Die Autoren rechnen vor: Jeder zusätzliche Prozentpunkt an überproportionaler Software-Piraterie senke den Exportanteil von IT-Dienstleistungen um 0,1 Prozentpunkte. Könnte China das Ausmaß an Software-Piraterie auf ein durchschnittliches Maß senken, könnte der Anteil der IT-Exporte um etwa einen Prozentpunkt auf dann vier Prozent ansteigen.
Die Löhne von chinesischen IT-Experten liegen indes auf ähnlichem Level wie die in Indien. Auch die Lohnsteigerungen von 14 bis 15 Prozent sind fast gleich. Durchschnittlich verdient ein Angestellter in der Softwareentwicklung oder mit Computerdienstleistungen im Jahr rund 6.000 Euro. Die IT-Fachleute stehen damit an der Spitze der Einkommenspyramide im Reich der Mitte.
Was die Durchschnittsangabe verschleiert: Die Unterschiede sind je nach Arbeitgeber oder auch Region beträchtlich. Während ein IT-Spezialist in der Provinz Gansu, die sich von Zentral- nach Nordwestchina erstreckt, 2.100 Euro im Jahr bekommt, kann sein Kollege in Shanghai oder Peking dafür mehr als 10.000 Euro einstreichen.
Höhere Löhne, höhere Produktivität
Dass Standorte mit höheren Lohnkosten eine schlechte Zukunft haben, dürfe man daraus allerdings nicht schließen, mahnen die Studienautoren. Häufig würden höhere Löhne durch eine höhere Produktivität der Mitarbeiter an diesen Standorten wettgemacht. Standorte wie Peking könnten auch davon profitieren, dass das Senken von Kosten beim Offshoring zunehmend in den Hintergrund trete.
Derzeit entfallen 70 Prozent der Leistungen im IT-Offshoring in China auf Dienstleistungen wie Anwendungsentwicklung, Qualitätssicherung oder Softwaretests. Die verbleibenden 30 Prozent sind BPO-Dienste wie etwa die Kundenbetreuung. Sehr große Offshore-Anbieter gibt es in China derzeit nicht. So hat eines der größten Unternehmen in diesem Bereich, Neusoft, gerade einmal 13.000 Mitarbeiter. Die großen indischen Anbieter wie Tata Consulting bringen es dagegen auf mehr als 75.000 Arbeitskräfte.
Kunden aus Japan und Korea
Die meisten Kunden der chinesischen Offshore-Anbieter kommen aus Japan und Korea. Die drei führenden erzielen fast 80 Prozent ihrer Offshoring-Erlöse mit Kunden aus dieser Region. Die Studie erklärt das zum Teil damit, dass China mit diesen Ländern geschichtlich und kulturell eng verbunden sei. Indische Anbieter liefern im Gegensatz dazu vor allem nach Großbritannien und in die USA.
Wenn China auch ein Nischenstandort bleiben wird, so ziehen die Studienautoren aus den erhobenen Zahlen gleichwohl den Schluss, dass man das Reich der Mitte nicht unterschätzen dürfe. Zum einen fördere die Regierung in ihrem derzeitigen Fünfjahresplan die Entstehung weiterer Offshore-Anbieter. Im Rahmen dessen soll auch das geistige Eigentum besser geschützt werden. Und das Manko der schlechten Englischkenntnisse wird zum Teil dadurch aufgefangen, dass die chinesischen Dienstleister einen großen Anteil ihrer Arbeit für die chinesischen Tochterunternehmen internationaler Konzerne erbringen. Sprachliche und kulturelle Hürden fallen dabei größtenteils weg, gleichzeitig knüpfen die Dienstleister Kontakte zu internationalen Firmen.