Natürlich sei es schön, die ganze Belegflut los zu sein, sagt Roland Waldner, Leiter des Zentralbereichs Betriebswirtschaft der Kolbenschmidt Pierburg Gruppe (KSPG) aus Neckarsulm. "Was Kolbenschmidt Pierburg mit E-Invoicing aber vor allem anstrebt, ist die elektronische Weiterverarbeitung der Rechnungen. Wir suchen fortlaufend nach Möglichkeiten, unsere Prozesse effizienter zu gestalten." Waldner hat das Projekt gemeinsam mit den Verantwortlichen für die Finanzbuchhaltung Anfang 2007 angestoßen und dessen Leitung übernommen.
Angestachelt haben ihn die Ausgaben, die mit Rechnungen auf Papier einhergehen. Berücksichtigt man Personal- und IT-Kosten, ergibt sich je nach Unternehmensgröße und Branche ein Kostenblock zwischen 3,20 Euro und 14 Euro pro Beleg.
Rechtsverbindlich und schneller
Die Alternative: Ein elektronischer Rechnungsversand im PDF-Format oder EDI-Rechnungen sind schneller, ebenso rechtsverbindlich, aber weniger fehlerbehaftet als Dokumente in Papierform. Statt einer manuellen, zeitaufwendigen und fehleranfälligen Einzelverarbeitung von Rechnungen empfahlen sich ein die Qualität sichernder, weil weitgehend automatisierter Prozess - und deutliche Kostensenkungen.
Beim Übergang zum elektronischen Rechnungsversand ist jedes Unternehmen auf die Akzeptanz der Partner angewiesen. Doch das kann ein langer Weg werden: Bei KSPG sollen derzeit rund 100 Lieferanten der sechs deutschen Hauptgesellschaften angebunden werden. Neben der Akzeptanz der Partner ist auch deren technische Infrastruktur ein Knackpunkt. So erweist sich der elektronische Kanal als alles andere als homogen, bedingt durch unterschiedliche Protokolle, Portale und Übertragungswege. Um eine Überlappung mehrerer elektronischer Prozesse zu vermeiden, liegt die größte Herausforderung in einem Standardmodell zum elektronischen Informationsaustausch. In anderen Bereichen setzt das Unternehmen längst EDI ein, nicht aber im Rechnungsprozess. Hier verschickte jeder Lieferant seine Rechnung bislang nur per Post.
Kolbenschmidt Pierburg eruierte noch vor Beginn des Projekts die gemeinsame Basis der sechs deutschen KSPG-Gesellschaften und zog anschließend einen externen Berater hinzu, um die technologischen und organisatorischen Koordinaten festzulegen. Erst dann folgte die Projektausschreibung.
Von Anfang an waren auch die CIOs der betroffenen Gesellschaften beteiligt, da ihr Votum mitentscheidend für die Auswahl des externen EDI-Dienstleisters sein sollte. Die Anforderungen: Der gesuchte Outsourcing-Partner musste mit Blick auf die weltweite Ausrichtung des Unternehmens ein internationales Servicekonzept aufweisen und in der Lage sein, das Unternehmen auch in zehn Jahren noch erfolgreich zu begleiten.
Das Ausland kommt später
Seit Mitte 2007 kooperiert Kolbenschmidt Pierburg mit Crossgate aus Starnberg bei München. Das Projekt befindet sich bereits in Umsetzung, als Pilotgesellschaft fungiert die KS Kolbenschmidt GmbH. Zum Einsatz kommen die Crossgate-Produkte "eInvoicing Inbound" und "Invoice Factory", Letzteres unter Verantwortung von Scanpoint, einem Dienstleister aus dem badischen Waldbronn für Dokumentenerfassung und Archivierungs-Management. Nach aktuellen Planungen sollen alle deutschen Gesellschaften des Automotive-Zulieferers bis Ende 2008 fertig angebunden sein. Danach prüft das Unternehmen die Umstellung der auslän-dischen Gesellschaften in Italien, Frankreich, Spanien und Tschechien und will dort ab 2009 durchstarten.
Sollte ein Lieferant nicht zur Umstellung auf EDI bewegt werden, nimmt Crossgate die Rechnung via "Invoice Factory" entgegen. In diesem Fall werden die Rechnungen gescannt und über die B.I.P. ("Business-Integration-Plattform") an KSPG als EDI-Datensatz gesendet. Aus Sicht der KSPG ist der Rechnungseingang damit zu 100 Prozent automatisiert.
Das Vorhaben wird durch die EU-Richtline 2001/115 vom 20. Dezember 2001 deutlich begünstigt. Die Vorschriften ermöglichen nicht nur eine vereinfachte, harmonisierte Rechnungserstellung, sondern verpflichten die Mitgliedstaaten sogar dazu, die Gültigkeit elektronischer Rechnungen anzuerkennen. Zudem wurden die grenzüberschreitende Ausstellung und Aufbewahrung digitaler Rechnungen vereinheitlicht, was die Verwaltungskosten des elektronischen Handels weiter senkt.
Davon profitiert wohl auch Roland Waldner: "Noch befinden wir uns in der Anfangsphase unseres Projekts. Doch eines lässt sich bereits jetzt feststellen: Wir sind im Rahmen der vereinbarten Zeiten und Kosten."