Früher war alles anders. Heute müssen sich IT-Leiter sogar mit Schulnoten bewerten lassen. Von ihren Kunden, die eigentlich überhaupt keine Ahnung von IT haben. Die hohe Ansprüche stellen. Denen IT grundsätzlich zu teuer ist. Jörg Peschke bekam 2010 immerhin ein "knapp gut" - 10,2 Punkte auf der Schulnotenskala der Oberstufe - von seinen Kunden für die Bewertung der "IT als aktiver Unterstützer des Business".
Das war für den Leiter IT-Betrieb der gesetzlichen Krankenversicherung KKH Allianz und sein Team zwar kein Anlass für eine Jubelfeier, aber immer noch deutlich besser als der damals aktuelle Mittelwert deutscher Unternehmen von 8,9 Punkten. Peschke war zufrieden mit der Schulnote - und sogar mit der Tatsache, dass er überhaupt benotet werden konnte.
Die KKH Allianz (Ersatzkasse Kaufmännische Krankenkasse - Allianz) mit Sitz in Hannover entstand 2009 durch den Zusammenschluss mit der Allianz-Betriebskrankenkasse und der Metro AG Kaufhof BKK.
Früher war das tatsächlich anders. Jahrelang sah sich die Datenverarbeitung als das Maß der Dinge, erinnert sich der Leiter IT-Betrieb in der gesetzlichen Krankenversicherung: "Der Kunde hatte ja begeistert und fasziniert zu sein." Zwischenzeitlich ist das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen, die IT musste herunter von ihrem hohen Ross. Mit dem Ergebnis, dass "der Kunde mittlerweile viel Beachtung in der IT findet", sagt Hubert Buchmann, Managing Director der Benchmarking-Beratungsgesellschaft Maturity. Dabei schoss man gelegentlich über das Ziel hinaus: "Mit Rundum-Sorglos-Paketen wurde König Kunde regelrecht hofiert." Die Entwicklung der Kundenmeinung innerhalb eines Jahres zeigt daher auch Verbesserungen der IT auf breiter Front.
Nun sind viele IT-Abteilungen an dem Punkt angekommen, wo es nicht mehr möglich ist, den Gürtel um die Technik enger zu schnallen. "Wer dann Kosten weiter reduzieren muss, braucht flankierende Maßnahmen, um beispielsweise indirekte Kostentreiber wie die Qualität zu beeinflussen", so Buchmann. Dabei müsse jedoch stets kontrolliert werden, wie Veränderungen beim Kunden ankommen. Denn die Faustregel gilt immer noch: Der Kunde ist sehr sensibel und hat eine selektive Wahrnehmung - zehn gute Projekte werden zur Kenntnis genommen und vergessen, ein schlechtes Projekt bleibt hingegen über Jahre im Gedächtnis.
Sparmaßnahmen an der falschen Stelle können hier schnell ins Gegenteil umschlagen. Dies betrifft nicht nur intern erbrachte Leistungen der IT, sondern zunehmend auch extern beschaffte Services, beispielsweise den Service-Desk. "Eine schlechte Leistung bleibt ja nicht beim Support-Mitarbeiter in der Offshore-Region haften, sondern beim IT-Chef vor Ort", sagt Buchmann. Die bizarre Situation: Während der IT-Manager vom Finanzvorstand gelobt wird, wächst in der Belegschaft der Ärger über die gesunkene Qualität. Wird nur eine Dimension der IT mit Kennzahlen bewertet, ist das Bild nicht vollständig. Das Risiko, in die falsche Richtung zu steuern, steigt.
Wie Anwender die IT wahrnehmen
Die Zahl der Server, das Betriebssystem, der Ursprung verschiedener Leistungsbausteine, was die Server kosten - das interessiere den Anwender nicht, argumentiert Peschke von der KKH Allianz. Der PC muss starten, die Anwendungen müssen laufen, und wenn es Probleme gibt, sollten sie schnell gelöst werden - "so nehmen Anwender die IT wahr". Die beiden wichtigsten Schnittstellen des Kunden mit der IT betreffen demnach den Input der Anforderungen in die IT sowie den Output der Leistung: "Eine IT muss das im Hintergrund so organisieren, dass es dem Endkunden nicht auffällt", fordert Peschke, der seine Rolle als eine Art "Anwalt der Kunden" interpretiert.
Nach Aussage des Benchmarking-Experten Buchmann stellen sich viele IT-Manager derzeit die Frage, ob die Qualität ihrer Prozesse zu hoch ist und wie lange sie sich die eigenen Vorgaben noch leisten können: "Die Kunst besteht darin, die angestrebte Serviceorientierung nicht zu großzügig auszulegen." Ziel sollte ein ausgewogenes Verhältnis aus Kosten und Leistungen sein. Durch die Kombination aus Anwenderbefragung und Kostenanalyse lassen sich Maßnahmen und Lösungswege erkennen: "Das Austarieren zwischen Kosten und Qualität kann ich nicht nur an den rein technischen KPIs festmachen, sondern auch an der Reaktion der Kunden."
Und wann ist eine IT wirklich erfolgreich? Diese "Gretchenfrage" lässt sich Peschke zufolge nicht allein mit harten Kennzahlen beantworten, sondern nur durch die Menschen, die mit "dem Werkzeugkasten" IT arbeiten müssen: "Für Mitarbeiter ist das Gesamtpaket aus Technik und Serviceerlebnis entscheidend." Durch Differenzierungsmerkmale aus beiden Bereichen könne eine IT Erfolg generieren. Das sicherlich subjektive, aber für eine Gesamtbeurteilung notwendige Konsumentenerlebnis müsse künftig in jedem Fall mehr Raum bei Diskussionen über die IT erhalten, fordert Peschke: "Jede IT, die ihren Auftrag ernst nimmt, muss solche Parameter erheben und sich damit auseinandersetzen."