Die besten Bedingungen für Rechenzentren weltweit gibt es in den USA, gefolgt von Großbritannien und Schweden. Deutschland folgt direkt dahinter auf einem sehr guten vierten Rang, verlor im Vergleich zum Vorjahr aber seinen Podestplatz an Schweden.
O.k., das mit den „besten Bedingungen" ist eine etwas verkürzte, aber nicht ganz falsche Wiedergabe. Die genannten Länder führen den „Data Center Risk Index" an, den die Beratungshäuser Hurleypalmerflatt, Cushman & Wakefield und Source8 erstellt haben. Abgebildet werden in der Studie die wichtigsten Risiken, die den erfolgreichen Betrieb eines Rechenzentrums gefährden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Vereinigten Staaten auch im Jahr des Hurrikans Sandy im Großraum New York ihre Spitzenposition hielten. Zwar bedeutete das den vorletzten Platz in der Kategorie Naturkatastrophen, aber diese genießt – anders als in der öffentlichen Wahrnehmung – im Ranking nicht die höchste Bedeutung.
30 Länder, 13 Kriterien
Die drei Consulting-Firmen haben insgesamt 30 Länder in ihre Rangliste der Data Center-Standorte gepackt. Bewertet wurde nach 13 Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung. Als wichtigste Kategorien galten den Studienautoren Energiekosten, internationale Bandbreite und die Möglichkeit, störungsfrei Geschäfte zu machen. Es folgen sieben Kriterien, die wenig stark gewichtet wurden: Unternehmensbesteuerung, Arbeitskosten, politische Stabilität, Nachhaltigkeit, Naturkatstrophen, Bildungsniveau und Energiesicherheit. Noch weniger Bedeutung wurde den verbliebenen drei Kategorien zugemessen: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Inflationsrate und Verfügbarkeit von Wasser.
Ein erster unbefangener Blick auf das Ranking macht deutlich, dass von der Gewichtung der Faktoren vieles abhängt und man die komplexe Frage der Rechenzentrums-Risiken sicherlich auch ganz anders beantworten könnte als die drei Beratungshäuser. Kein Standort ist frei von eklatanten Schwächen. Die USA als souveräner Gesamtsieger liegen wie erwähnt bei der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen nur knapp vor Japan und sogar auf dem letzten Platz bei den hohen Steuern, die Firmen zu zahlen haben. Der Spitzenplatz bei der Breitbandverkabelung sowie Top-Plätze auch bei den beiden anderen Top-Kriterien bedeuten am Ende aber unangefochten Platz Eins.
Katar demgegenüber wartet wenig überraschend mit den niedrigsten Energiekosten auf, dazu mit dem höchsten Bruttoinlandseinkommen pro Kopf und der zweitniedrigsten Unternehmensbesteuerung. Wegen der schlechtesten Breitbandversorgung reicht das am Ende nur zu einem mittelprächtigen zehnten Platz. Sogar noch einen Platz schlechter schneidet die Schweiz ab, obwohl die Eidgenossen ebenfalls in den genannten Kategorien in Teilen sehr gut sind, die niedrigste Inflationsrate aufweisen und bei der Breitbandverkabelung immerhin im Mittelfeld liegen. Die Energiekosten in der Alpenrepublik sind selbstredend deutlich höher als in Katar.
Beispiele für zumindest diskussionswürdige Bewertungen finden sich in der Studie so manche, da sie für alle 13 Kategorien auf einem vergleichenden Ranking basiert. Dass die USA vor Kanada in der Kategorie Bildung dominieren stimmt vielleicht, offenbart vielleicht aber auch eine typisch angloamerikanische Brille der Autoren. Dass das US-amerikanische Schul- und Hochschulsystem seine unübersehbaren Stärken, aber auch eklatanten Schwächen hat, scheint nicht unbedingt reflektiert worden zu sein. PISA-Siegerländer wie Finnland und Südkorea mit ihren sich voneinander stark unterscheidenden System kommen in dieser weichen Kategorie übrigens lediglich auf die Plätze 15 und acht, Deutschland auf Rang 16. Die USA wiederum landen im Ranking nur auf Platz 20 bei der politischen Stabilität, vermutlich ein Ausfluss der Terrorgefährdung dort. Ob man deshalb zwingend Polen, Irland, China und Indien für politisch stabiler halten muss als die Vereinigten Staaten, bleibt am Ende wohl eine Geschmacks- und Interpretationsfrage.
Schlusslicht Brasilien, Indien schlecht
Diese Anmerkungen sollen nur verdeutlichen, dass es bei derartigen Bewertungen große Spielräume für anders gelagerte Beurteilungen gibt und einzelne IT-Anwender bei eigenen Überlegungen aus guten Gründen zu anders Ergebnissen gelangen werden. Als um Objektivität und Umfänglichkeit bemühtes Grundgerüst bietet das Ranking der drei Beratungshäuser gewiss eine gute erste Orientierung.
Die eindeutigste Botschaft ergibt sich sicherlich, wenn man neben den Positionen auf den Gesamtpunkte-Index schaut. Die USA werden als Sieger mit 100 Punkten bewertet, die genannten Verfolger und Kanada auf Platz Fünf liegen noch über 80 Punkten. Am Ende des Tableaus meistert Russland auf Rang 24 nur knapp die 60-Punkte Hürde. Dahinter reihen sich eine Handvoll Länder ein, die zum Teil wegen gewissen Kostenvorzügen den Ruf als Offshoring-Paradiese genießen. In der Studie wird hingegen nicht empfohlen, Rechenzentren in China, Japan oder Mexiko zu betreiben. Indonesien und Indien verfehlen sogar die 50 Punkte, Schlusslicht Brasilien endet mit lediglich 35 Punkten.
Jeweils konterkarieren fulminante Schwächen in den Top-Drei-Kategorien die zum Teil ausgeprägten Stärken. In Russland, Indonesien und China sind es vor allem die Schwierigkeiten bei einem geregelten Geschäftsleben, die stark zum schlechten Abschneiden beitragen. In Brasilien kommt dazu noch der letzte Platz bei den Energiekosten, so dass auch die gute Breitbandversorgung alleine wenig nützt. Die genannten Länder beeindrucken in der etwas tieferen Kriterien-Klasse zwar überwiegend mit sehr guten Werten bei den Arbeitskosten und auch bei der Nachhaltigkeit. Das alles wiegt aber die Risiken durch politische Instabilität und Naturkatastrophen sowie Bildungsdefizite nicht auf.
Deutschland: Energie zu teuer
Deutschland verdankt seine gute Platzierung insbesondere der weltweit viertbesten Breitbandverkabelung. Bei Geschäftsleben (Platz 15) und Energiekosten (Platz 19) ist das Ergebnis lediglich mittelprächtig. Ein Merkmal der Studie ist allerdings, dass mittelmäßige Resultate im Vergleich gar nicht so schlecht sind. Es gibt offenbar Nachholbedarf in beiden Punkten, aber die Lage ist nicht so schlecht, dass ein gutes Gesamtergebnis torpediert werden würde.
Auch in den weniger wichtigen Kategorien fehlen die deutschen Top-Werte. Unter den ersten zehn Ländern landet die Bundesrepublik hinsichtlich politischer Stabilität (Platz 8), geringer Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen (Platz 9) und niedriger Inflationsrate (Platz 10). Mau werden die hohen Steuern für Unternehmen und hohen Arbeitskosten bewertet, wobei man sich hier mit Schweden respektive den USA in bester Gesellschaft befindet. Der Rest ist durchschnittlich genug, um alles in allem nur knapp hinter den besten drei Ländern zu liegen. Überraschenderweise stufen die Autoren Deutschland hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit nur auf Platz 24 ein – hier bietet Island den größten Wettbewerbsvorteil.
In der Gesamtbetrachtung des Großraums Europa. Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) arbeiten Hurleypalmerflatt, Cushman & Wakefield und Source8 die europäische Schuldenkrise als größtes Risiko heraus. Dennoch sei weiterhin mit wachsenden IT-Ausgaben zu rechnen. Insofern bestünden für Service Provider auch Anreize, das bisher zu enge Korsett an Datennetzwerken und Rechenzentren zu sprengen und in diesem Bereich zu expandieren. Hinsichtlich der Telekommunikationsinfrastruktur seien die regionalen Unterschied allerdings beträchtlich.
Japan büßt Plätze ein
„Die reifen Märkte werden in der mittelfristigen Zukunft weiter dominieren, aber wir erwarten auch dass die rückständigen Märkte in Nord- und Osteuropa sich – wenngleich von einer kleinen Basis kommend – Zukunftschancen sichern", lautet das Fazit der Autoren. „Die Energiedebatte wird im Zeichen von Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und Preisen so lange fortdauern, bis sich Größen wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland klar zur Infrastruktur der Elektrizitätsgeneration bekannt haben." Ansonsten werde Skandinavien mit seinem Angebot an Wasserkraft auf Sicht der Gewinner sein.
Schon jetzt sind neben Polen im Vergleich zum Vorjahr Schweden und Norwegen die Aufsteiger im diesjährigen Ranking. Japan rutschte als größter Absteiger um sechs Ränge ab. Ähnlich gebeutelt waren lediglich Thailand und Katar, dahinter folgen Island und Frankreich.