Wie Berlin, München und andere Städte wollte auch die Stadt Zürich eine Online-Plattform haben, auf der Bürger Wünsche, Ideen und Vorschläge einreichen können. "Zürich will Europas Silicon Valley werden", schrieb dazu unsere Schweizer Schwesterpublikation Computerworld.ch auf ihrer Internetseite. Die Schlagzeile lautete: "eZuerich mit deutscher Starthilfe".
Das Berliner Unternehmen Zebralog war von der Stadt Zürich damit beauftragt worden, die Website zu gestalten und den dahinterstehenden Ideenwettbewerb zu betreuen. Zebralog rühmt sich auf der eigenen Website "als Pioniere der E-Partizipation". Die Mitarbeiter dort sehen ihre Aufgabe darin, "den Austausch zwischen verschiedenen Institutionen und Interessensgruppen effektiv und überzeugend" zu gestalten.
Die Projektleiterin und Geschäftsführerin des Bereichs Stadtdialoge Daniela Riedel von Zebralog sagte gegenüber CIO.de: "Wir hatten in der ersten Woche eigentlich nur mit dieser Geschichte zu kämpfen. Die Medien schrieben alle gegenseitig voneinander ab." Mittlerweile hätten sich die Gemüter aber wieder beruhigt. Die verantwortlichen Politiker der Stadt Zürich stünden hinter ihnen und hätten ihre Entscheidung stets öffentlich verteidigt.
Kritik über die Vergabe des auf einen fünfstelligen Betrag veranschlagten Projekts gab es in der Schweiz am Anfang genug: Der Geschäftsführer des Luzerner Webspezialisten Nextage, Marco Eggenschwiler, sagte laut Computerworld.ch, die Auftragsvergabe an ein deutsches Unternehmen sei "eine Frechheit, da sich in der Schweiz fähige Firmen für solche Projekte anbieten." Ivan Kellenberger, IT-Chef der Zürcher Webagentur Futurecom interactive, meint, die Auftragsvergabe sei "leicht befremdlich". Ralph Hutter, Leiter Marketing und Kommunikation Schweiz beim E-Business-Spezialisten Namics, ist "unglücklich, dass ein deutsches Unternehmen das Webportal eZuerich gestaltet hat und betreut". Stephan Handschin, CEO des Internet-Dienstleisters Unic Schweiz, sagte: "Dass gerade ein Portal, welches Zürich als Topstandort im Bereich ICT etablieren soll, von einem deutschen Dienstleister entwickelt und betreut wird, ist etwas unglücklich."
Letztlich hätte aber eben das umfassende Gesamtkonzept den Ausschlag für die Berliner gegeben. "Das, was wir machen, das kann kein Schweizer Unternehmen als Gesamtpaket anbieten“, gibt sich Daniela Riedel selbstbewusst. Zebralog sei schon seit zehn Jahren in diesem Geschäft. Das Unternehmen vereint dabei die Gewerke Beratung, Technik, Moderation, Auswertung, Schulung, Gutachten, Redaktion und Kommunikation unter einem Dach.
Auch der für eZürich zuständige Direktor Organisation und Informatik der Stadt Zürich, Daniel Heinzmann, erklärte laut Computerworld, dass bei der Wahl des Partners die Erfahrung mit der gesamten Abwicklung im Vordergrund gestanden habe. Zebralog führe schon seit Jahren Dialogverfahren mit der Bevölkerung durch. "Sie haben ausgewiesene Erfahrung in der Zusammenarbeit mit öffentlichen Verwaltungen und großen Städten", sagte Heinzmann. Und weiter: "Wir arbeiten als Stadtverwaltung sehr eng mit den Moderatoren von Zebralog zusammen."
Nutzer des Portals bewerten die ihrer Meinung nach besten Ideen
Seit dem 4. November 2010 konnten die Bürger der Stadt Zürich und auch alle sonstigen Interessierten am Ideenwettbewerb eZürich teilnehmen. Erklärtes Ziel war es, möglichst viele unterschiedliche Perspektiven für die digitale Zukunft von Zürich zu erhalten und dafür das kreative Potenzial der Stadt anzuzapfen. Die Ideen wurden auf der Website www.ezuerich.ch gesammelt und konnten dort von registrierten Benutzern kommentiert und bewertet werden.
Die Gewinner des Wettebwerbs, bei dem es auch etwas zu gewinnen gibt, stehen jetzt fest: Gewonnen haben die Ideen "CompiSternli" (Kinder, die älteren Personen erklären, wie man Computer oder Handys nutzt), "DynabookZ" (Entwicklung eines mobilen Open-Source-Lerngeräts für Zürcher Schulkinder) und das projekt "eZürich in Politik und Verwaltung verankern" (das Portal weiterentwickeln und in die Verwaltungsprozesse integrieren).
Diese drei Ideen sollen nun im Januar 2011 vor Fachpublikum in einem dreitägigen Workshop präsentiert werden. Darüber hinaus will die Stadtverwaltung bis zu drei weitere Ideen auswählen, die sie ebenfalls weiterverfolgen und fördern will.
"Wir haben auf dem Portal bis Mitte Dezember über 500 Ideen erhalten, das sind weit mehr als bei vergleichbaren Projekten in Deutschland, etwa in Berlin", sagt Projektleiterin Riedel von Zebralog. Sie ist damit sehr zufrieden. Bei eZuerich handelt es sich nach eigenen Angaben um das "bisher größte Online-Partizipationsverfahren der Schweiz".
Demnächst soll es auch Schweizer Moderatoren geben
Und für eine der kommenden Phasen kann sich der IT-Direktor der Stadt Zürich auch vorstellen, seine Moderatoren in Zürich zu suchen - etwa in einer Kooperation mit einer der dortigen Hochschulen. Damit sich die Schweizer Gemüter wieder etwas beruhigen.