Hätte man keine anderen Götter neben dem ROI, würde man gewiss Software fürs Supply Chain Management (SCM) kaufen. Der Return On Investment ist bei den Tools für die Steuerung der Lieferkette nämlich herausragend, wie aktuelle Studien zeigen. Leider gilt das nicht für alle Kenngrößen, der Nutzwert ist für viele Unternehmen von vorne herein eingeschränkt und es mangelt nach wie vor an der nötigen Collaboration in der Lieferkette. Gut also, dass umsichtige CIOs und Unternehmen sich nicht alleine am ROI orientieren.
Gleichwohl entwickelt sich der SCM-Markt in Deutschland auf Sicht gedeihlich, wie die Experton Group vermeldet. Im Gegensatz zu anderen von Stagnation geprägten Software-Segmenten wächst der SCM-Bereich bis 2016. Das liegt laut Experton an immer arbeitsteiligeren Lieferketten und systematisch verbundenen Liefer- und Wertschöpfungsketten.
Üppig ist das von Experton in Aussicht gestellte Plus allerdings nicht wirklich. Im hiesigen Markt, der etwa 1,5 Milliarden Euro groß ist, gibt es laut Prognose in den kommenden drei Jahren einen Zuwachs um 63 Millionen Euro. Ab 2017 sagt Experton eine „Konsolidierung“ voraus – das ist in diesem Fall die wohlwollende Umschreibung dafür, dass dann mit einem jährlichen Umsatzrückgang von über einem Prozent zu rechnen ist.
Es verfestigt sich der Eindruck, dass das in der Außenwirkung manchmal scheintot erscheinende SCM-Thema derzeit an Momentum gewinnt – wenngleich eine Reihe ungelöster Probleme die Marktentwicklung trüben. „Der Anstieg der weltweiten Kundennachfrage und die immer höheren Transportkosten verleihen dem SCM-Einsatz und der Ausweitung dieser Systeme heute einen neuen Schub“, urteilt Frank Scavo, Analyst von Constellation Research. „Das Ziel ist es dabei, eine ganzheitliche und funktionenübergreifende Sicht auf die ganze Lieferkette zu gewinnen.“
Scavo wertet eine Umfrage unter 244 Firmen weltweit aus, die überaus aufschlussreiche Erkenntnisse bringt. Denn Reichweite und Mehrwert von SCM-Investitionen wurden methodisch mit Investitionen in 13 andere Business-Technologien wie Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Resource Planning (ERP), Business Intelligence (BI), mobile Apps oder Legacy-Erneuerung verglichen.
Mangel an Spezialisten
Im Vergleich entpuppen sich sowohl Adaptions- als auch Investitionsrate bei SCM als vergleichsweise gering. Das liegt laut Constellation Research vor allem am branchenspezifischen Charakter von SCM. Finanz- oder Informationsdienstleister beispielsweise kämen als Kunden kaum in Frage, weil sie ja keine klassische Lieferkette zu managen haben.
Hervorragend schneidet SCM hingegen beim ROI ab. In der Regel ist ein ROI laut Scavo innerhalb von zwei Jahren zu verbuchen. Das ist also besser als bei vielen anderen Software-Arten. Allerdings relativiert der Analyst, dass es bei SCM oft schwierig sei, die Implementierungs- und Supportkosten im Griff zu behalten. Noch schwerer wiegt eine andere Größe: Bei den Gesamtbetriebskosten erreicht SCM nur einen schwachen Wert. Und dieser Faktor wiegt aus Anwender sicherlich ebenso schwer wie der positive ROI.
Wie Experton festhält, ist die Zusammenarbeit in den Lieferketten ein handfestes Problem im SCM-Bereich. „Die logistische Zusammenarbeit innerhalb von Unternehmen oder über Unternehmens- und Wertschöpfungsgrenzen hinweg wird durch die fehlende Kollaboration an ihre Grenzen geführt“, urteilt Analyst Axel Oppermann. „Projekte können nicht pragmatisch abgewickelt werden, da innerhalb der Supply Chain die Kommunikation und Kollaboration der Akteure nicht sichergestellt ist.“ Unterschiedliche Systeme, unterschiedliche Datenhaltung und unterschiedliche Arbeitsmodelle erhöhten die Prozess- sowie Transaktionskosten.
„Ein Königsweg kann die Implementierung von Supply-Chain-Collaboration-Ansätzen auf Basis von Social Business für Collaboration-und Communication-Modelle sein“, so der Experton-Mann weiter. Benötigt würden Organisationsformen die auf Social-Business-Konzepten und -Modellen aufbauen. „Agilität steht im Vordergrund, IT ist der notwendige Produktionsfaktor“, so Oppermann.
Constellation Research führt weitere Herausforderungen ins Feld. So seien Lieferketten-Profis knapp. Es fehlt demnach an Spezialisten, die wissen, wie man komplexe Angebots- und Nachfragepläne managt und auch über die dafür benötigte Software Bescheid wissen.
Ferner sei es kaum noch möglich, alle fürs SCM benötigten Informationen in einem einzigen System vorzuhalten, weil die Datenintegration aus internen und externen Quellen an Komplexität zunimmt. „Das Problem verschärft sich noch“, so Constellation Research. Das liege daran, dass wegen Outsourcing die benötigten Daten häufig nicht mehr im eigenen Unternehmen vorhanden seien.