Das Bild beginnt zu wackeln. Bisher zeichnete ein sicheres Wachstum den Markt für Business Intelligence aus – und jeder bekam ein Stück von dem größer werdenden Kuchen ab. "Das Bild war lange Jahre dasselbe", sagt Carsten Bange, Geschäftsführer von Barc. „Das Geschäft vergrößerte sich, und die Entwicklung der Anbieter unterschieden sich lediglich darin, ob sie nun stark oder weniger stark wuchsen."
Doch seit dem vergangenen Jahr taucht ein neues Phänomen auf: "Das erste Mal zeigte der BI-Markt eine differenzierte Umsatzentwicklung“, beobachtet Bange. Das Würzburger Business Application Research Center (Barc) nimmt regelmäßig den deutschen BI-Markt unter die Lupe. Zwar konnte auch 2008 das Gesamtvolumen wieder zulegen, aber dieses Mal sollten nicht alle Marktteilnehmer davon profitieren. Die Marktstudie von Barc zu den Umsätzen aus dem Jahr 2008 listet sehr wohl Gewinner auf, verzeichnet allerdings auch eine Reihe von Verlierern (siehe Tabelle "BI in Deutschland").
Ein Grund zum Jammern ist das keineswegs. Vom Abwärtstrend im gesamten Softwaremarkt wird sich das BI-Geschäft auch dieses Mal wieder absetzen. "Bislang sieht es so aus, als könnte der Umsatz mindestens stagnieren, vielleicht aber sogar leicht wachsen", schätzt Bange. Doch auch dieses Jahr wird es Gewinner und Verlierer geben.
Zu 40 Prozent beherrschen SAP, Oracle und SAS das Geschäft. Gemeinsam mit IBM (elf Prozent Marktanteil) und Microsoft (neun Prozent) bildet sich eine Fünfergruppe, die gut die Hälfte, nämlich knapp 57 Prozent des Marktes, für sich beansprucht. Der restliche Teil zerfällt in eine bunte Mischung aus ERP Anbietern und BI-Spezialisten. Das sind mittelgroße, kleine und kleinste Unternehmen bis hinunter zu einem Umsatz von einer Million Euro und weniger.
In jeder Größenordnung hat es 2008 Anbieter erwischt, aber in jeder Kategorie finden sich auch Gewinner, die überproportional zulegen konnten. Die Gründe dafür liegen in einem veränderten Nachfrageverhalten der Kunden, das sich in unterschiedlichen Punkten niederschlägt. Es zeigt nicht nur, dass das Geld knapp ist, sondern auch, dass die Unternehmen sehr wohl lernen, ihre Ansprüche an die Hersteller zu formulieren. Und diese reagieren.
1. Projektvolumen schrumpfen
Mit kleineren Anschaffungen schonen die CIOs jetzt ihre Budgets. Zwar hat gerade die Wirtschaftskrise dafür gesorgt, dass der Bedarf an BI gewachsen ist. Doch die Krise zwingt auch zum Maßhalten. Und so werden kleinere Projekte gestartet.
Nicht nur finanziell, auch strategisch eine clevere Strategie. Denn kleinere Volumen verheißen eine kürzere Einführung, und eine kurze Einführung bedeutet größere Chancen für den Geschäftserfolg eines BI-Projektes. "Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Dauer eines Projektes und seinen Er-folgsaussichten", stellen Carsten Bange und Co-Autor Nigel Pendse im "BI Survey 8", dem Nachfolger des "Olap-Reports", fest.
Dieser Schwenk in der Investitionspolitik der Unternehmen trifft zunächst die Big Player am Markt. "Sie haben sich lange Zeit auf das Großgeschäft konzentriert", sagt Bange. Und müssen derzeit mit ansehen, wie ihre Verfolger mit vielen kleineren Installationen die Aufträge einfahren.
Ebenfalls unangenehm für die Großen Player: Die klassische Konzernkundschaft investiert nicht mehr so locker in kostspielige Infrastrukturmaßnahmen. Die Basis zur Datenverwaltung oder -integration ist in den meisten Fällen gelegt.
2. Fokus auf Planungswerkzeuge
Mehr denn je besteht die Notwendigkeit, analysieren und planen zu können, um ein Unternehmen zu steuern. Viele Unternehmen haben diesen Trend verschlafen und sind nun wachgerüttelt. Oder, wie es ein Finanzmanager ausdrückte: "Jetzt brauchen wir die Werkzeuge, die wir vor zwei Jahren nicht eingeführt haben." Die Wünsche der Kunden gehen daher gezielt in Richtung bestimmter Funktionen. Am stärksten gefragt sind Planungswerkzeuge.
Hier punkten oft die Anbieter aus dem oberen Mittelfeld. Laut BI Survey 8 entschied sich rund die Hälfte der Unternehmen, denen die Funktionalität wichtig war, für MicroStrategy, Infor, Arcplan oder Cubeware. "Dieser Lücke sind sich die Marktführer sehr wohl bewusst", erklärt Barc-Chef Bange. Unter anderem dürfte dies einer der Gründe sein, warum sich SAP die BI-Größe Business Objects (BO) einverleibt und die BO-Produkte zu seinen strategischen BI-Anwenderwerkzeugen erklärt hat.
3. Das Business fragt nach …
Wer Datenauswertungen braucht, muss so gut wie möglich unterstützt werden. Bedienbarkeit ist ein Schlüssel für den Erfolg einer BI-Anwendung. Kurze Antwortzeiten sind hier ebenso Pluspunkte wie Flexibilität. Auch in dieser Frage sind eher die kleineren Player die Nutznießer. Allen voran Qliktech, das als einer der Ersten die schnelle "In-Memory"-Technologie auf den Markt brachte. Dabei basiert die Datenspeicherung auf einer multidimensionalen Datenbank, die im Arbeitsspeicher gehalten wird. Mittlerweile sind die Schweden aber nicht mehr allein. "Hier sind inzwischen eine Reihe von Konkurrenten nachgezogen", sagt Bange. Der Explorer von SAP oder Microsoft PowerPivot nutzen dieselbe Technik.
Der BI Survey bestätigt es: Wer die Frage nach der Bedienung in den Vordergrund stellt, landet selten in den Armen der großen Hersteller. Nur 13 Prozent derjenigen, die sich für Microsoft AS entschieden, und nur sechs Prozent der Pro-SAP-Entscheider taten dies um der Anwenderfreundlichkeit willen.
4. … und die IT prüft die Technik
"Technische Kriterien werden häufig nicht in ausreichendem Maß gewürdigt", kritisiert der Report in Richtung Kundschaft. Gerade weil kurze Antwortzeiten eine wichtige Rolle spielen, ist es unverständlich, dass die wenigsten Kunden Performance ernst nehmen. Knapp einem Fünftel der Survey-Beteiligten bereiteten die Antwortzeiten des Systems (query performance) Kopfzerbrechen. Und zwar nach dem Prinzip: Je älter ein System, desto stärker zeigen sich Leistungsabfälle.
Um die Geschäftsziele nicht in Gefahr zu bringen, ist der CIO gefragt. Er muss Funktionen und Leistung sowie die Fähigkeiten eines Systems beurteilen. Auf den ersten Blick haben hier einige Anbieter offensichtlich Lücken geschlossen, über die Güte der Lösung ist damit aber noch nichts gesagt. "Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Produkten und der Zielerreichung", bemerkt Bange. "Der CIO sollte nicht glauben, BI sei BI."
Fahren die Unternehmen einen Vergleich zwischen verschiedenen Angeboten am Markt, haben Infor,
Panorama, Micro-Strategy, Arcplan und Actuate eine gute Chance, so der BI Survey 8. Bei keiner oder einer Ein-Produkt-Evaluation machen hingegen Microsoft, Cognos (IBM) und SAP das Rennen. Unter anderem in Unternehmen, für die BI strategisch ist, was in erster Linie in großen Konzernen der Fall sein dürfte.
5. Jetzt ist der Mittelstand dran
Eine klare Marschrichtung sämtlicher Marktteilnehmer ist der Mittelstand. Sicherlich ein mühsameres, aber vielversprechendes Geschäft, denn hier finden sich die größten weißen Flecken auf der BI-Landkarte. Rund die Hälfte der mittelständischen Unternehmen in Deutschland, so die Schätzungen, setzt noch kein BI ein. Aber 40 Prozent ziehen dies in Erwägung. Für die Anbieter genug Potenzial, um ihre Vertriebsbemühungen auch in diese Richtung zu lenken. SAS beispielsweise hat für die mittelständische Kundschaft ein eigenes Preismodell entwickelt und arbeitet eng mit kleineren Partnern zusammen, die sich auf bestimmte Themen – etwa die Verwaltung von Immobilien – konzentrieren.
6. Mit Branchenwissen gewinnen
Parallel besetzt der letzte unabhängige BI-Großanbieter auch schon die nächste Nische, die als wachstumsträchtig wiederentdeckt wurde: die Branche beziehungsweise der Fachanwender. Lange Zeit galt BI als branchenunabhängig, denn die Auswertung von Daten etwa für das Controlling lief für alle Industrien gleich ab – dachte man. Mittlerweile sei jedoch ein starker Trend hin zu vertikalen Lösungen zu erkennen, sagt Bange. Eine Analyse für die Finanzindustrie beispielsweise, die Wissen um Kreditvergabe nach Basel II schon eingebaut hat, oder eine Facility-Management-Lösung, die Immobilienbesitzern das Leben erleichtert. Auch in Richtung Fachanwender ist noch Musik drin – bei großen wie kleinen Kunden gleichermaßen: Das Marketing will seine eigenen Auswertungen fahren, der Vertriebsleiter braucht ganz andere Daten, der Controller sowieso, und auch im Personalwesen oder in der Produktion erleichtern dezidierte Informationen die Analyse und Planung des Geschäfts.
Fazit
Das uneinheitliche Abschneiden am Markt hat die Herstellerriege in Bewegung gebracht. Je nach Ausrichtung und Größe reagieren sie mit unterschiedlichen Strategien. Vor zwei, drei Jahren beispielsweise überrollte eine hohe Akquisitionswelle die großen BI-Spezialisten. Mit der Übernahme von Cognos durch IBM, Hyperion durch Oracle und Business Objects durch SAP endete die Ära der eigenständigen BI-Konzerne. Übrig geblieben ist einzig SAS, das auf sich selbst gestellt in der Ersten Liga mitspielt.
Ging es für SAP und Oracle, aber auch für Microsoft in erster Linie um mehr Kunden oder um eine bessere Technologie, öffnete der Kauf durch IBM vor allem den Zutritt in den Markt. Der Stillstand, in den solche Riesen-Deals die Beteiligten versetzen, ist vorbei. "Die organisatorische Integration ist in
weiten Teilen abgeschlossen", schätzt Carsten Bange. Jetzt muss sich erweisen, ob die Taktik aufgeht. Die meisten BI-Spezialisten arbeiten nun an der Verbesserung ihrer Produkte. Es gilt als unwahrscheinlich,
dass dem Markt eine weitere Bereinigung bevorsteht. "Die großen Anbieter werden nach wie vor das Geschäft dominieren, aber ihr gemeinsamer Marktanteil wird nicht wesentlich wachsen", prophezeit Bange. Auch in den nächsten Jahren wird ein munterer Wettbewerb zu beobachten sein, weshalb der Kunde auch weiterhin ein Wörtchen mitzureden hat.