Noch vor wenigen Monaten entwickelten sich CIOs zum strategischen Partner der Geschäftsführung, jetzt droht ihnen durch Outsourcing wichtiger IT-Bereiche der Bedeutungsverlust. Das beobachtet Jörg Kasten, Managing Partner bei der Personalberatung Boyden.
CIO.de: Sie sagen, die Zeiten, da CIOs sich zum strategischen Partner der Geschäftsführung entwickelt haben, sind vorbei. Woran machen Sie das fest?
Jörg Kasten: Ich merke das in letzter Zeit durch viele Anrufe von CIOs, die ein Stück weit überflüssig geworden sind oder das mittelfristig auf sich zukommen sehen. Sie stehen vor der Problematik, dass große Teile ihres Verantwortungsbereichs ausgelagert werden. Und dabei geht es nicht um das klassische Offshoring nach Indien, bei dem Basisaufgaben an Dienstleister vergeben werden. Heute lagern Unternehmen immer öfter Dinge wie die SAP-Betreuung nach Ost-Europa aus. Fallen solche Aufgaben weg, beschneidet das ganz klar den Verantwortungsbereich von CIOs.
CIO.de: Welche Motive dafür haben Unternehmen? Geht es nur um Einsparungen?
Kasten: Das ist ganz klar kostengetrieben. Wir sehen die Entwicklung häufig bei amerikanisch ausgerichteten Firmen, deren Denke sich sehr an Quartalszahlen orientiert; oder bei Unternehmen mit Private-Equity-Investor.
CIO.de: Wenn Sie diesen Outsourcing-Trend als etwas sehen, das die Position von CIOs gefährdet, zeigen sich denn auch schon konkrete Auswirkungen?
Kasten: Ja. Früher berichteten CIOs oft an den CEO. Jetzt sind sie immer öfter dem CFO gegenüber verantwortlich. Das ist eine klare Abwertung. CIO und CFO sind natürliche Feinde. Der CFO versteht von IT nichts, er sieht sie nur als Kostenfaktor. Im besten Fall läuft alles rund, mehr Wertschätzung hat er dafür nicht übrig.
CIO.de: Immerhin propagieren unter anderem Berater mittlerweile, CFOs sollten sich auch mit IT auskennen. Wenn Finanzentscheider sich tatsächlich mit dem Thema befassen, könnte das Verhältnis nicht besser werden?
Kasten: Daran glaube ich nicht. Das sind bisher nur Lippenbekenntnisse. Ich habe gerade erst eine Suche abgeschlossen für einen CFO. Er hat die CIO-Funktion letztlich auf zwei Köpfe verteilt - einen Zuständigen für Infrastruktur, einen für Applikationen. Der suchte Spezialisten für beide Bereiche. Damit meine ich nicht technische Spezialisten - er wollte schon Manager, die auch große Teams führen können. Im Ranking allerdings sind beide klar unter ihm aufgehängt.
"Der CIO wird zum König ohne Reich"
CIO.de: Muss man die Position von CIOs wirklich so sehr in Gefahr sehen? Nehmen wir als Beispiel das Milliarden-Outsourcing von E.On an HP und T-Systems Ende vorigen Jahres. Mit Netzwerken und Rechenzentrums-Betrieb hat der Energieversorger umfangreiche Aufgaben herausgegeben. Gleichzeitig wurde betont, die Gesamtsteuerung bleibe im Haus. Ist das nicht ein Beispiel dafür, dass der CIO weiterhin als strategischer Partner gefragt ist?
Kasten: Der CIO wird dabei doch zu einem König ohne Reich. Er darf noch Service Level Agreements verhandeln mit dem Outsourcer. Im Zweifel wird er später für Dinge verantwortlich gemacht, die er gar nicht zu verantworten hatte. Diese Entwicklung ist zum Teil schon so weit, dass man eine Wellenbewegung sieht. Viele Unternehmen holen ausgelagerte IT-Bereiche wieder zurück, weil sie sehen, dass sie ihre Kernkompetenz herausgegeben haben.
CIO.de: Was bedeutet die Entwicklung für CIO-Karrieren?
Kasten: Sie nimmt ein großes Stück Sicherheit. Man hat häufig den Fall, dass Leute lange bei einem Unternehmen sind, sich hocharbeiten, dann CIO werden - nach 15 Jahren ist jetzt plötzlich Schluss. Der Mythos vom Lifetime Employment geht kaputt.
CIO.de: Waren denn Karriereverläufe von heutigen CIOs bisher so sicher?
Kasten: Eher ja, wobei es ein Stück weit auf die Branche ankommt. In der Medienbranche, bei Telekommunikations- und Private-Equity-Unternehmen sind Wechsel nach kurzer Zeit schon länger üblich. In vielen anderen Branchen, vor allem im produzierenden Gewerbe und der Finanzbranche war dagegen eine lange Verweildauer im Unternehmen typisch. CIOs aus diesen Wirtschaftszweigen tun sich deshalb auch noch schwer mit der Veränderung.
Risikozuschlag gleicht Wegfall der Sicherheit nur zum Teil aus
CIO.de: Wie sollten sich CIOs darauf einstellen, dass ihre Karriere weniger planbar wird?
Kasten: Mann muss bereit sein, sich überflüssig zu machen.
CIO.de: Was heißt das?
Kasten: Man muss sich darauf einstellen, dass man in vielen Fällen für eine klare Aufgabe in ein Unternehmen geht - und nach drei Jahren ist man wieder weg. Man bekommt dann vielleicht noch einen schönen Bonus, aber keine Anschlussposition. Das war lange anders, beispielsweise im Konsumgüterbereich. Man hat Dinge angeschoben, Bereiche ausgelagert, dann gab es eine neue Position. Jetzt stehen IT-Verantwortliche nach Abschluss größerer Projekte immer öfter da und sehen: Hey, ich bin raus.
CIO.de: Wie wirkt sich das auf Gehälter aus? Wird die Unsicherheit durch bessere Bezahlung kompensiert?
Kasten: Es gibt allenfalls einen Risikozuschlag, aber der ist in der Regel auch nicht so hoch, dass man aller Sorgen ledig wäre.
CIO.de: Welche neuen Kompetenzen brauchen CIOs in dieser Situation?
Kasten: Unternehmerisches Denken und Management-Kapazität ist stärker gefragt. Statt nur die Verantwortung für IT zu tragen, muss der CIO sich als Business Enabler beweisen. Harte IT-Kenntnisse sind nicht mehr so wichtig. Häufig werden mittlerweile Leute CIO, die hart gesagt von IT keine Ahnung haben, aber die Geschäftsprozesse verstehen.
CIO.de: Das ist doch nicht wirklich neu. Dass der CIO Business Enabler sein muss, wird doch schon gefordert, seit die Fachwelt seine Entwicklung zum Partner des Business propagiert.
Kasten: Nein, ganz neu ist das nicht. Aber jetzt verstärkt sich die Entwicklung in diese Richtung noch deutlich.
"Inseldenken aufgeben"
CIO.de: Und welche bisherigen Kompetenzen von CIOs werden in dem Zuge unwichtiger?
Kasten: Dass einzelne Kenntnisse deutlich an Bedeutung verlieren, kann man so nicht sagen. Wichtiger wird auf jeden Fall die Fähigkeit zum Netzwerken im Unternehmen, dass ein CIO Mitarbeiter integrieren kann. Außerdem muss er Inseldenken aufgeben, muss sich international bewegen und im Konzern eher einen Familienansatz pflegen - indem er beispielsweise offen dafür ist, ein gut laufendes HR-System der Niederlassung in Frankreich zu adaptieren.
CIO.de: Vielen Dank für das Gespräch.