Die IT-Mitarbeiter des Bundesministeriums des Inneren (BMI) haben Angst. Denn die Struktur der IT im Bund wird sich schon sehr bald verändern. Ihr Chef wird wohl erster Bundes-CIO, und eine neue Bundesanstalt soll alleiniger IT-Dienstleister für den Bund werden. Deshalb haben sich bereits einige IT-ler aus dem Bundesinnenministerium wegbeworben. Denn sehr wahrscheinlich erlischt durch die Auslagerung in die IT-Gesellschaft der Anspruch auf die so begehrten Ministerialzulagen. Einer hat bereits in der Bundeswehr-IT angeheuert, ein anderer wird wohl dem künftigen IT-Stab des Bundes-CIOs angehören.
Nach dem Modell der Deutschen Telekom versuchen unter anderem die Bundesbehörden der Finanzen, der Verteidigung und des Innern sowie das Bundeskanzleramt nach einem Entwurf der beauftragten Berater von McKinsey, Mitarbeitern Privilegien zu nehmen, indem sie sie in eine gemeinsame Gesellschaft ausgliedern. In Behörden ist ein solcher Einschnitt mutig. Mitverantwortlich dafür ist ihr Chef Martin Schallbruch.
Der Informatiker brachte das Beratungshaus Bearing Point dazu, im Auftrag des Bundeskanzleramts, des Bundesfinanzministeriums und des Bundesministeriums des Innern einen Entwurf für die künftige IT-Strategie des Bundes und der Einzelaufgaben zu entwickeln - und damit auch ein Job-Profil für den ersten Bundes-CIO. Bearingpoint wiederum gab diese Arbeit an Mc Kinsey weiter, die sich von Schallbruch offenbar die Job-Skizze diktieren ließen, ganz im Sinne des BMI - so erfuhr CIO aus Insider-Kreisen.
Danach machte der BMI-CIO den entscheidenden Schachzug: Er verzichtete auf das bei Entscheidungen dieser Tragweite übliche Mitzeichenverfahren durch andere Abteilungen wie etwa die Zentralabteilung IT (Z6) und die Abteilung O, die für die Organisationsfragen zuständig ist. Und wandte sich direkt an Johann Hahlen, den Staatssekretär von Wolfgang Schäuble, der ebenso wie sein Minister mit IT bisher nur am Rande zu tun hatte.
Die BMI-Entscheider verließen sich also auf die externe Kompetenz der Berater, die das BMI und nicht das Finanzressort des Bundes beauftragte. Das Konzept wurde unterzeichnet. "Handwerklich perfekt", jubeln die Protegés von Schallbruch. "Schlechter Stil“, meutern die Kritiker, die vor allem aus der Abteilung O, aber auch aus anderen Abteilungen stammen, die sich in der Entwicklungsphase des Konzeptes sehr wohl ein-Mitspracherecht gewünscht hätten.
Und da der BMI-CIO sein Konzept auch noch wenige Tage vor der Sommerpause zum Staatssekretär reichte, regte sich jahreszeitgemäß wenig Widerstand. Dank mehrerer genialer Schachzüge und eines guten Machtinstinkts ist der Weg nun frei für einen neuen IT-Stab, möglicherweise mit Schallbruch als Chef. Das möchte das BMI nicht bestätigen und hält die Entscheidung unter Verschluss. Politische Schachzüge gehören schließlich zum Tagesgeschäft in Berlin, selbst wenn es um die IT geht. "Eine solche Behörde über der Behörde macht nur Sinn, wenn sie sich nach getaner Arbeit wieder auflöst", kommentiert SAP-Chef Henning Kagermann als Mitglied des Innovationsrates der Bundesregierung gegenüber dem Tagespiegel. Doch davon ist keine Rede.
Sondersitzung noch im Oktober
Auf dem Ministerialkongress kürzlich in Berlin präsentierte Bearing Point die Jobskizze des Bundes-CIOs und konfrontierte potenzielle Aspiranten auf den Posten des Bundes-CIOs mit einer bitteren Wahrheit: Die Entscheidung über die Besetzung war bei der Vorstellung der Jobskizze offenbar schon gefallen.
Und obwohl auf dieser Veranstaltung in Berlin klar wurde, auf welchem Weg das BMI seinen CIO inthronisieren möchte, war das in der letzten Sitzung des Interministeriellen Koordinierungsausschusses für die Informationstechnologie in der Bundesverwaltung (IMKA) kein Wort wert. Das Bundeskanzleramt war nicht erschienen, Schallbruch hatte eine stellvertretende Referatsleiterin zum Treffen geschickt, und der Referatsleiter IT aus dem Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik des Finanzministeriums (ZIVIT) wusste offenbar von nichts.
Ende Oktober soll - so wurde dann verlautbart - ein Sonder-IMKA zum Thema Bundes-CIO stattfinden. Bis dahin wird die Argumentation des BMI niet- und nagelfest sein.