94 Prozent der Professoren an Universitäten sollen der Meinung sein, ihre Aufgaben überdurchschnittlich gut zu erledigen, zitiert die US-amerikanische Universität Berkeley eine Studie. Dort haben sich Wissenschaftler mit dem Phänomen der Selbstüberschätzung auseinandergesetzt - denn tatsächlich ist es kaum vorstellbar, dass nahezu alle Professoren zu den Top-Performern zählen. Selbstüberschätzung gibt es nicht nur an den Hochschulen, Wissenschaftler beobachten dieses Phänomen häufig.
Die Forscher aus Berkeley und Navarra gingen in ihren Untersuchungen der Frage nach, weshalb Menschen sich so häufig selbst überschätzen. Ein Grund dafür: Die Selbstüberschätzung steigert das Ansehen und damit den sozialen Status einer Person. "Unsere Forschung zeigt, dass übermäßiges Selbstvertrauen dabei hilft, eine gesellschaftliche Stellung zu erreichen. Wenn Menschen sich selbst für leistungsstärker hielten als die anderen - auch wenn sie es überhaupt nicht waren - erreichten sie einen höheren sozialen Status", so Studien-Koautor Cameron Anderson. Strebe jemand nach mehr Ansehen, fördere das das übermäßige Selbstvertrauen.
Mit dem sozialen Status wächst die Bewunderung durch andere
Unter sozialem Status verstehen die Wissenschaftler den Respekt, das Ansehen und den Einfluss, den Personen in einer Gruppe genießen. Mit dem sozialen Status wachsen die Bewunderung der Kollegen und der Einfluss auf Diskussionen und Entscheidungen. Das Fazit der Wissenschaftler: Wer sich fälschlicherweise für leistungsfähiger hält als seine Kollegen, profitiert von einem gesteigerten sozialen Ansehen.
Für die Forscher könnten diese Ergebnisse auch erklären, weshalb in Unternehmen bei Beförderungen immer wieder weniger kompetente Personen den Qualifizierteren vorgezogen werden. Selbstvertrauen kann einen Hinweis auf die wahre Kompetenz einer Person geben, doch Verlass gibt es darauf nicht. Viele Menschen brächten ein großes Selbstvertrauen in ihr Können mit, obwohl es ihnen an Fähigkeiten und Kompetenzen mangele, so die Wissenschaftler.
In sechs Experimenten untersuchten die Forscher, warum Menschen sich selbst überschätzen und weshalb durch eine hohe Selbstsicherheit auch der soziale Status steigt. In einer Untersuchung wurde MBA-Studenten eine Liste mit historischen Namen, Ereignissen und Buchtiteln vorgelegt und die Studenten sollten anstreichen, welche dieser Namen sie kannten. Neben Begriffen wie Maximilien Robespierre, Pygmalion und Doktor Faustus enthielt die Liste auch Fantasienamen. Wer viele erdachte Begriffe als bekannt markierte, wurde von den Studienautoren als besonders selbstsicher eingestuft, weil er das eigene Wissen überschätzte. Am Ende des Semesters wurden die Studenten nach den Kommilitonen mit dem höchsten Sozialstatus befragt: Wer im ersten Test mit viel Selbstvertrauen auffiel, erhielt auch hier Top-Werte. Die selbstsicheren Studenten galten in ihrer Gruppe keineswegs als selbstverliebt sondern waren wirklich beliebt.
Aufstieg durch überdurchschnittliches Selbstvertrauen
Ein weiteres Experiment untersuchte die Verhaltensweisen der Personen mit einem überdurchschnittlichen Selbstvertrauen, etwa ihre Körpersprache, ihre Stimme und ihre Interaktion mit Kollegen. Besonders selbstsichere Personen hatten mehr Redeanteile, eine souveräne Stimme und verhielten sich in der Zusammenarbeit mit Kollegen gelassen. Insgesamt beteiligten sie sich mehr und verhielten sich überzeugender als weniger selbstsichere Personen mit mehr Fachkenntnissen.
Die Wissenschaftler untersuchten schließlich auch, weshalb Menschen selbstsicherer als andere agieren - ein Grund liegt im Streben nach Macht. Probanden mit einem Bedürfnis nach Ansehen überschätzten sich eher als andere. Die finale Frage der Forscher: Steigt jemand auf der Karriereleiter auf, weil er ein überdurchschnittliches Selbstvertrauen mitbringt oder bringt er das mit, weil er eine höhere Position im Unternehmen einnimmt? Sowohl als auch. Ein hoher Posten kann mehr Selbstvertrauen mit sich bringen. Zugleich erreichen Personen mit viel Selbstvertrauen diesen Posten eher als andere.
Die Forschungsergebnisse sollen unter dem Titel "A Status-Enhancement Account of Overconfidence" im Journal of Personality and Social Psychology erscheinen. Sie stammen von Cameron Anderson von der University of California Berkeley, Sebastien Brion von der IESE Business School, University of Navarra, sowie Don Moore und Jessica A. Kennedy aus Berkeley. Für die Studie konzipierten die Forscher sechs Experimente, an denen knapp 1.200 Versuchspersonen teilnahmen.