Der Großteil der Banken und Versicherungen hat die SEPA-Umstellung zumindest soweit vorangetrieben, dass am 1. Februar 2014 die Technik funktioniert. Anders sieht es bei den Unternehmen aus: Viele haben in kurzer Zeit noch erhebliche Hausaufgaben zu erledigen. Bei aller Eile sollten aber weder Unternehmen noch Finanzdienstleister die strategischen Vorteile aus den Augen verlieren, die ihnen der einheitliche europäische Zahlungsverkehr bietet. Eine Analyse der Situation bei Unternehmen und Finanzdienstleistern bringt Klarheit:
Zahlungsdienstleister: Ihre Aufgabe geht über die eigene SEPA-Umstellung hinaus
Zahlungsdienstleister sind weitgehend fit für den einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr. Doch ihr Erfolg hängt auch davon ab, dass ihre Kunden auf die neuen Datenformate, Fristen und Bedingungen der Single Euro Payments Area (SEPA) vorbereitet sind. Sind sie es noch nicht, müssen die Zahlungsdienstleister gezielt auf die Betroffenen zugehen und sie - wo nötig - auf dem Weg in den europäischen Zahlungsverkehrsraum kompetent begleiten.
Für Zahlungsdienstleister, die selbst erst am Anfang ihrer SEPA-Umstellung stehen, gilt: Für die Verbesserung der Finanzarchitektur, für die die SEPA-Deadline ein willkommener Anlass wäre, wird die Zeit knapp.
Die entscheidenden Kunden identifizieren und ansprechen
Überweisungen und der Einzug von Lastschriften können in der neuen Welt für Banken enorm viel Arbeit bedeuten, wenn Kunden mit großem Zahlungsverkehrsvolumen ihre Daten und Systeme nicht rechtzeitig umgestellt haben. Zentrale Kunden werden, wenn sie beispielsweise nicht rechtzeitig auf die neuen Datenformate umgestellt haben, möglicherweise vom Zahlungsverkehr abgeschnitten. Je wichtiger der reibungslose Zahlungsverkehr für ihr Geschäft ist, desto größer wird der Unmut sein, den sie ihre Zahlungsdienstleister spüren lassen werden.
Um den Umstellungsaufwand richtig zu planen, sollten Zahlungsdienstleister daher ihren Kundenbestand analysieren und ermitteln, welche Kundensegmente Umstellungsbedarf haben. Die Vertriebsmannschaften und die Betreuer, die diese Kunden fachlich unterstützen, müssen - nicht nur aus Gesprächen mit den Kunden, sondern direkt aus Online-Banking-Kanälen und den Kernbankensystemen - wissen: Arbeitet der Kunde schon mit SEPA-konformen Systemen? Nutzt er schon die SEPA-Formate? Hohe Priorität bei der Unterstützung in Sachen SEPA-Umstellung sollten Finanzdienstleister ihren Firmenkunden mit hohem Zahlungsvolumen einräumen. Sie müssen ihre Unterstützungsleistungen für diese Kunden planen und Systeme entsprechend skalieren. Daneben brauchen sie eine adäquate Umstellungsstrategie für die vielen kleinen und mittleren Firmen, Vereine und lastschriftintensiven Betriebe.
In SEPA-Fragen Kompetenz zeigen können
Einheitlicher Zahlungsverkehr in allen Euro-Ländern bedeutet für Banken neue Konkurrenz: Kunden können künftig unter viel mehr Anbietern für Zahlungsverkehrsdienstleistungen wählen. Wer seine Kunden jedoch als kompetenter Partner auf dem komplizierten Weg in die neue Zahlungsverkehrswelt begleitet, vergrößert die Chance, sie auch im gewachsenen Wettbewerb an sich zu binden.
Kundenmigrationsbetreuer der Banken müssen deshalb eine jederzeit auskunftsfähige Wissensquelle im Hintergrund haben für all die komplizierten Fragen, auf die sie nicht aus dem Stehgreif Antworten parat haben können. Mithilfe solcher Expertise und strukturierter technischer Dokumentationen sollte die Bank Kunden genau darlegen können, was sie ihnen anbietet und wie Kunden davon profitieren können. Auch technische Tests ihrer Kunden sollten Banken im Interesse der Kundenbindung begleiten können.
Geschäftskunden bei der Suche nach Umstellungsoptionen unterstützen
Streng genommen dürfen Banken und Finanzdienstleister in Deutschland nach dem 1. Februar 2014 keine Aufträge für den automatisierten Zahlungsverkehr in alten Datenformaten mehr annehmen. Rechtlich einwandfrei ist der Transfer von Zahlungsverkehrsdaten nur noch, wenn der Auftraggeber die neuen SEPA-Datenformate nutzt, Banken dürfen die Konvertierung nur übergangsweise bis 2016 übernehmen - und nur für Verbraucher.
Unternehmen müssen Zahlungsverkehrsdaten deshalb konvertieren, bevor sie sie an ihre Bank übermitteln. In diesem Servicebereich treten Drittanbieter auf. Lösungen von der reinen Formatkonvertierung bis hin zur kompletten Abdeckung des Zahlungsverkehrs inklusive Mandatsmanagement sind möglich durch Dienstleister, die zum Beispiel "Software as a Service" (SaaS) anbieten. Hier gilt es, Servicestrategie, Serviceumfang und den Partner richtig auszuwählen. Zu berücksichtigen ist dabei, ob Datenkonvertierungen strategisch langfristig oder nur übergangsweise an Drittanbieter vergeben werden sollen.
SEPA-Umstellung bietet Anlass, die IT-Finanzarchitektur zu prüfen
Die Umstellung auf die SEPA-Vorgaben berührt das Innerste der Banken: Zahlungsverarbeitung, Erstellung von Kontoauszüge und ähnliches sind wesentliche Elemente von - möglicherweise überholungsbedürftigen - Kernbankensystemen. Freiwillig wird in diese Systeme kaum investiert - zu gering sind die zu erwartenden Gewinnsteigerungen, zu umfangreich die Projekte. Denn Betriebskosten lassen sich spürbar nur senken durch eine komplette Umstellung auf ein neues System oder die Auslagerung des Zahlungsverkehrs an einen externen Payment Services Provider (PSP).
Die Zeit bis zum SEPA-Start wird allerdings kaum noch reichen, um ein komplett neues Kernbankensystem zu installieren oder vollständig neue PSPs anzubinden. Wer das Momentum der SEPA-Umstellung dennoch nutzen will, sollte deshalb heute zumindest sicherstellen, dass die Zielarchitektur auch die SEPA-Anforderungen berücksichtigen kann. Aus der Zielarchitektur ist abzuleiten, was jene Komponenten künftig leisten müssen, die für SEPA kurzfristig umzustellen sind. Ob die gegenwärtige Finanzarchitektur den neuen Anforderungen gewachsen ist, sollten Banken allerdings in jedem Fall in Volumentests überprüfen. Sonst drohen böse Überraschungen, wenn allmählich immer mehr Überweisungen und Lastschriften im SEPA-Format auszuführen sind.
Unternehmen: Die verbleibende knappe Zeit pragmatisch nutzen
Viele Unternehmen in Europa laufen dem "PwC SEPA Readiness Thermometer" zufolge Gefahr, die SEPA-Umstellung nicht rechtzeitig zu schaffen, weil sie entweder noch gar kein Projekt gestartet oder den Go-live erst für den Jahreswechsel oder später - und damit beunruhigend nah am SEPA-Stichtag - geplant haben. Nur mit großem Einsatz werden diese Unternehmen die strategischen Vorteile nutzen können, die die SEPA-Umstellung mit sich bringt. Da der SEPA-Startschuss unaufhaltsam näher rückt, dürfte für viele im Vordergrund stehen, in der neuen Zahlungsverkehrswelt überhaupt handlungsfähig zu bleiben. Sie müssen schnell pragmatische Lösungen finden, indem sie die formalen Voraussetzungen schaffen, die betroffenen Abteilungen und Abläufe sowie Technik und Zahlungsverkehrssysteme fit für SEPA machen. Die langfristigen strategischen Vorteile der SEPA-Umstellung sollten sie aber trotzdem nicht aus den Augen verlieren.
Die formalen Voraussetzungen für SEPA schaffen
Der Zahlungsverkehr in der Single Euro Payments Area erfordert eine Vielzahl von Informationen, die Unternehmen rechtzeitig beschaffen und zur Verfügung stellen müssen. "International Bank Account Numbers" (IBAN) und "Business Identifier Codes" (BIC), die die gewohnten Kontonummern und Bankleitzahlen ablösen, sind dabei noch das Geringste. Außerdem wird in der SEPA-Welt das Lastschriftverfahren umgestellt: Lastschriften darf künftig nur noch einziehen, wer hierfür ein Mandat des Schuldners vorweisen kann, das den neuen Regeln genügt.
IBAN und BIC sind einzuholen von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten. Sie können aber auch mithilfe externer Anbieter nach länderspezifischen Regeln konvertiert werden. Um selbst in der neuen Welt erreichbar zu bleiben, müssen Unternehmen Vordrucke und Briefbögen anpassen. Formale Voraussetzung für die Teilnahme am Lastschriftverkehr ist eine Gläubiger-ID, die in Deutschland die Bundesbank erteilt. Sie hält auch Muster für die Mandate bereit, die künftig für den Lastschriftverkehr notwendig werden. Selbstverständlich brauchen Unternehmen eine (systematische) Verwaltung, um die Mandate zu hinterlegen. Auch Verträge und Rechnungsvordrucke müssen angepasst werden. Außerdem benötigen sie ein Verfahren und vertragliche Regelungen, wie sie Kunden mit der künftig geforderten sogenannten Pre-Notification vorab über anstehende Abbuchungen informieren.
Neue Fristen für Treasury, Ein- und Verkauf sowie Rechnungswesen
SEPA bringt nicht nur neue Datenformate, auch die Anforderungen und Fristen insbesondere bei der Einreichung von Lastschriften ändern sich: Basislastschriften im sogenannten CORE-Schema müssen, wenn sie erstmals bei der Bank eingereicht werden, mindestens fünf Tage vor dem Einlösungsdatum an die Bank geschickt werden. Soll vom Konto eines Kunden zum wiederholten Mal eingezogen werden, gilt eine Vorlaufzeit von zwei Tagen. Bei den sogenannten B2B-Lastschriften, die nur zwischen Firmenkonten möglich sind, und Lastschriften im sogenannten COR1-Schema genügt die Einreichung ein Tag vor Fälligkeit; B2B und COR1 sind aber nur möglich, wenn Zahlstelle und Einreicherbank einverstanden sind.
Alle involvierten Prozesse sind zu überprüfen - Einkaufs- wie Verkaufsabteilungen müssen die neuen Fristen bei Zahlungszielen berücksichtigen, das Rechnungswesen muss außerdem auf die völlig neuen Kontoauszugsinformationen in der automatischen Verarbeitung und die Rückgabegründe eingestellt werden. Das Treasury hat die Auswirkungen der neuen Fristen auf die Liquiditätsplanung und -steuerung zu bewerten; es profitiert sicherlich davon, dass eingehende und ausgehende Cash-Flows in der SEPA-Welt besser planbar werden. Schließlich sollten Unternehmen sich klar werden über Kosten für Anlaufschwierigkeiten in der Umstellungsphase und die dauerhaft höheren Prozesskosten für Lastschriften.
Die Technik für SEPA einrichten
Daten für den Zahlungsverkehr werden im einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr im ISO-XML-Format übermittelt. Zwar ermöglichen Konvertierungslösungen, Systeme mit anderen Datenformaten vorübergehend weiter zu nutzen, früher oder später wird eine Umstellung auf die SEPA-Formate aber unausweichlich.
Weil jedoch jedes Land und jede Bank einen eigenen Dialekt des SEPA-XML-Formats verwendet, sind individuelle Vereinbarungen und Anpassungen notwendig. Wer regelmäßig automatisiert in andere Länder des SEPA-Raums überweist, kommt um eine neue IT-Lösung für den Zahlungsverkehr nicht herum. Sie bietet sich ohnehin an, wenn für den Lastschriftverkehr eine Mandatsverwaltung aufgebaut werden muss. Ein integriertes System kann in der ganzheitlichen Betrachtungsweise deutliche Vorteile gegenüber Einzellösungen für Mandatsverwaltung und Zahlungsverkehr haben.
Langfristige Vorteile nicht aus den Augen verlieren
So aufwändig die SEPA-Umstellung zunächst erscheint, so verlockend sind einige Vorteile, die der einheitliche europäische Zahlungsverkehrsraum bietet: Der Zahlungsverkehr innerhalb der SEPA-Teilnehmerländer wird vereinheitlicht, das kann eine Menge Kosten sparen durch die Standardisierung von Prozessen und Systemen über Grenzen und Banken hinweg. Und Unternehmen bietet sich die Chance, ihr Cash Management zu optimieren.
Durch SEPA können Unternehmen theoretisch ihren gesamten Zahlungsverkehr innerhalb des SEPA-Raumes zentralisieren und alle Konten bei einer Bank bündeln. Das senkt die Komplexität und auch das Cash-Pooling könnte einfacher werden. Wenn auch die Finanzabteilung, das Treasury, Kompetenzen entsprechend bündelt, haben die Fachleute schnell im Blick, wo beispielsweise zusätzliche Liquidität benötigt wird, wo liquide Mittel kurzfristig zur Verfügung stehen. Wie groß der Nutzen solcher Lösungen ist, lässt sich heute noch nicht abschätzen, denn gegenwärtig ist die Regelwelt schon allein für grenzüberschreitende Lastschriften zwischen Euro-Ländern so fragmentiert, dass eine Auflösung der lokalen Verbindungen und Kompetenzen kurzfristig nicht angezeigt scheint.
Fazit: Kurzfristiger Pragmatismus und langfristige Verbesserungen
Die Zeit bis zum SEPA-Startschuss ist knapp. Kurzfristig sind daher pragmatische Lösungen gefragt, mit denen Unternehmen in der Single Euro Payments Area handlungsfähig bleiben. Die Möglichkeiten für langfristige Verbesserungen, die die SEPA-Umstellung bietet, sind jedoch zu groß und zu wertvoll; man sollte sie nicht durch übereilte Aktionen leichtfertig verschenken. Das gilt für Banken wie für ihre Kunden. Denn grundlegende Erneuerungen von IT-Systemen für den Zahlungsverkehr sind vielerorts notwendig; die SEPA-Umstellung kann der willkommene Anlass für weitreichende Verbesserungen sein. Ihn gilt es zu nutzen - oder sich zumindest durch kluge und überlegte kurzfristige Maßnahmen den Spielraum dafür zu erhalten. Ein SEPA-Projekt liefert Unternehmen ein komplettes Bild ihrer System- und Prozesslandschaft und macht deutlich, wo Optimierungen und Synergien möglich, wo Ineffizienzen zu beseitigen sind. Der Anlass dafür kommt in dieser Form wohl kein zweites Mal. Denn sicher ist: Europas Zahlungsverkehr wird nicht so bald noch einmal komplett neu aufgestellt werden.
Über die Autoren:
Thomas Schräder verantwortet als Partner die Corporate Treasury Solutions Group von PwC in Deutschland.
Jens Kohnen ist Manager in der Corporate Treasury Solutions Group von PwC in Deutschland.
Ad van der Graaff ist Manager im PwC-Bereich Financial Services Business Consulting.