Die Zahlen von IDC ließen aufhorchen. Laut dem jüngsten Server-Tracker des Marktforschers verkauften die Computerhersteller im Jahr 2005 mit einem Umsatz von 17,7 Milliarden Dollar mehr Windows- als Unix-Server (17,5 Milliarden Dollar). Damit war es gewissermaßen amtlich, was Insider schon länger behaupteten: Unix verliert im Server-Bereich an Boden. IDC-Analyst Matthew Eastwood: „Das ist das erste Mal seit dem Start des Trackers im Jahr 1996, dass Unix nicht vorne liegt.“ Nicht zuletzt seien es die niedrigeren Betriebskosten, die die Kunden zu Windows-Systemen treiben. Auch verbesserte Microsoft seine Position, indem das Unternehmen sein Betriebssystem kontinuierlich weiterentwickelte und eine höhere Stabilität sowie Clusterfähigkeit erreichte.
In der Server-Branche lässt sich nun das beobachten, was Clayton M. Christensen in seinem 1997 veröffentlichten Bestseller „The Innovator’s Dilemma“ als den Kampf zwischen „disruptive“ (zerstörende) und „sustaining“ (bewahrende) Technologien bezeichnete: Hersteller beziehungsweise Marktführer, die zu spät auf neue Techniken setzen und an ihren bewährten Produkten festhalten, geraten in die Defensive. Wer den richtigen Zeitpunkt zum Wechsel verpasst, läuft Gefahr, über kurz oder lang aus dem Anbieterkarussell zu fliegen. Komplizierter wird es im Server-Markt dadurch, dass nahezu sämtliche Hersteller die gesamte Server-Palette im Programm haben.
Open Source als Option
Zum Beispiel Sun. Zu lange hatte sich das Unternehmen darauf verlassen, dass Windows nicht Server-tauglich sei. Das änderte sich schlagartig, als mit Microsoft im April 2004 ein Burgfrieden geschlossen wurde. Nachdem der Absatz von Highend-Servern (E10000 und E12000) stark zurückging und der Versuch scheiterte, Mainframe-Kunden von IBM abzuwerben, bietet Sun nun auch x86-Server mit Opteron-Prozessoren von AMD an. Gleichzeitig versucht das Unternehmen einen Relaunch der hauseigenen Unix-Server. Gelingen soll dieser durch Preisreduzierungen, günstige Einstiegs-Server und dadurch, Solaris zu einem Open-Source-Projekt zu machen. Das hauseigene Betriebssystem bietet der Konzern inzwischen auch wieder für x86-Rechner an.
Mit der Öffnung von Solaris steuert Sun einen gewagten Kurs: Man ist auf das Wohlwollen freier Entwickler angewiesen. Sie sollen aus einem proprietären Betriebssystem plus Servern ein offenes System machen, das letztlich zum Wachstums- und Profitmotor werden soll. Auch für IBM ist Open Source ein Thema. Mit einem Anteil von 32,9 Prozent führt der Konzern laut IDC den Server-Markt an. Die Stärke, in allen Segmenten vertreten zu sein, könnte sich noch als Schwäche erweisen.Mit den Mainframes iSeries (Unix-Server mit AIX) und zSeries (Intel-basierte Server) verfügt IBM über zwei Linien, die schon lange im Markt sind. Neue Kunden gewinnt der Konzern allerdings kaum noch.
Durch gemeinsame Standardkomponenten wie den Power-Prozessor und das Betriebssystem Linux, das als Klammer von Mainframe-Systemen bis herunter zur eSeries angeboten wird, versucht IBM, Homogenität in der Heterogenität zu erzeugen. Den Kunden kann die sich überlappende Strategie bei den Betriebssystemen AIX und Linux nur verwirren – es wird zunehmend fragwürdig, ob IBM dabei bleibt, mit AIX ein eigenes Unix-Derivat zu pflegen.
Widersprüche zeigt auch die Konkurrenz. Eines der Ziele der Übernahme von Compaq durch Hewlett-Packard (HP) im Jahr 2001 lautete, sich stärker im Business-Umfeld zu verankern. Mehrfach wurden die Server und Speicherdivisionen in unterschiedlichen Organisationsformen verschmolzen. Für die Anwender und auch die Partner führte dies nur zu noch weniger Klarheit.
HP versucht sich gegen IBM abzugrenzen, fährt jedoch bislang eine ähnliche Strategie: Mit Windows, HP-UX und Linux bietet der Konzern mehrere separate Plattformen nebeneinander an. Im Highend hat sich HP auf Itanium-Server festgelegt, doch erst wenige Anwender sind auf diese Plattform umgestiegen. Es droht mittelfristig ein Verlust an Glaubwürdigkeit, wie auch Gartner feststellt: „Itanium muss an Fahrt aufnehmen, man muss mehr Anwender von ihren Legacy-Plattformen auf Itanium migrieren.“ Nur so könne sich der Hersteller gegen IBM und Sun behaupten. Anders als diese präsentiere sich HP im Server-Umfeld als weniger innovationsbereit, lautet das Urteil der Marktforscher. Hinzu kommt, dass noch nicht klar sei, wie sich die Kosteneinsparungen des neuen CEOs Mark Hurd auswirken.
Ganz anders dagegen gibt sich Dell. Gut gerüstet gegen die Unix-Fraktion legt sich der Hersteller klar fest, nur Windows- und Linux-Server auf x86-Basis anzubieten. Das Dell-Modell, ganz im Sinne der Einführung disruptiver Technologien in Märkte mit hohen Margen zu gehen und diese dann mit Commodity-Produkten und günstigeren Preisen zu erobern, hat dem Anbieter einen festen Platz im Server-Markt beschert.
Server-Zoo bei FSC
Einen separaten Weg geht Fujitsu Siemens Computers (FSC), auch wenn man ähnlich wie Sun, IBM und HP mehrere Serverlinien betreut. BS2000 (Mainframe), Unix-Sparc-Server (PrimePower) und Systeme für Windows und Linux (Primergy) – das Angebot ist groß. Ähnlich wie bei IBM vollbringt man bisweilen das Kunststück der Selbstkannibalisierung. Mit der neuen Losung des Dynamic Data Center (DDC) versucht FSC, die heterogene Ausrichtung des Serverzoos aus dem eigenen Haus in eine Art Vorwärtsstrategie umzuwandeln: Alles mit allem schrittweise und pragmatisch verbinden, die vorhandenen Server-Ressourcen erst einmal voll ausnutzen, bevor flexible Modelle wie Grids oder FlexFrame zum Einsatz kommen.