"Ich habe mich erst mal geweigert." IT-Controller Stefan Betz von der Infineon Technologies AG war gar nicht begeistert vom Plan seines CIOs: Mit einem neuen Modell zur IT-Kosten-Allokation sollten sie die Komfortzone verlassen, die sie sich mühsam erkämpft hatten. Durch Restrukturierung und Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre war der einst "ordentliche Kostenblock" der Infineon-IT auf 2,5 Prozent vom Umsatz halbiert worden, und die obligatorische Kritik der Fachbereiche an der Höhe der IT-Ausgaben war verstummt: "Transparente Kosten, keinerlei Diskussionen - kein Kaufmann würde das freiwillig ändern", sagt Betz.
Dann kam CIO Michael Schmelmer mit seinem mittelfristigen Masterplan daher: Service-Portfolio-Management. Der Haken: "Dafür benötige ich die Kosten und die Konsumenten jedes Services", argumentierte Schmelmer.
Die Manager entwickelten mit externen Beratern ein "vereinfachtes Verrechnungsmodell" der IT-Kosten zu den Verbrauchern: "Ich wollte zusammen mit dem Controlling zeigen, dass die bisherige Umlage der IT-Kosten auf die Geschäftsbereiche nichts mit dem tatsächlichen Konsum der IT zu tun hat", beschreibt CIO Schmelmer einen Beweggrund. Es galt, die "Corporate Tax" der IT abzuschaffen und den jeweiligen Aufwand mit dem tatsächlichen Verbrauch abzugleichen. "Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, wenn die pauschale Steuer verfeinert wird - dass nicht einer alles zahlt und die anderen davon profitieren", so der CIO.
Dabei sollte es keinesfalls das direkte Gegenteil von der IT-Steuer werden, also die Verrechnung Gerät für Gerät. In einem zweistufigen Prozess werden die Kosten nun teilweise variabel dem Verursacher berechnet, während der Rest nach einem Schlüssel auf die einzelnen Geschäftseinheiten umgelegt wird. Wie groß der Anteil der festen und der variablen Kosten bei einem Service ist, muss ausgehandelt werden. "Mit einer direkten Verrechung hätten wir uns verkünstelt", argumentiert IT-Controller Betz und plädiert damit für den Goldenen Mittelweg: "Wir wollten das System nicht komplizierter machen, sondern transparenter." Zudem seien sie von anderen Unternehmen mit Erfahrungen in der kompletten Verrechnung vor dem Mehraufwand gewarnt worden.
33 Pakete mit 157 Services
33 Servicepakete mit insgesamt 157 Services bietet die Infineon-IT ihren Kunden seitdem indirekt an. Zu den Servicepaketen zählt etwa der PC-Arbeitsplatz, der aus 35 einzelnen Diensten wie Helpdesk, E-Mail und Software gebündelt wird. "Diese Aggregation der Services soll die Komplexität bei der Absprache mit den Fachbereichen eindämmen", erklärt Felix Iblher, Associate Partner der in das Projekt involvierten Unternehmensberatung Oliver Wyman. Die Kunden könnten zwar nicht mit der IT über den Lieferanten der Mail-Software verhandeln, aber sie würden alle relevanten Informationen aus der Infrastruktur erhalten.
Bei aller Offenheit - in den maßgeblichen Bereichen halten CIO und Controller noch immer die Zügel in der Hand. "Zentrale Voraussetzung war, dass die Entscheidungshoheit komplett bei uns bleibt", erklärt CIO Schmelmer. Und auch das Sourcing, also: "Alles, was IT ist, läuft über uns." Mit der Hoheit über Technologien und Services soll beispielsweise vermieden werden, dass Forderungen nach bestimmten Lieferanten und Gerätemodellen aufkommen. Diskutiert werden könne über die Mengen, die Qualität und in gewissem Maße auch über den Preis. Würde jedoch die Standardisierung aufgegeben, stiegen die Komplexität und damit wieder der Aufwand, so Schmelmer.
Projekt |
IT-Kosten-Allokation |
Branche |
Industrie |
Zeitrahmen |
02/2010 – 04/2010 |
Mitarbeiter |
7 / 3 (intern / extern) |
Dienstleister |
Oliver Wyman |
Einsatz |
konzernweit |
Internet |
"Das komplette IT-Management war über drei Monate involviert", erinnert sich Controller Betz. Hinzu kamen drei externe Berater sowie zwei Finance-Mitarbeiter: "Das Projekt hat uns ziemlich beschäftigt, denn das Modell musste reproduzierbar aufgebaut sein - schließlich ist es ein Management-Tool, mit dem wir arbeiten müssen." Eine kleine Hintertür haben sich die Verantwortlichen allerdings offen gelassen: "Es war nicht von vornherein entschieden, dass wir das Modell auch einführen", so CIO Schmelmer. Alle Services waren vorbereitet worden, doch der Einsatz wurde vorerst nur simuliert.
Nach drei Quartalen schaltete Schmelmer die alte IT schließlich ab. Nun beschäftigt sich eine Drittelkraft mit dem Verfahren. "Der zusätzliche Aufwand im Controlling wird durch höhere Anreize, die Nachfrage nach IT-Services besser zu steuern, und damit mittelfristig durch Kostensenkungen mehr als kompensiert", berichtet Unternehmensberater Iblher von Oliver Wyman. "Hinzu kommt ein verminderter Kalkulationsaufwand für finanzielle Auswirkungen auf die IT bei der Integration oder Abspaltung von Geschäftsbereichen."
Fachbereiche diskussionsfreudiger
Doch nicht nur hier entfallen manuelle Berechnungen, auch der Aufwand für Verhandlungen mit den Fachbereichen sinkt: "Weil über Fakten diskutiert wird und alle schneller zum Punkt kommen". Der Planungshorizont weitet sich, IT-Kosten können vorausschauender kalkuliert werden. Überhaupt seien die Fachbereiche nun viel stärker daran interessiert, mit der IT zu diskutieren, berichtet CIO Schmelmer. Beide Seiten seien näher zusammengerückt, es kämen Anregungen aus den Fachbereichen.
Genaue Zahlen über Einsparsummen gibt es jedoch nicht. Hauptziel des Projekts waren ja nicht weitere Senkungen angesichts des bereits halbierten IT-Kosten-Anteils am Umsatz. Vielmehr dient die neue Verrechnung als ein Zwischensch4ritt zum Service-Portfolio-Management bei Infineon.
Das Gießkannenprinzip hat ausgedient, Service-Portfolio-Management rückt in greifbare Nähe. Die IT-Welt ist wieder ein bisschen gerechter geworden.
Projekt - Lessons learned |
Für ein Projekt zur IT-Kosten-Allokation wie bei Infineon sollten einige grundlegende Voraussetzungen berücksichtigt werden:
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