Eigentlich könnte es so einfach sein: Die Zeitung am Kiosk, den Kaffee am Bahnhof – quasi im Vorbeigehen kaufen, ganz ohne Bargeld, dank intelligenter EC- und Kreditkarten. Allein: Viele Kunden trauen der neuen Technik nicht und kramen weiterhin lieber nach Münzen in ihrer Geldbörse – und sie haben Verbraucherschützer auf ihrer Seite.
Vor zwei Jahren, am 17. April 2012, gaben Deutschlands Banken und Sparkassen den Startschuss für "das größte Pilotprojekt Europas zum kontaktlosen Bezahlen": "Girogo". Die Zwischenbilanz der Anbieter fällt positiv aus.
"Aus unserer Sicht ist die Zukunft der Kartenzahlung kontaktlos, weil das bequem und schnell ist und gleichzeitig die Brücke zu zukünftigen mobilen Bezahllösungen darstellt", sagt Ludger Gooßens, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). "Wir gehen davon aus, dass der Bargeldanteil im Handel innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre auf unter 50 Prozent sinken wird."
Kern der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Technik: Ein Chip in der Plastikkarte, der per Funktechnik NFC ("Near Field Communication") ausgelesen wird. "Kontaktlos" bedeutet, dass der Kunde die Karte nicht in ein Gerät einschieben, sondern nur an ein spezielles Lesegerät halten muss. Bei geringen Beträgen ist nicht einmal die Eingabe der Geheimnummer (PIN) nötig. Bei "Girogo" muss der Bankkunde zuvor ein Guthaben auf den Chip seiner Karte laden - auf dieses wird dann beim Zahlen via NFC-Chip zurückgegriffen.
Die Deutschen zögern
Auch die Kreditkartenanbieter Mastercard ("Paypass") und Visa ("Paywave") setzen auf kontaktloses Bezahlen. Bei den Deutschen, denen Schein und Münze lieb und teuer sind, setzt sich die Technik allerdings nur schleppend durch. Immerhin: Visa berichtet, in Deutschland sei im vergangenen Jahr die Zahl der Kunden, die Einkäufe quasi im Vorbeigehen zahlen, von 500 000 auf 1,7 Millionen gestiegen.
Javier Perez, Präsident von Mastercard in Europa, jubelte kürzlich in einer Unternehmensmitteilung: "Bei manchen Händlern sind es schon deutlich über 50 Prozent der Transaktionen, bei denen einfach eine Karte vor das Lesegerät gehalten wird. So wird das Einkaufserlebnis für alle Beteiligten sicherer und einfacher."
Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht das kritischer: "Das kontaktlose Bezahlen mag in bestimmten Situationen– in Stoßzeiten am Fahrkartenautomaten, in der Pause im Fußballstadion – helfen. Aber grundsätzlich will der Verbraucher schon genau wissen, wann er wo was bezahlt."
Der Verbraucherschützer sagt: "Wir haben einige Bedenken insbesondere in Sachen Datenschutz, weil diese Karten mit einfacher Technik auch kontaktlos ausgelesen werden können." Dann könnten sensible Daten letztlich doch in falsche Hände geraten, argwöhnen Kritiker. Pauli: "Man muss schon die Frage stellen: Muss das vermeintlich schnellere Bezahlen an der Kasse mit Kontrollverlust einhergehen?"
Die Anbieter versichern, die Technik sei sicher. Die Deutsche Kreditwirtschaft, gewissermaßen der Dachverband der Bankenverbände im Land, verweist auf den erfolgreichen Ausbau von "Girogo": Stand Mitte April 2014 konnten diese Karten demnach bundesweit an knapp 8.500 Stellen eingesetzt werden. Auch die Zahl der Karten mit Kontaktlos-Funktion steige stetig: Sparkassen und die Volkswagen Bank direkt hätten nach aktuellem Stand rund 22 Millionen "Girogo"-fähiger Karten ausgegeben.
"Kontaktloses Bezahlen wird sich als technische Weiterentwicklung der Kartentechnik sukzessive am Markt etablieren. Dass eine solche Umstellung Zeit benötigt, ist natürlich und selbstverständlich", bilanziert die Deutsche Kreditwirtschaft auf Anfrage. Für 2015 sei ein weiterer großangelegter Feldtest in der Region Kassel/Göttingen auf Basis der NFC-Technologie geplant: "Girocard kontaktlos". Ein BVR-Sprecher erklärt: Damit solle die EC-Karte im kontaktlosen Einsatz getestet werden, Einkäufe würden dann nicht mit einem Guthaben auf dem Chip verrechnet, sondern vom Girokonto abgebucht. (dpa/tö)