Im Fokus: Mobility-Markt

Shooting-Star Blackberry

07.02.2005
"Blackberry" gilt als junge Ikone der mobilen Datenkommunikation. Wer E-Mails drahtlos verschicken will, kommt an diesem Standard kaum vorbei. Für UMTS-Anwendungen werden die Karten neu gemischt. Noch prägen kleine Anbieter die Szene, doch die Global Player ziehen langsam nach.

Es ging alles sehr schnell an diesem Junitag 2003. Innerhalb weniger Stunden wurden der Server installiert, die Software konfiguriert und die ersten Geräte angeschlossen. Von nun an erreichten E-Mails und andere persönliche Informationen die Manager der Canon Deutschland GmbH unabhängig davon, wo sie sich gerade befanden. IT-Leiter Walter Wagner überzeugte sich persönlich davon, als er eine Woche später nach Teneriffa jettete. "Es war wie ein neues Leben", erinnert er sich an sein schmales Reisegepäck. "Kein Notebook, kein Handy. Nur mein Blackberry."

Die Ingenieure des kanadischen IT-Spezialisten Research-in-Motion (RIM) haben die Branche gewaltig aufgemischt. Ihr Rezept: Man nehme eine Killerapplikation (E-Mail), stelle sie auf eine mobile Grundlage (GPRS) und packe alles zusammen in ein Komplettpaket inklusive Endgerät plus Middleware. Fertig ist die Blackberry-Erfolgsstory, die das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Player im Mobility-Markt machte und etablierte Anbieter auf die Plätze verwies. Einzig Nokia bleibt unangefochtener Marktführer, obgleich das Wachstum der Finnen deutlich hinter dem der Kanadier zurückblieb.

Beinahe konkurrenzlos schmücken RIMs Kombigeräte aus Telefon und Personal-Information-Manager die Auslagen der deutschen Netzbetreiber. Der Wettbewerb hat den Standard anerkannt - und lizenziert. Egal ob T-Mobile seinen neuen MDA III in die Läden bringt oder Siemens sein neues Handy-Modell SK65 präsentiert: die Blackberry-Software ist mit dabei. Selbst SAP hat seine Produkte darauf abgestimmt.

Bei Canon Deutschland nutzen inzwischen rund 30 Top-Manager die Mini-Computer, die sie auf ihren Reisen quer durch Europa stets auf dem Laufenden halten. Eingehende Nachrichten leitet der E-MailServer in der Krefelder Zentrale automatisch an den Blackberry-Server weiter. Dieser steht per Mobilfunk ständig in Verbindung zum Endgerät. Die patentierte "Push"-Technologie sorgt für den aus dem Festnetz gewohnten Komfort: Die elektronische Post meldet sich beim Adressaten, sobald sie eingetroffen ist. Und alle beteiligten Datenbanken werden automatisch synchronisiert. Wagner will den Service daher nicht mehr missen. "Wir sind in unseren Reaktionszeiten wesentlich schneller geworden", freut er sich.

Worte, die den Mobility-Anbietern wie Musik in den Ohren klingen dürften. Nicht einmal vier Jahre ist es her, dass ihre M-Commerce-Phantasie so jäh platzte wie die gesamte Internetblase. Doch der Shooting-Star RIM hat der Branche wieder Mut gemacht, wie die Vielzahl einschlägiger Studien der IT-Beratungshäuser beweist. Sie alle sind sich sicher, dass der Mobility-Markt angesichts ausgereifter Breitbandtechnologien wie UMTS oder WLAN zu seinem zweiten Frühling erwacht. "Die Advokaten des Mobile Computing sind optimistisch", schreiben die Autoren von Economist Intelligence Unit. "Das erste Mal, sagen sie, ist die Informations- und Kommunikationstechnologie in der Lage, sich in jeden Winkel des Geschäftslebens auszubreiten."

Diesmal kein Strohfeuer

Auch die Meta Group wittert den Aufschwung. Etwa die Hälfte der von ihr befragten 245 Unternehmen plant 2005 höhere Mobility-Budgets. Rund fünf Prozent aller IT-Ausgaben entfallen derzeit auf mobile Lösungen und Dienste, und heuer soll das Ausgabenvolumen in diesem Bereich um mehr als zehn Prozent steigen - interne Personalkosten eingeschlossen. Wolfram Funk, Senior Consultant der Meta Group, glaubt angesichts dieser Entwicklung nicht mehr an ein Strohfeuer. "Der Trend ist unaufhaltsam", sagt er. "Mobile Komponenten werden immer mehr zum festen Bestandteil moderner IT-Infrastrukturen."

Laut IDC ist der Anteil der Organisationen in Europa, die eine Mobility-Strategie verfolgen, in den vergangenen Jahren bereits leicht gestiegen. Aktuell liegt er bei knapp unter 40 Prozent. "Das ist definitiv ein gutes Zeichen", glaubt Rosie Secchi, Senior-Analystin bei IDC, warnt jedoch vor einem kommerziellen Selbstläufer. "Netzbetreiber, Systemintegratoren und Hardwarehersteller müssen noch eine Menge tun, um den Kunden den Mehrwert und Nutzen mobiler Anwendungen wirklich näher zu bringen."

Eine Aufgabe, die mit der Marktreife von UMTS nicht leichter wird. Einst teuer erkauft, dann lange überfällig, soll die Breitbandtechnologie endlich die Brücke zwischen Telefonie und Datentransfer schlagen. Die technischen Voraussetzungen sind geschaffen. Übertragungsraten von 384 Kilobit pro Sekunde werden bereits gemessen. Auch UMTS-Datenkarten für Notebooks sind keine Rarität mehr. 150 000 Stück haben die Hersteller Novatel Wireless und Lucent Technologies nach eigenen Angaben 2004 weltweit verkauft. Dreimal mehr, so schätzen Experten, als die restliche Konkurrenz. Angesichts dieser Entwicklung beginnen viele Firmen damit, sich um mobile Datendienste zu kümmern. Unternehmen mit flächendeckendem Kundendienst versprechen sich klare Vorteile vom breitbandigen Mobilfunk. Beispielsweise, weil sie die eigenen Servicetechniker schnell und unkompliziert selbst mit voluminösen Dokumenten wie Handbüchern versorgen könnten. "Mit UMTS", weiß Canons IT-Leiter Wagner, "würde sich das erheblich verbessern."

Von einer Kompaktlösung à la Blackberry darf er bislang allerdings nur träumen. "Die Anbieterlandschaft im Umfeld mobiler Lösungen ist derzeit sehr fragmentiert", sagt Wolfram Funk. Echte One-Stop-Shopping-Lösungen für alle Bedürfnisse der Anwenderunternehmen gebe es noch nicht. "Langfristig werden mobile Infrastrukturen jedoch immer stärker durch die großen Plattformanbieter geprägt sein."

Eine Welt ohne Festnetz

An die Spitze dieser Bewegung hat sich Nokia gesetzt. Als erster Hersteller von mobilen Endgeräten hat der Marktführer die Kluft zwischen sprach- und datenzentrierten Endgeräten geschlossen und damit sperrige Notebooks oder den parallelen Einsatz von Mobiltelefon und PDA überflüssig gemacht. Der Communicator 9500 verschickt und empfängt Daten sowohl über EDGE- als über WLAN-Netze. Um durchgängige Unternehmenslösungen vom Endgerät bis zum Anwendungsserver zu bieten, haben die Finnen zudem schlagkräftige Allianzen geschmiedet, vor allem mit IBM und deren Websphere-Produktfamilie. Beide Firmen haben angekündigt, in naher Zukunft "komfortabel verwaltbare, integrierte und getestete mobile Ende-zu-Ende-Lösungen für Firmenkunden" bereitzustellen.

Vielleicht könnte sich die Welt auch künftig ganz ohne Festnetzanschlüsse drehen. Auf der Isle of Man, der Mini-Insel im Ärmelkanal, werkeln der britische Netzbetreiber MMO2 und sein Ausrüster Lucent Technologies an dieser Vision. Bis Sommer 2005 wollen sie ein superschnelles UMTS-Netz, HSDPA-Netz genannt, installieren. Das Herunterladen von Filmen und Videos und der schnelle Abruf von E-Mails samt voluminöser Anhänge würde dann Wirklichkeit werden. "Bei diesem Projekt", prophezeit David Poticny, Europa-Chef von Lucent, "werden wir die Grenzen zwischen Sprach- und Datendiensten und zwischen Festnetz- und Mobilfunkwelt überwinden." Vorläufig bleibt das Ganze aber buchstäblich eine Insel-Lösung.