DAS WICHTIGSTE Benchmarking findet täglich für alle Unternehmen kostenlos statt: Entscheidet sich ein Kunde positiv, ist der Auftrag gewonnen; springt er ab, muss das Projekt abgeschrieben werden. Dennoch investieren Firmen viel Geld und Zeit in IT-Benchmarking. Detaillierte Ergebnisse können dabei helfen, sich zu verbessern.
Beim Vergleich mit Mitbewerbern und der Branche untersuchen Berater wie Compass, Gartner oder Meta Group die wichtigsten Kosten- und Wertetreiber der IT. Dazu können die Leistungen des Rechenzentrums und der Anwendungen ebenso gehören wie das Risiko-Management, Geschäftsprozesse oder die Gesamtorganisation. Die Resultate vergleichen Berater dann mit zumeist anonymisierten Unternehmen aus einer speziell zusammengestellten Vergleichsgruppe.
Was simpel klingt, ist in der Praxis der schwierigste Part: Jedes Unternehmen verfügt über eine individuelle IT-Landschaft, die sich kontinuierlich verändert. Ein perfekter Vergleich ist also unmöglich. Um dennoch mit brauchbaren Daten arbeiten zu können, greifen die Berater auf Durchschnittswerte zurück.
Zähes Ringen um die richtigen Begriffe
„Wir haben bei einem Benchmark-Projekt auch schon sehr lange über die richtigen Begriffe und Definitionen diskutiert“, sagt Karl-Heinz Streibich, Geschäftsführer der IT-Services bei T-Systems. Diese „Normierungsgespräche“ verlaufen so zäh wie der Begriff es befürchten lässt: ITManager und Berater müssen klären, welche intern gebrauchten Begriffe den Gartner-Festlegungen entsprechen.
So verwendete Gartner in einem Fragenkatalog für User Help Benchmarking etwa den Begriff „Kontakt“. Da stellte sich für Udo Janzen, Leiter des Telemanagement- Centers des Thyssen-Krupp-IT-Dienstleisters Triaton, die Frage: „Was ist mit ‚Kontakten‘ gemeint? Die Anzahl der Anrufe oder die Zahl der bearbeiteten Fälle, bei denen meist mehrere Telefonate geführt werden? Wir haben uns häufig mit den Beratern getroffen, um unsere Begriffe dem Gartner-Schema anzupassen.“
Am Ende stellte Gartner aus einer Datenbank von 700 Service-Centern eine Gruppe von acht Referenzfirmen zusammen, die sich mit den Gegebenheiten des Triaton- Centers vergleichen ließen. Dort erledigen die rund sechzig Mitarbeiter Help-Desk-Services für konzerninterne und externe Kunden 15000 Fälle pro Monat. Die guten Vergleichsdaten rechtfertigen für Janzen den hohen Aufwand.
Ohne standardisierte Daten kommt auch Management- Berater und IT-Benchmark-Spezialist Compass nicht aus. „Es gibt nie zwei hundertprozentig gleiche Unternehmen. Trotzdem ist es möglich, die jeweiligen Besonderheiten exakt zu vergleichen“, sagt Geschäftsführer Martin Lippert.
Die spannendste Phase: Ziele festlegen
Für jeden Kunden werden dafür die passenden Kennzahlen und Erfassungsmodelle herausgesucht. Eine reine Interview-Vorgehensweise reiche nicht aus, so Lippert. Also greifen die Wiesbadener auf eine Datenbank mit Zahlen und Informationen aus 6000 Projekten zurück. „Wichtig ist ein Bild, das alle Geschäftsprozesse erfasst“, weiß Lippert. Dazu gehöre, die Ziele festzulegen und dann zu untersuchen, welche IT-Aufgaben die Prozesse unterstützen. „Das ist der spannendste Teil.“
Nicht weniger anstrengend verlaufen die Messwochen. „Da wird ein riesiges Zahlenwerk gedreht. Das macht man nicht nebenher“, sagt Norbert Barth, Geschäftsführer der AMB Generali Informatik Services, dem IT-Dienstleister der Generali-Versicherungsgruppe.
Rund hundert Manntage veranschlagt Barth für das Benchmarking, bei dem Compass unter anderem Rechnerleistungen, Netzwerke sowie die Mitarbeiterunterstützung durch die IT, das Lager-Management im Client-Server-Umfeld und das Notfall- Management prüft. Mit dem Benchmarking verschafft sich Barth alle zwei Jahre einen Überblick darüber, wo seine IT im Vergleich zu den Mitbewerbern steht.
Compass-Chef Lippert hält Benchmarking allein schon aufgrund des immer schnelleren Wandels der Technik für notwendig. „Kleine Abweichungen gegenüber den Besten der Branche wirken sich heute viel gravierender aus als früher.“ Allerdings kennt er auch Fälle, bei denen die Ergebnisse vor allem für die positive Darstellung gegenüber Vorstand, Controlling, Kunden oder einem potenziellen Käufer genutzt wurden. „Die Tiefe der Studie ist dann egal“, so Lippert.
Barth vom AMB ist die Studientiefe dagegen alles andere als egal: „Die Ergebnisse brauchen wir beispielsweise, um zu sehen, ob wir für Computer oder ISDN-Anschlüsse zu viel bezahlt haben.“ Mit den Resultaten geht er dann zum Anbieter, um niedrigere Preise zu erreichen. „Meist herrscht zunächst eine gespannte Atmosphäre, aber in der Regel gehen wir als Sieger aus dem Raum.“ Und auch die anonymisierten Vergleichsdaten bereiten ihm keine großen Sorgen. Wenn AMB in einem Bereich nicht so gut abgeschnitten hat, ruft er einen Kollegen an und fragt einfach nach: „Bist du das mit den besten Werten? Wie hast du das gemacht?“ Das geht so weit, dass sich Führungsleute besuchen und die Ergebnisse diskutieren.
So sportlich geht es beim IZB Informatik Zentrum, der IT-Tochter der bayerischen Sparkassen und der Bayerischen Landesbank, nicht zu. „Weil unser Geschäft mit Drittkunden noch gering ist, fehlt uns der Marktvergleich“, erklärt Geschäftsführer Anton Müller seine Entscheidung für ein Benchmarking. Der IT-Dienstleister bietet Outsourcing, ein dezentrales Client Server Management und ein multimediales Netzwerk für Sprach- und Datenkommunikation an. „Ich will mir Gewissheit darüber verschaffen, die richtige Leistung zu den richtigen Kosten zu erbringen“, sagt Müller. Allerdings hält er Benchmarking nur für begrenzt tauglich, um Kosten zu senken. „Was nützt es mir zu wissen, dass meine Großrechner zu teuer sind, wenn ich keine andere Wahl habe, weil IBM hier praktisch ein Monopol besitzt?“
Oberflächlich oder effizient?
Hart geht Jürgen Wengorz, Technischer Leiter Business der Unit IT-Management Solutions beim Heidelberger Business-Intelligence-Anbieter SAS, mit Benchmarking ins Gericht: „Damit kriege ich meine Kosten nicht in den Griff.“ Die standardisierten Vergleichsdaten lieferten nur oberflächliche Ergebnisse und Verbesserungsvorschläge.
Auch Streibich von T-Systems sieht den Nutzen weniger in der Kostenreduzierung: „Unsere Kunden verlangen oft ein Benchmarking von uns. Das bietet Orientierung und Sicherheit. Aber vieles lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.“ Immerhin wurde die Effizienz eines Rechenzentrums nach Benchmarkings zwischen 1997 und 2000 erheblich gesteigert; die Kosten gingen um rund hundert Millionen Euro zurück.
Kritiker Wengorz schlägt einen anderen Weg vor: „Unternehmen müssen zusammen mit den Kunden Service Levels (SL) festlegen und ein SL-Management einführen.“ Zu Kunden zählt er sowohl die Mitarbeiter sowie externe Partner. „Diese SL müssen knallhart festgelegt werden, bei Nichteinhaltung Sanktionen folgen“, sagt Wengorz und fügt hinzu: „So bekomme ich mit relativ wenig Geld und Aufwand gute Ergebnisse. Mit dem SL-Management schaffe ich mir ein strategisches Planungsinstrument.“
Als dauerhaftes Instrument zur kontinuierlichen Verbesserung setzt auch Janzen von Triaton Benchmarking ein. Vor eineinhalb Jahren hat er den ersten Vergleich durchgeführt, der zweite läuft derzeit. Nach einer dritten Studie soll Schluss sein; dann will er anhand der Ergebnisse ein eigenes Controlling aufgebaut haben. Bereits jetzt führt Janzen mithilfe von Gartner-Zahlen monatlich Tests durch. Benchmarking ist für ihn Alltagsgeschäft.