Der Finanzbranche steht die vielleicht größte Umwälzung ihrer Geschichte ins Haus. Auslöser ist die Blockchain-Technik, mit deren Hilfe sich Transaktionen verschiedenster Art viel effizienter als bislang abwickeln lassen. Es braucht damit keine Intermediäre oder Treuhänder mehr. Den Finanzhäusern droht "Banking without banks" - wenn es ihnen nicht gelingt, die darin liegenden Chancen selbst zu nutzen.
Blockchain ist eine Datenbank für die Speicherung von Daten, Informationen und Dokumenten. Die Grundlage dafür bildet ein dezentral ausgelegtes Peer-to-Peer-Netz. Hier werden die Transaktionen verifiziert, validiert und zu Blöcken zusammengefasst.
Damit lassen sich auch komplexe Transaktionen vornehmen und automatisieren. Zudem gilt die Technik als sicher, weil der Aufwand, der für eine Manipulation betrieben werden müsste, immens hoch ist und in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen würde.
"Blockchain wird die Art, wie weltweit Geschäfte gemacht werden, verändern", prognostizierte jüngst Wolfgang Hach, Partner von Roland Berger. Das Beratungshaus hat Ende März die Studie "Enabling decentralized, digital and trusted transactions - Why blockchain will transform the financial services industry" vorgestellt. Darin analysieren die Experten Chancen und Risiken der Technik.
Viele Anwendungen in der Finanzbranche möglich
"Gerade in der Finanzbranche mit ihren großen Datenmengen, zahlreichen Intermediären und Dienstleistungen, die abgesichert und verifiziert werden müssen, ergeben sich für Blockchain viele Anwendungsmöglichkeiten", konstatierte Roland-Berger-Partner Sebastian Steger. Aus Sicht der Experten bieten sich den Finanzdienstleistern vielfältige Perspektiven, neue Geschäfte zu generieren - zum Beispiel im Fernhandel: Bisher müssen Verkäufer und Käufer über ihre Banken zahlreiche Dokumente organisieren, die festhalten, welchen Wert die Ware hat, wie sie verladen und transportiert wird und wer bis zu welchem Zeitpunkt haftet. Solche Unterlagen müssen bis dato im Original vorliegen. Mit Blockchain ließen sie sich unveränderbar, mit Zeitstempel und nachverfolgbar digital speichern.
Ebenso effizient lassen sich Versicherungsfälle regeln. Mit Hilfe der Blockchain können Versicherungen anhand von Fahrer- und Fahrzeugdaten maßgeschneiderte Policen anbieten und schnell helfen, wenn Unfälle oder Pannen passieren. Das Fahrersystem meldet den Vorfall in Echtzeit bei der Versicherung - Reparaturdienst, Taxi oder andere Dienstleister werden sofort benachrichtigt. Über intelligente Sensoren werden Autoschäden sofort erfasst und der Versicherung gemeldet.
Rechtliche Grundlagen nötig
Bis die Blockchain Business-Realität wird, müssen jedoch nach Ansicht der Roland-Berger-Experten noch einige Hürden überwunden werden. Unter anderem brauche es einheitliche Standards als Voraussetzung für die Kooperation über Länder-, Branchen- und Unternehmensgrenzen hinweg. Zudem müssten sich auch noch die rechtlichen Grundlagen und Sicherheitsaspekte etablieren. "Sowohl Politik, Regulatoren und Blockchain-Aktivisten als auch die Industrie arbeiten an diesen Themen", sagte Steger. Momentan befinde sich die Blockchain-Technik in der Finanzbranche noch in der Testphase. Mit einer breiteren Nutzung rechnen die Roland-Berger-Experten in drei bis fünf Jahren.