Global beläuft sich der Gesamtausgabenblock auf mehr als 455 Mrd. US-Dollar. Man sollte also meinen, dass dieses Marktsegment durchaus von Erfolg gekrönt ist. Allerdings zeigt eine Forrester-Studie mit dem Titel "The State of IT Service Adoption" aus dem Juli 2007, dass 26 Prozent aller im Rahmen dieser Studie befragten Verantwortlichen für das Thema Outsourcing planen, die gesamte IT-Infrastruktur wieder in das Unternehmen einzugliedern. Ähnliches ist auch im gesamten Bereich der Software-Entwicklung für extern vergebene Dienstleistungen zu beobachten.
Man mag sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, warum ein Marktsegment wie IT-Outsourcing, das schon fast so alt wie die IT selbst ist, es immer noch nicht geschafft hat, einen Reifegrad zu erreichen, der ein erfolgreiches Zusammenleben der verschiedenen Vertragsparteien ermöglicht. Stellt man den Entscheidungsträgern die Frage, aus welchem Grund die Entscheidung für eine Rückführung der Dienstleistung gefällt wird, so erhält man in 36 Prozent aller Fälle die Antwort, dass die erwarteten Kosteneinsparungen nicht eingetreten sind, gefolgt von Aussagen im Hinblick auf die Flexibilität (28 Prozent) von Dienstleistern sowohl in Bezug auf Veränderungen des Geschäftsumfeldes und daraus resultierenden Veränderungen der Leistungsanforderung.
Unsere Erfahrung als Unternehmen, das in vielen Projekten Kunden bei der Durchführung von Sourcing-Initiativen unterstützt, zeigt eindeutig, dass ein Grundproblem immer noch darin besteht, dass Anwenderunternehmen das Thema Outsourcing eher stiefmütterlich behandeln und es bei solchen Projekten an einem robusten Projekt-Management sowie ausreichender Vorbereitung mangeln lassen.
Um das Risiko von Misserfolgen bei Sourcing-Aktivitäten zu minimieren, sollten Anwenderunternehmen einem stringenten Prozessmodell bei der Realisierung solcher Projekte folgen. Die Abarbeitung der hier vorgestellten Sequenz ist deshalb so wichtig, da sich Unterlassungen in der Vorphase des Leistungsüberganges grundsätzlich bei der Leistungserbringung rächen.
Der "Sourcing Lebenszyklus"
Das bereits erwähnte Prozessmodell setzt sich im Wesentlichen aus acht Teilschritten zusammen:
Phase 1 - Strategie: Ein Sourcing-Projekt muss grundsätzlich mit der Definition einer klaren Sourcing-Strategie beginnen. An diesem Startpunkt ist es wichtig, dass sich ein Unternehmen darüber klar wird, wie die Firmenstrategie sowie die normalerweise daraus abgeleitete IT-Strategie durch ein gezieltes Sourcing von Dienstleistungen unterstützt werden kann. Die Festlegung, mit welchen Zielen und aus welchen Gründen das Thema Sourcing betrachtet wird, führt zu einer grundlegenden Entscheidung, die alle weiteren Schritte im Lebenszyklus beeinflussen wird.
Ebenfalls wird bei der Definition der Strategie ein erstes Screening der IT-Leistungen durchgeführt, um eine Klassifizierung anhand grundlegender Merkmale der IT-Strategie zu erzielen. Als Ergebnis einer solchen Strategiedefinition werden die IT-Leistungselemente oder -services beispielsweise anhand des Reifegrades im Bezug zu dem erwarteten Geschäftswert in Gruppen kategorisiert. Diese Gruppen definieren, ob eine Leistung zur externen Vergabe steht, intern betrieben wird oder im Detail weiter zu analysieren ist. Ebenfalls lassen sich anhand dieser Klassifizierung erste Entscheidungsgrundlagen festlegen, ob ein zukünftiges Partnermodell eher im Hinblick auf einen einheitlichen Partner für alle Dienstleistungen und unterschiedliche Partner für unterschiedliche Technologiedomänen ausgerichtet sein wird.
Phase 2 - Anforderungen und Leistungsfähigkeit: Für alle Leistungselemente, die für ein zukünftiges Sourcing durch externe Partner in Frage kommen, ist eine detaillierte Anforderungsanalyse notwendig. IT-Abteilungen, die bereits eine Service-orientierte Erbringungsstruktur haben, können diesen Schritt relativ schnell erledigen, da hier bereits klar formulierte Leistungsbeschreibungen (SLAs) zwischen der IT und dem eigentlichen Anwender der IT, den Geschäftseinheiten, bestehen. Für alle IT-Organisationen, die es in der Vergangenheit versäumt haben, die Leistungserbringung anhand eines "Service Delivery Models" zu definieren, ist dies die erste, große Hürde in einem solchen Projekt. In diesem Falle sind zwei Dinge notwendig:
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eine Bestandsaufnahme der jeweiligen Service-Elemente und eine Zusammenführung dieser Elemente in einen Service, sowie
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die Verifikation dieser Leistung mit den Geschäftseinheiten. Dieser Schritt ist von essentieller Notwendigkeit, da die Erfahrung zeigt, dass die durch einen Dienstleistungsvertrag erzwungene Transparenz von Leistungsqualität und Kosten bzw. Preis in vielen Fällen zu einem bösen Erwachen bei allen Beteiligten führen kann.
Speziell bei vorher nicht klar definierten Leistungsstrukturen stellen IT-Nutzer nach Übergang einer Leistung plötzlich fest, welche Qualität bisher erbracht wurde und wie sich diese von klar umgrenzten Leistungen und Verträgen unterscheiden kann. Diese Überraschung führt häufig zu den negativen Aussagen über die Leistungsfähigkeit eines Dienstleisters, die jedoch in den meisten Fällen eher unbegründet sind. Denn Dienstleister tendieren logischerweise dazu, gemäß der Vertragsbestandteile zu liefern - sind diese nicht deckungsgleich mit den Endkundenerwartungen hat in diesem Falle leider meist nicht der Dienstleister die Schuld.
Ebenfalls in dieser Phase wird die grundlegende Struktur eines zukünftigen Lieferanten-Managements definiert, da für die einzelnen Services definierte Service-Manager allokiert werden, die im späteren Verlauf ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Lieferanten und dem Kunde der IT darstellen.
Phase 3 - Sourcing-Entscheidung: Die Entscheidung, welche Dienstleistung letztendlich zur Verhandlung kommt, basiert im Wesentlichen auf drei Faktoren: der Analyse der Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Qualität der Erbringung, einer grundlegenden "Business Case" - Kalkulation zur Analyse der finanziellen Implikationen sowie einer Risikoanalyse aus geschäftlicher, technischer und bezugsorientierter Sicht. Die Symbiose dieser drei Entscheidungskriterien führt zu einer klaren Umsetzungsstrategie, welche Leistungen werden in Eigenverantwortung weiterbetrieben, welche Dienstleistungen werden durch unterstützende Leistungen erbrachten und welche Leistungen gehen in die Verantwortung eines Dienstleisters über. Grundlage für alle Aktivitäten in diesem Schritt sind die Ergebnisse der Anforderungsanalyse aus der vorher durchgeführten Phase.
Nachdem diese Phase Klarheit über die zukünftige Leistungserbringungs-Landschaft bringt, beginnt in dieser Phase bereits die interne Vorbereitung auf den Leistungsübergang und darauf folgende Betriebsphase. Die IT-Organisation wird jetzt damit beginnen, die jeweiligen Management-Strukturen und –prozesse zu definieren und personell zu allokieren, die für das zukünftige Management des Lieferanten notwendig sind.
Phase 4 - Auswahl des Lieferanten: Auf der Basis einer durch die Phasen 1 bis 3 getriebenen Angebotsaufforderung (RfP) wird dieser Schritt durch die Bewertung der erhaltenen Angebote durchgeführt. Die Auswahlverfahren berücksichtigt die Hauptkriterien aus dem RfP und bewertet die abgegebenen Angebote hinsichtlich der fachlichen und preislichen Aspekte sowie den mit dem Angebot für den Kunden verbundenen Risiken. Ein Wichtungssystem innerhalb des Verfahrens erlaubt unterschiedliche Fokussierungen und damit eine gesamtheitliche Bewertung der Angebote. Flankiert wird die Entscheidungsfindung durch eine Präsentation der Angebote durch den möglichen Lieferanten, um gegebenenfalls offene Frage zu erörtern und zu klären. Durch die Nutzung eines Punktesystems innerhalb des Verfahrens kann eine Entscheidung objektiv und jederzeit nachvollziehbar dokumentiert werden.
Unterstützt wird das Kernprojektteam in dieser Phase durch die in der vorhergehenden Phase definierten Service-Verantwortlichen.
Phase 5 - Vertragsverhandlungen und -unterzeichnung: In dieser Phase wird die IT-Abteilung mit Hilfe der Einkaufsabteilung des Unternehmens die Vertragsdetails verhandeln und in eine unterschriftsreife Form bringen. Grundlage dieser Vertragsverhandlungen sind die Dokumente und Ergebnisse der Phase 2 bis 4. Für den Kunden ist in dieser Phase eine gründliche Vorbereitung auf die Verhandlungen notwendig, um einer vorher definierten Verhandlungsstrategie zu folgen und den zu erzielenden Ergebnissen gerecht zu werden. Spezielle Teile der Vertragsstrategie sind die Themen der möglichen Vertragserweiterungen sowie regulative Maßnahmen im Hinblick auf die Erbringungsqualität und die Mitwirkungspflichten des Leistungserbringers bei einem eventuell stattfindenden Leistungsübergangs an einen anderen Partner, beispielsweise bei fristgerechter Beendigung des Vertrages und Auswahl eines neuen Vertragspartners.
Phase 6 - Leistungsübergang: Diese Phase beginnt im Wesentlichen mit der endgültigen Realisierung der bereits im Vorfeld geplanten Management- und Governance-Organisation. Basierend auf einem dem Vertrag zugrunde liegenden Projektplan wird der Übergang der Leistungen aus der Verantwortung der internen IT-Organisation in die Verantwortung des Dienstleisters final geplant und durchgeführt. Hierbei handelt es sich um ein strategisches IT-Projekt, und deshalb wird dieser Leistungsübergang auch als Projekt, mit allen notwendigen Ressourcen wie Projekt Management Office, Projekt Manager und Projekt Administration, geplant und durchgeführt.
Phase 7 - Betriebsphase: Nach erfolgreichem Leistungsübergang beginnt nunmehr die längste Phase des gesamten Sourcing-Projekts, der laufende Betrieb. Hier wird in einem abgestuften Modell die tägliche Leistungserbringung überwacht, korregierende und weiterführende Maßnahmen anhand des Vertrages geplant und durchgeführt, Vertragsänderungen und -erweiterungen definiert, verhandelt und verabschiedet sowie in Problemfällen eine definierte Eskalationskette genutzt. Unterschiedliche Hierarchiestufen werden in dieser Phase unterschiedliche Rollen und Verantwortungen übernehmen um den Erfolg der Vertragsbeziehung zu garantieren. Eine kontinuierliche Überprüfung der Zufriedenheit der Endkunden sowie eine Analyse der sich verändernden Leistungsanforderungen ist ebenfalls notwendig und Aufgabe der bereits erwähnten Service-Manager.
Je nach unterzeichnetem Vertrag wird in dieser Phase auch über eine mögliche Preisanpassung der Leistungen verhandelt.
Phase 8 - Vertragserweiterung, -ergänzung oder Vertragsende: Bereits vor dem Erreichen der vertraglich definierten Laufzeit beginnt der Kunde, sich ein klares Bild über den Fortbestand oder eventuell notwendige Veränderungen oder Ergänzungen sowie eine mögliche Beendigung des Vertrages zu machen. Die während der Betriebsphase bereits etablierte Einbeziehung der Endkunden, also der Geschäftseinheiten, ermöglicht ein klares Bild über die zukünftige Strategie. Grundlegendes Ziel dieser Phase sollte es sein, die nach extern vergebenen Dienstleistungen eventuell den veränderten Anforderungen anzupassen, soweit dies nicht bereits aufgrund der Vertragsverhältnisse im laufenden Betrieb möglich war, und die Vertragslaufzeit zu verlängern. Abhängig vom unterzeichneten Vertrag wird in dieser Phase über ein den Marktgegebenheiten angepasstes Preismodell verhandelt. In Abhängigkeit der grundlegenden Entscheidungen wird nach dieser Phase entweder die Betriebsphase lediglich verlängert oder es ist notwendig, erneut in frühere Phase des beschriebenen Lebenszyklus einzusteigen.
"Stairway to Heaven"
Wie der Title dieser Kolumne bereits beschreibt, ist das Geheimnis für ein erfolgreiches Sourcing-Projekt eine Abfolge von unterschiedlichen Schritten und Aufgaben, die stark von einander abhängen und nur in ihrer Gesamtheit die Chancen des Erfolges drastisch erhöhen. Zu viele Unternehmen sind in der Vergangenheit beispielsweise mit irrealen Erwartungen in Sourcing-Verhältnisse eingestiegen, was zur Folge hatte, dass der Frustrationslevel in solchen Vertragsverhältnissen stetig stieg. Unternehmen, die einem stringenten Prozessmodell folgen, haben mit dem Thema Outsourcing eine reelle Chance, den an sie gestellten Anforderungen durch die Geschäftseinheiten gerecht zu werden. Dies bedarf jedoch einer sorgfältigen und realistischen Planung, nicht zuletzt aufgrund der Komplexität, der fundamentalen Änderungen, die notwendig sind, und der neuen Anforderungen an die IT-Abteilungen.
Einer der wichtigsten Faktoren in diesem Umfeld ist die Zeit. Für Unternehmen, die sich entscheiden das Thema Sourcing strategisch zu betrachten, ist Zeitdruck bereits der erste Nagel zum Sarg des Erfolges eines solchen Projektes.
Lutz Peichert ist Analyst bei Forrester Research.