Siemens-Chef Joe Kaeser muss in diesem Jahr vor allem die teuren Projektpannen abstellen. Mehr Rendite und eine schlagkräftigere Konzernstruktur sind nur einige der Aufgaben auf seiner langen Liste für 2014. Und das Ganze muss Kaeser auch noch möglichst geräuschlos stemmen. Denn nach dem ganzen Tohuwabohu um Chefwechsel, Stellenstreichungen und Vorstandsumbau kann der Technologieriese mit seinen rund 370 000 Beschäftigten nichts weniger gebrauchen als neue Unruhe und Querelen.
Auf einer wichtigen Langzeit-Baustelle von Siemens geht es nach vielen Verzögerungen nun endlich voran - wenn auch nur in kleinen Schritten: Mit zwei Jahren Verspätung kann die Deutsche Bahn die ersten 4 der 16 bei Siemens bestellten ICE-Züge jetzt im Inlandsverkehr in Betrieb nehmen. Vier weitere Züge sollen im Frühjahr folgen, dann steht aber noch immer die zweite Hälfte des Gesamtpaketes aus. Für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Frankreich und Belgien haben die Züge nämlich noch kein grünes Licht vom Eisenbahnbundesamt. Und wann es kommt, ist offen.
Kaeser ließ sich bei öffentlichen Auftritten in den vergangenen Wochen von solchen Problemen nicht aus dem Konzept bringen. Der Manager gibt sich gelassen und zeigt deutlich, dass er es genießt, nun Herr im Hause Siemens zu sein. Mal verglich er die Zug-Verspätungen launig mit dem "Warten auf Godot", mal nennt er sie eine "Mega-Peinlichkeit", die es so künftig nicht mehr geben dürfe. Auch seine Äußerungen zu den Pannen beim Großprojekt Berliner Flughafen sorgten für Diskussionsstoff: "Den braucht eh keiner im Moment. Wenn wir den in fünf bis zehn Jahren haben, reicht es vollkommen", lautete Kaesers lässiges Fazit.
Die ärgerliche Antwort aus Berlin kam prompt: "Ich missbillige Ihr Verhalten außerordentlich", schrieb Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn Anfang Dezember in einem scharfen Brief an den Siemens-Chef, der daraufhin nach Siemens-Angaben zum Telefonhörer griff und Mehdorn anrief. "Die Missverständnisse konnten ausgeräumt werden", ließ der Elektrokonzern kurz darauf wissen. Siemens soll den kritischen Teil der hochkomplexen Brandschutzanlage an dem Flughafen umbauen.
Zu seinem Amtsantritt Anfang August war der frühere Siemens-Finanzchef Kaeser mit viel Vertrauensvorschuss der Kapitalmärkte gestartet. Seither habe er bei Siemens schon einige Weichen richtig gestellt, meint Christoph Niesel von Union Investment. Dazu gehört die Neuordnung der regionalen Organisation, die Siemens mehr Nähe zu den Märkten und Kunden verschaffen soll. Mehr Effizienz und eine straffere Führung aus der Münchner Konzernzentrale soll zudem eine neue Eingreiftruppe bringen, die unterhalb des Vorstands angesiedelt sein wird.
Über die nächsten Schritte darf nun bis Mai kommenden Jahres spekuliert werden, denn dann will Kaeser Details zur künftigen Konzernstruktur vorstellen. Fondsmanager Henning Gebhardt von der DWS geht das etwas zu langsam. "Herr Kaeser ist ja nicht neu im Unternehmen." Bereits zur Siemens-Hauptversammlung Ende Januar dürfte das Thema ohnehin wieder auf den Tisch kommen, erwartet Gebhardt. Mehr Fokussierung auf renditeträchtige Geschäfte und eine "neue Art der Unternehmenssteuerung" mit sinnvollen Zielvorgaben wünscht sich der Fondsmanager für den breit aufgestellten Elektrokonzern.
Schon die ersten Monate im neuen Amt waren für Kaeser durchaus turbulent verlaufen. Anfang August hatte der Niederbayer seinen Vorgänger Peter Löscher abgelöst, der über eine neuerliche Gewinnwarnung stürzte. Nicht nur der Vorstandsumbau mit dem überraschenden Abgang von Personalchefin Brigitte Ederer sorgte seither für einiges Knirschen im Getriebe, sondern auch die Gehaltsaffäre um Siemens-Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler, der sich im Tauziehen um seine Vertragsverlängerung schließlich geschlagen gab. Und noch einen Abgang zog die Affäre kürzlich nach sich: Der freigestellte Deutschland-Personalchef Walter Huber räumt endgültig seinen Posten und hat dazu mit Siemens vor Gericht einen Vergleich geschlossen. Ob es im neuen Jahr nun ruhiger zugeht bei dem Vorzeigekonzern, bleibt abzuwarten. (dpa/rs)